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Bereits 21 Fälle in Deutschland Vieles am Affenpocken-Ausbruch bleibt rätselhaft

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Verwandt mit den Menschenpocken, jedoch bei Weitem nicht so gefährlich: Affenpocken.

Verwandt mit den Menschenpocken, jedoch bei Weitem nicht so gefährlich: Affenpocken.

(Foto: AP)

Die Zahl der Affenpocken-Fälle außerhalb Afrikas steigt. Bisher sind es mehr als 400 weltweit. Das plötzliche Auftauchen stellt Forscher weiter vor Rätsel. Nun dringen deutsche Fachverbände auf schnelles Handeln - bevor man das Virus nicht mehr loswird.

Wie aus dem Nichts scheint das Affenpocken-Virus in vielen Ländern aufzutauchen, obwohl es vorher jahrelang nur in West- und Zentralafrika heimisch war. Mittlerweile gibt es laut dem Forschungsnetzwerk Global Health mehr als 430 bestätigte Fälle in nicht-endemischen Ländern, laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) sind es in Deutschland bisher 21 Infizierte in sechs Bundesländern. Viele Fragen sind weiter noch offen - auch, ob der Erreger jemals wieder eingedämmt werden kann.

"Das aktuelle Infektionsgeschehen ist dynamisch mit steigenden Fallzahlen", schreiben mehrere medizinisch-wissenschaftliche Fachverbände in Deutschland in einer gemeinsamen Stellungnahme. Es sei "herausfordernd", das Ausmaß des Ausbruchs zu beurteilen, dasselbe gelte wegen der langen Inkubationszeit von ein bis drei Wochen für die Nachverfolgung von Kontaktketten. Die Fachverbände mahnen "rasches und konsequentes Handeln" an - wie eine zielgruppenspezifische Aufklärung, Isolation von Infektionsfällen sowie Quarantäne für enge Kontaktpersonen und Verdachtsfälle.

Was neu ist an dem globalen Affenpocken-Ausbruch: Die meisten Fälle außerhalb Afrikas habe keine direkte Reiseverbindung zu einem endemischen Gebiet. Heimisch ist das Virus in West- und Zentralafrika, allein in der Demokratischen Republik Kongo gab es laut WHO seit Jahresbeginn mehr als 1200 gemeldete Fälle, 58 Infizierte starben. In Nigeria, von wo aus das Virus vor einigen Wochen nach Großbritannien gelangt sein könnte, zirkuliert es bereits in einem seit 2017 anhaltenden Ausbruch. Bekannt ist, dass sich verschiedene Tierarten mit Affenpocken anstecken können, aber welches Tier genau den Ausbruch in Nigeria auslöste, ist unbekannt.

"Keine Hinweise auf genetische Anpassung"

Auch warum sich das Virus so anders verhält als bei früheren Ausbrüchen, bereitet Forschern weltweit Kopfzerbrechen. "Wir haben bisher nach meinem Wissen keine Hinweise darauf, dass sich in dem Virus genetische Veränderungen ereignet haben, die auf eine Anpassung an den Menschen schließen lassen", sagte Virologe Thomas Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts, in einem Interview mit ntv.de. Andere Experten weisen darauf hin, dass das Genom der Affenpocken nicht so leicht zu analysieren sei wie etwa das von Sars-CoV-2, da es etwa sechsmal größer sei. Pockenviren-Genome steckten voller Rätsel, betonte Elliot Lefkowitz, Computervirologe an der University of Alabama, gegenüber "Nature".

Unklar ist auch, ob die gegenwärtigen Fälle außerhalb Afrikas auf einen einzigen aus Afrika zurückgekehrten Reisenden zurückgehen, was Forscher für am wahrscheinlichsten halten - oder ob sie auch aus früheren Eintragungen stammen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht aufgrund des gleichzeitigen, plötzlichen Auftretens des Virus in mehreren Ländern derzeit von einer unentdeckten Übertragung über einen längeren Zeitraum aus.

