Nutzbare Ressource? Viel Süßwasser lagert unterm Meeresboden
18.01.2021, 11:40 Uhr
Die Karte gibt einen Überblick über Offshore-Grundwasservorkommen weltweit, bei denen die Mächtigkeit der wasserführenden Schicht bekannt ist.
(Foto: Micallef et al., 2020, bearb. Christoph Kersten/GEOMAR/dpa)
Weltweit wird in vielen Regionen das Süßwasser knapp. Die erste globale Bestandsaufnahme zeigt nun riesige Vorräte unter dem Meeresboden. Doch könnte man dieses Frischwasser überhaupt fördern?
Unter dem Meeresboden lagern gewaltige Süßwasservorräte. Ein internationales Forscherteam unter deutscher Leitung schätzt das Gesamtvolumen dieser Frischwasserreserven in der Zeitschrift "Reviews of Geophysics" grob auf etwa eine Million Kubikkilometer. Das entspricht etwa dem doppelten Volumen des Schwarzen Meers und etwa fünf Prozent der vermuteten globalen Grundwassermenge in den oberen zwei Kilometern der Kontinente.
Das Thema ist wichtig, weil Süßwasser gerade in Küstengebieten knapp wird - durch Klimawandel, Umweltverschmutzung, Bevölkerungswachstum und intensive Landwirtschaft. Betroffen sind unter anderem der Mittelmeerraum, die Westküste von Nord- und Südamerika, aber auch weite Teile von Australien und Afrika sowie Südwestasien. Zwar sind 70 Prozent der Erdoberfläche von Wasser bedeckt, doch etwa 97 Prozent davon sind salzhaltig und damit ungenießbar.
Frischwasserfunde bei Suche nach Öl- und Gaslagerstätten

Bei der Expedition SO277 OMAX wurde im August/September 2020 der Meeresboden rund um Malta auf Grundwasservorkommen hin untersucht. Dabei kamen unter anderem OBEM-Geräte (ocean bottom electromagnetic) zum Einsatz.
(Foto: Thore Sager/GEOMAR/dpa)
Frischwasservorkommen unter dem Meeresboden wurden erstmals Anfang der 1960er-Jahre vor der Küste Floridas nachgewiesen. In den folgenden Jahrzehnten stießen Forscher bei der Suche nach Öl- und Gaslagerstätten immer wieder auf solche Reservoire. Für die jetzige Übersicht erstellten Wissenschaftler aus sechs Ländern aus etwa 300 Aufzeichnungen die erste globale Bestandsaufnahme der Offshore-Grundwasservorkommen. Die Leitung hatten Forscher des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der Universität Malta.
Die Lagerstätten liegen hauptsächlich in Gebieten bis 55 Kilometer vor den jeweiligen Küsten und bis zu einer Wassertiefe von 100 Metern. Sie entstanden überwiegend in den letzten 2,5 Millionen Jahren in Phasen mit besonders niedrigem Meeresspiegel - also während der Eiszeiten.
Damals versickerte dort nach Niederschlägen das Wasser in der Erde und bildete vielerorts im Lauf der Jahrtausende Grundwasservorkommen. Diese wurden nach dem Anstieg des Meeresspiegels überflutet und blieben teilweise erhalten. Solche Vorräte seien kein lokales Phänomen, sagt Erstautor Aaron Micallef vom Geomar: "Es ist vor den meisten Kontinentalrändern rund um den Erdball dokumentiert worden."
"Viele dieser Reservoire sind mit Grundwasserschichten an Land verbunden und werden von dort nachgefüllt", sagt Ko-Autorin Marion Jegen vom Geomar. "Andere sind vom Land abgeschnitten und versalzen nach und nach."
Rückschlüsse auf Alter des eingeschlossenen Wassers
Zusammen mit anderen Forschern hat die Geophysikerin im vergangenen Jahr den Meeresboden vor der Küste von Malta auf grundwasserführende Gesteinsschichten sondiert. Dabei untersuchte das Team nicht nur die Durchlässigkeit des Untergrunds, sondern mit Hilfe elektromagnetischer Wellen auch den Salzgehalt. Anhand von Bohrungen lassen sich zudem Rückschlüsse auf das Alter des eingeschlossenen Wassers ziehen. "Wir versuchen letztlich, die Dynamik zu verstehen", sagt Jegen.
In der aktuellen Studie betonen die Autoren, dass 60 Prozent der Menschheit in Regionen mit angespannten Wasserressourcen leben. "Zugang zu sauberem Wasser ist die Grundlage einer nachhaltigen sozio-ökonomischen Entwicklung und wurde in die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen aufgenommen", heißt es weiter. Von besonderem Interesse seien solche Vorräte derzeit etwa für die Küstenmetropolen Kapstadt in Südafrika sowie Melbourne und Perth in Australien, schreibt das Team. Aber auch in anderen Regionen weltweit steige das Interesse, sagt Jegen.
Nutzung klare Kostenfrage
"Zur Nutzung von Offshore-Grundwasservorkommen kann es kommen, wenn die Kosten zum Erforschen, Abpumpen und Behandeln des Wassers niedriger sein werden als die Kosten der Meerwasser-Entsalzung", schreiben die Autoren. Bislang seien die technologischen Voraussetzungen dafür aber kaum definiert. Diese hängen unter anderem von der Tiefe der Reservoire und ihrer Entfernung zur Küste ab sowie von der Qualität des darin enthaltenen Wassers.
Allerdings müsse man vor einer Ausbeutung solcher Vorkommen die Folgen für die Umwelt abschätzen, schreiben die Autoren. Das betont auch Geophysikerin Jegen: "Ob man diese Reservoire nutzen kann und sollte, ist eine offene Frage."
Quelle: ntv.de, Walter Willems, dpa