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Hitze, Tornados, Überschwemmung Warum das Wetter derzeit verrücktspielt

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In Montpellier kommt man derzeit am besten mit dem Kanu vorwärts.

In Montpellier kommt man derzeit am besten mit dem Kanu vorwärts.

(Foto: REUTERS)

Sengende Hitze im Süden, Sturzfluten im Osten: Das Wetter in den USA scheint außer Rand und Band. Und nicht nur dort. Auch Deutschland erlebt derzeit Extremwetter zwischen Hitzewellen und heftigen Gewittern. Woran liegt das?

Ein unerbittlicher Hitzedom über dem Süden der USA. Katastrophale Überschwemmungen im US-Bundesstaat New York. Meerestemperaturen von bis zu 36 Grad Celsius vor der Küste Floridas. Eine überraschende Überschwemmung in Vermont. Ein seltener Tornado in Delaware. Vor einem Jahrzehnt wäre jedes dieser Ereignisse eine Ausnahmeerscheinung gewesen. Heute finden sie alle gleichzeitig statt - und nicht nur in den USA, sondern beinahe überall auf der Welt.

So erlebt auch Deutschland derzeit beides: extreme Hitze und schwere Unwetter. Während Teile Sachsens bei bis zu 26 Grad schon in den frühen Morgenstunden schwitzen, reißt ein Tornado im Saarland Dächer von Häusern. Was ist also los mit dem Wetter?

Ein "perfekter Sturm" braue sich in diesem Sommer zusammen, sagt Klimaforscher Michael E. Mann von der Universität von Pennsylvania gegenüber CNN. Ein Zusammenspiel aus atmosphärischen Faktoren führe auf der ganzen Welt zu rekordverdächtiger Hitze und verheerenden Überschwemmungen. Verantwortlich dafür ist laut Mann in erster Linie der Klimawandel.

Wenn der Jetstream stillsteht

Die meisten Meteorologen und Wissenschaftler sträuben sich zwar, einzelne Wetterphänomene auf die Klimakrise zurückzuführen. Denn tatsächlich ist ein kausaler Zusammenhang nur schwer nachzuweisen. "Klar, Wetter ist Wetter", sagt auch Mann dem Sender. Es werde immer heiße Tage sowie Regenfälle und auch Überschwemmungen geben. "Was der Klimawandel aber bewirkt, ist, dass er diese Ereignisse verstärkt." Durch die zunehmenden Emissionen von CO₂ und anderen Treibhausgasen erwärmt sich die Erde immer mehr - und mit ihr die Luft. Das führt zu Veränderungen der wettersteuernden Luftströme, die auch als Jetstreams bezeichnet werden.

Diese Luftströme, die sich über die gesamte Erde ziehen, werden größtenteils durch die Temperaturunterschiede zwischen dem Äquator und den Polen angetrieben, erklärt ntv-Meteorologe Björn Alexander. Weil die Polregionen sich allerdings rascher erwärmen als die Bereiche in Äquatornähe, wird die sogenannte Westwinddrift schwächer und die Wetterlagen können somit grundsätzlich länger andauern. Das bedeutet, dass beispielsweise Hochdruckgebiete ungewöhnlich lange verweilen, ohne zwischendurch von einem Tiefdruckgebiet verdrängt zu werden.

"Der Jetstream kommt im Grunde zum Stillstand", sagt auch Klimaforscher Mann. "Wir beobachten immer häufiger diese festgefahrenen, wellenförmigen Jetstream-Muster, die mit sehr hartnäckigen Wetterextremen verbunden sind, sei es Hitze, Dürre, Waldbrände oder Überschwemmungen."

"El Niño gießt Öl ins Feuer"

Zum veränderten Jetstream kommt aktuell noch ein weiteres Phänomen hinzu - das jedoch nicht menschengemacht ist: "El Niño gießt zusätzliches Öl ins Feuer", sagt Mann. Das Phänomen El Niño findet alle zwei bis acht Jahre im tropischen Pazifik statt und entsteht durch die Veränderung von Wasser- und Luftströmungen. Es treibt die globalen Temperaturen weiter in die Höhe und verändert regionale Wettermuster.

"El Niño dürfte bereits jetzt einen deutlichen Anteil an den global gemittelten Temperaturrekorden haben", sagt Helge Gößling vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) der dpa. "Da die Wärme des Ozeans ein längeres Gedächtnis hat und sich El Niño wahrscheinlich weiter ausbilden wird, können wir davon ausgehen, dass die zweite Jahreshälfte global gesehen warm bleibt."

Dennoch: Laut Mann "würden wir ohne die Klimakrise solch extreme Ereignisse nicht erleben". Erst eine Kombination aus beidem mache diese möglich. Die stete Erderwärmung in Kombination mit El Niño "verbindet sich, wenn man so will, zu einem perfekten Sturm von Konsequenzen, der zu wirklich verheerenden und tödlichen Wetterextremen führt."

Ein Rekord jagt den nächsten

Konsequenzen, die auch messbar sind: In der letzten Woche lag die durchschnittliche globale Temperatur nach vorläufigen Daten von US-Wissenschaftlern ganze sechs Tage in Folge über dem bisherigen Rekordwert aus dem Jahr 2016. Der bisher heißeste erfasste Tag weltweit war demzufolge der vergangene Donnerstag (6. Juli) mit 17,23 Grad. Auch an den anderen Tagen von Montag bis Samstag lag die durchschnittliche globale Temperatur der Plattform "Climate Reanalyzer" zufolge jeweils über 17 Grad.

Weitere Rekorde in den nächsten Wochen seien durchaus möglich, erklärt Gößling. Im Jahresverlauf würden typischerweise etwa Ende Juli die höchsten Werte erreicht, da dann die großen Landmassen der nördlichen Hemisphäre besonders aufgeheizt seien. "Bis dahin könnten die Rekorde der letzten Tage noch übertroffen werden."

Quelle: ntv.de

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