Aber beim Übertragungsweg gibt es ebenfalls noch viele offene Fragen. Bisher galten der Kontakt mit den Läsionen - Bläschen und Pusteln - sowie Körperflüssigkeiten und Tröpfchen aus dem Atem infizierter Menschen oder Tiere als mögliche Übertragungswege. Da sich das Virus zuletzt offenbar aber vor allem unter Männern verbreitete, die Sex mit anderen Männern hatten, wird auch eine Anpassung der Affenpocken auf eine sexuelle Übertragbarkeit für möglich erachtet.

Bereits "intrafamiliäre Übertragungen"

Bei den derzeit bekannten nicht-endemischen Fällen sind zwar überwiegend Männer betroffen, vereinzelt aber auch Frauen, wie aus den Daten von Global Health hervorgeht. Es habe bereits "intrafamiliäre Übertragungen" gegeben, betonen die deutschen Fachverbände. Sie warnen zugleich vor einem "Eintrag in das Tierreich". Denn eine große Sorge ist, dass sich das Affenpocken-Virus auch außerhalb Afrikas in Tieren einnistet, von wo aus es immer wieder neue Ausbrüche bei Menschen auslösen könnte. "Es wird ganz sicher keine neue Pandemie geben. Aber ich habe schon Angst, dass sich das Affenpocken-Virus bei uns festsetzen könnte", sagte auch Pocken-Experte Gerd Sutter dem "Spiegel".

Glück im Unglück: Bei den internationalen Affenpocken-Fällen handelt es sich nach bisherigen Erkenntnissen um die als milder geltende westafrikanische Variante des Virus. Die Symptome, zu denen unter anderem der markante Hautausschlag zählt, verschwinden laut RKI meist innerhalb weniger Wochen von selbst, können bei einigen Menschen aber zu medizinischen Komplikationen und in sehr seltenen Fällen auch zum Tod führen. Bislang wurden allerdings keine Todesfälle durch das Virus außerhalb Afrikas gemeldet.

Für die westafrikanische Variante nimmt man eine Fallsterblichkeit von etwa einem Prozent, nach anderen Quellen drei bis vier Prozent an. Allerdings stammen die Daten aus Afrika, wo die Bevölkerung deutlich jünger ist. Die wenigen Todesfälle seit 2017 in Westafrika werden laut WHO vor allem mit jungem Alter oder einer unbehandelten HIV-Infektion in Verbindung gebracht. Gefährlicher ist die zentralafrikanische Variante der Affenpocken mit einer Fallsterblichkeit von rund zehn Prozent. Zuletzt meldete die Demokratische Republik Kongo laut WHO jedoch eine Fallsterblichkeit von lediglich drei Prozent.

Ringimpfung könnte Lösung sein

Die meisten Experten gehen derzeit davon aus, dass der aktuelle Affenpocken-Ausbruch begrenzt werden kann. Virologe Mettenleiter verwies gegenüber ntv.de zudem auf existierende Medikamente und Impfstoffe - so sei im Notfall eine "Ringimpfung" möglich, um die Übertragung einzudämmen. Die Bundesregierung hat bereits Impfdosen gegen die Affenpocken bestellt, im Juni könnten laut Gesundheitsminister Karl Lauterbach rund 40.000 Dosen geliefert werden, im weiteren Verlauf des Jahres weitere 200.000.

Bei dem dafür vorgesehenen Impfstoff Imvanex handelt es sich um ein gegen Menschenpocken entwickeltes Vakzin, das laut WHO jedoch auch eine Wirksamkeit von 85 Prozent gegen Affenpocken aufweist. Die USA hatten bereits am Montag vergangener Woche mit der Ausgabe des Impfstoffs begonnen. Die WHO sieht bisher keine Notwendigkeit für Massenimpfungen.

Quelle: ntv.de

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