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Weibchen singen plötzlich Forscher wecken ungeahnte Fähigkeiten bei Kanarienvögeln

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Mit Testosteron behandelte Kanarienvogel-Weibchen fingen innerhalb einiger Tage an zu singen.

Mit Testosteron behandelte Kanarienvogel-Weibchen fingen innerhalb einiger Tage an zu singen.

(Foto: MPI für biologische Intelligenz/Stefan Leitner)

Kanarienvogel-Weibchen singen normalerweise nicht. Doch eigentlich könnten sie - in ihrem Gehirn ist die Fähigkeit angelegt. Forschern gelingt es nun, die Weibchen zum Singen zu bringen. Testosteron spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Kanarienvogel-Weibchen sind in der Lage zu singen - auch wenn sie dies im Gegensatz zu den Männchen üblicherweise gar nicht tun. Ein einziges Sexualhormon reicht aus, um die Fähigkeit hervorzulocken, wie ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für biologische Intelligenz in Seewiesen im Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences" schreibt.

Das Gehirn ist zu Erstaunlichem fähig - das gilt nicht nur für uns Menschen, sondern auch für Kanarienvögel. Die Neurobiologen haben in einem Experiment die Fähigkeit der Gehirne von Vogelweibchen erforscht, Neues zu lernen und sich immer wieder anzupassen. Im Fachjargon heißt dies Neuroplastizität.

Beim Menschen ist die Neuroplastizität seines Gehirns bekannt: Bis ins hohe Alter sind wir fähig, Neues zu lernen, uns umzugewöhnen oder Herausforderungen und Verletzungen zu überstehen.

Testosteron spielt wichtige Rolle

Das Team wollte nun wissen: Greifen bei Vögeln ähnliche Mechanismen - und wenn ja, wie? Es stellte sich heraus: Eine wichtige Rolle spielt beim Gesang das männliche Sexualhormon Testosteron. Es beeinflusst Veränderungen in jener Hirnregion, in der Neuronen aktiviert werden können.

In einem Experiment verabreichten die Forschenden einigen Kanarien-Weibchen aus der Brutkolonie des Max-Planck-Instituts Testosteron, andere bekamen ein Placebo. Das Hormon hatte einen deutlichen Effekt: Die mit Testosteron behandelten Weibchen fingen innerhalb einiger Tage an zu singen. Im Laufe der Zeit entwickelte sich ihr Gesang weiter. Die weiblichen Gesänge ähnelten der Studie zufolge stark jenen ihrer männlichen Artgenossen während der Brutzeit, wenn der natürliche Testosteronspiegel erhöht ist.

Gehirn ist schon bereit

Das Team wollte daraufhin wissen, wie das Gehirn der Vögel Fähigkeiten abruft, selbst wenn diese vorher nicht aktiv genutzt werden. Sie fanden mithilfe moderner Mikroskopie und weiterer Methoden heraus, dass - anders als zunächst angenommen - die relevante Hirnregion nicht wächst, wenn die Vögel zu singen beginnen. Stattdessen wurden die Neuronen unter dem Einfluss des Testosterons teils aktiver oder veränderten ihre Verbindungen und waren leichter zu erkennen.

Die Größe veränderte sich hingegen nicht, was Studienautor Shouwen Ma als entscheidend herausstellt. "So können Vögel auch nach Jahren ohne Gesang ihre komplexen Gesangsfähigkeiten wiedererlangen. Unsere Ergebnisse veranschaulichen, dass das Gehirn Strukturen nicht von Grund auf neu aufbauen muss", erklärt der Forscher. "Die neuronalen Mechanismen bleiben bereit und warten nur darauf, aktiviert zu werden - das ist auch, was mich an dieser Entdeckung so begeistert."

Bei den Vögeln klappte das Experiment sogar dann noch, wenn die Weibchen älter als sieben Jahre alt waren - was der Studie zufolge älter ist als ihre übliche Lebensdauer in freier Wildbahn.

Quelle: ntv.de, Larissa Schwedes, dpa

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