Stürme, Insekten, Trockenheit Waldsterben erreicht historisches Ausmaß
16.07.2020, 16:40 UhrDer Klimawandel hat laut Experten Schäden im historischen Ausmaß in deutschen Wäldern hinterlassen. Es müsste bereits eine Fläche so groß wie das Saarland aufgeforstet werden. Die Bundesregierung hat 2019 dafür 800 Millionen Euro Nothilfen beschlossen - deutlich zu wenig, wenn es nach den Grünen geht.
Die Schäden in deutschen Wäldern haben nach Einschätzung von Experten ein historisches Ausmaß erreicht. "Wir erleben gerade die schwerwiegendste Waldschaden-Situation (...) seit Beginn der geregelten nachhaltigen Waldbetreuung und Waldbewirtschaftung, das heißt also seit mehr als 200 Jahren", sagte Waldschutz-Professor Michael Müller von der TU Dresden in Berlin.
Auslöser für die drastische Verschlechterung vieler Waldflächen seien Stürme, eine Massenvermehrung von laub- und nadelfressenden Insekten sowie die trockenen Jahre 2018 bis 2020. "Diese Kombination gab es bisher nicht." Auch der diesjährige Frühling war zu trocken. Der Sommerauftakt war insgesamt regenreicher, regional blieb es laut Wetterdienst aber trocken.
Die jüngsten Angaben von CDU-Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner zu Waldschäden vom Februar dürften nach Müllers Einschätzung "längst überholt sein". Damals hatte Klöckner von 160 Millionen Kubikmetern Schadholz gesprochen und 245.000 Hektar Fläche, die wieder aufgeforstet werden müssen - das ist fast so groß wie das Saarland.
Die finanziellen Mittel für Aufforstung und den Waldumbau hin zu widerstandsfähigen Mischwäldern seien da, sagte Müller. Es brauche aber passende rechtliche Rahmenbedingungen "und vor allem ausreichend Personal auf allen Ebenen".
Grüne fordern deutlich mehr Geld für Aufforstung
Bund und Länder stellen für die kommenden vier Jahre knapp 800 Millionen Euro zusätzlich bereit. Nach Ansicht der Grünen müsste diese Summe jedoch noch einmal um 50 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro erhöht werden, um die gesamte schadhafte Fläche zu räumen und aufzuforsten, schrieb die "Augsburger Allgemeine". Die bisherigen Hilfen seien nur "ein Tropfen auf die austrocknenden Böden", sagte der Grünen-Waldexperte Harald Ebner der Zeitung.
Neben der Klimaanpassung bestehender Wälder und dem Aufforsten von Mischwäldern müsse man sich mehr als je zuvor um eine pflegliche Waldbehandlung kümmern, sagte Andreas W. Bitter, der an der TU Dresden Professor für Forsteinrichtung ist.
Das bedeute vor allem, den Boden zu schonen, etwa über Regelungen zum Maschineneinsatz. Besonders von Waldschäden betroffen sind Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Hessen und Thüringen. Forstbetriebe erlebten einen finanziellen Einbruch, die Folgen für den Tourismus seien noch nicht absehbar, sagte der Oberbürgermeister der Harz-Stadt Wernigerode, Peter Gaffert, der auch schon Direktor zweier Nationalparks war.
Auch die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald äußerte sich besorgt angesichts der Lage. Die inzwischen rund zweieinhalbjährige Dürre führe zu einer starken Ausbreitung von Borkenkäfern, sagte Geschäftsführer Christoph Rullmann der "Passauer Neuen Presse". Das "große Problem" sei der Klimawandel. Dieser führe zu Wassermangel, Waldbränden und Wetterextremen wie etwa Stürmen.
Rullmann forderte von der Politik durchgreifende Maßnahmen, um die Wälder an die sich verändernden Klimabedingungen anzupassen. Dazu gehöre die Pflanzung von mehr Laubmischwald, da dieser resistenter gegen Trockenheit sei als Nadelwälder. "Dieser Prozess muss jetzt aber schnell gehen, weil man ganze Flächen hat, die kahl sind."
Quelle: ntv.de, ysc/dpa/AFP