Dem milchigen Ozean auf der Spur Wie entsteht das mysteriöse Meeresleuchten?
12.07.2022, 08:58 Uhr
Satellitenbilder aus der Nacht des 2. August 2019 zeigen ein etwa 100.000 Quadratkilometer großes biolumineszentes, milchiges Meer südlich von Java. Das blaue Segment zeigt an, wo die Jacht-Besatzung in leuchtende Gewässer segelte.
(Foto: Steven Miller, Leon Schommer (photographer), and Naomi McKinnon, Australian National University, Canberra, Australia)
Sehr selten verwandeln sich Teile des Ozeans nachts in eine milchig leuchtende Fläche. Wann und wo das mysteriöse Meeresleuchten auftritt, ist nicht vorherzusehen - bislang. Ein Forscher hofft auf bessere Untersuchungsmöglichkeiten.
Mit Hilfe von Satellitendaten könnte ein rätselhaftes Meeresleuchten künftig frühzeitig lokalisiert und dadurch möglicherweise besser wissenschaftlich untersucht werden. Wie Steven Miller von der University of California berichtet, decken sich Beobachtungen einer Jacht-Crew, die Anfang August 2019 im Ostindischen Ozean ein sogenanntes "Milchiges Meer" durchfuhr, mit Bildern aus dem All. Die Vor-Ort-Berichte der Crew zerstreuten jeden Zweifel daran, dass das Phänomen per Satellit messbar ist, schreibt Miller in den "Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften.

Milchiges Meer in der Nacht vom 2. August 2019. Auf dem Bild hebt sich das Deck der Jacht als Silhouette gegen das Leuchten des Wassers ab.
(Foto: Steven Miller, Leon Schommer (photographer), and Naomi McKinnon, Australian National University, Canberra, Australia)
Seit Jahrhunderten gibt es Berichte von Seefahrern über ein ungewöhnliches und seltenes nächtliches Leuchten im Meer, das der Oberfläche den Anschein einer hellerleuchteten Schneefläche verleiht. Solche Beobachtungen wurden gehäuft im Nordwestlichen Indischen Ozean sowie in einer Meeresregion Südostasiens zwischen dem Indischen und dem Pazifischen Ozean gemacht. Das durchgehende Leuchten wird vermutlich von Bakterien erzeugt, die zur Biolumineszenz fähig sind, also zum Ausstoß von sichtbaren Licht, womöglich im Zusammenspiel mit Mikroalgen.
Weil es so selten ist und nicht vorhersehbar auftritt, sind viele Fragen rund um das Phänomen bis heute offen. Messungen von Satelliten könnten nach Ansicht von Miller nun Fortschritte ermöglichen: Die US-Wetter- und Ozeanografiebehörde (NOAA) betreibt Satelliten mit einem Instrument, das auch sehr schwaches Licht erfassen kann. Bei der Auswertung von Messdaten der vergangenen zehn Jahre fand ein Team um Miller kürzlich unter anderem Hinweise auf ein Meeresleuchten zwischen Juli und September 2019 südlich der indonesischen Insel Java. Es umfasste eine Fläche von mehr als 100.000 Quadratkilometern - etwa so groß wie Island.
"Als ob man auf Schnee segelt"
Zu diesem Zeitpunkt durchfuhr eine private Jacht mit einer siebenköpfigen Crew das Meeresgebiet - und bemerkte das nächtliche Leuchten. "Beim Aufwachen um 2200 war das Meer weiß. Es gibt keinen Mond, das Meer ist offenbar voller Plankton aber die Bugwelle ist schwarz! Es macht den Eindruck, als ob man auf Schnee segelt!", heißt es im Logbuch-Eintrag vom 2. August 2019.
Nachdem die Besatzung Medienberichte über die Satellitenmessungen des Milchigen Meeres gehört hatte, berichtete sie den Forschern von den eigenen Erfahrungen. Sie hatte demnach in der Nacht einen Eimer Wasser an Bord gezogen und darin mehrere Punkte mit gleichmäßigem Leuchten ausgemacht. Die Entnahme des Wassers unterbrach das Leuchten im Meer nicht, beim Umrühren verdunkelte sich das Wasser.
Dem Eindruck des Kapitäns zufolge kam das Leuchten aus tieferen Wasserschichten, nicht von der Oberfläche. Das spreche gegen die Hypothese, dass das Phänomen im Zusammenhang mit einer organischen Schicht an der Wasseroberfläche entsteht, schreibt Miller in seinem Aufsatz. "Viele Fragen im Zusammenhang mit der Struktur, Zusammensetzung und Bedeutung des Milchmeeres und seine Bedeutung können erst durch Probenentnahme vor Ort vollständig beantwortet werden. (...) Mit dem neu gewonnenen Vertrauen in unsere weltraumgestützten Beobachtungsposten rückt eine gezielte Expedition zu einem Milchmeer in den Bereich des Möglichen."
Quelle: ntv.de, Anja Garms, dpa