Unterhaltung

Vergleiche mit der DDR Jan Josef Liefers kritisiert die "Medien"

126368605.jpg

Fühlt sich in Sachen Medien in die DDR zurückversetzt: Jan Josef Liefers.

(Foto: picture alliance / Eventpress)

Vor drei Wochen kündigt Jan Josef Liefers an, sich ebenfalls an der Aktion #allesaufdentisch beteiligen zu wollen. Inzwischen sind zwei Videos abrufbar, in denen der Schauspieler mit einem Medienwissenschaftler die Corona-Berichterstattung kritisiert, weil er sich offenbar in die DDR zurückversetzt fühlt.

Jan Josef Liefers hat sich im Verlauf der inzwischen mehr als eineinhalb Jahre andauernden Pandemie bereits mehrfach zu den Corona-Maßnahmen der Politik geäußert. Das tat er zunächst als Teil der umstrittenen #allesdichtmachen-Kampagne, die mit vermeintlich satirischen Beiträgen harsche Kritik äußerte. Und er tat es in der Folge auf Nachfrage in diversen Talkshows.

Kürzlich dann folgte der Schauspieler einer Einladung auf eine Intensivstation, um sich dort selbst ein Bild von der Situation machen und seine Meinung möglicherweise revidieren zu können. Tatsächlich stellte er dort fest, dass es vor allem Ungeimpfte traf. Auch den Tod zweier schwangerer Frauen musste er miterleben, deren Babys gerade noch gerettet werden konnten. Zwar sei er selbst doppelt geimpft, direkt zum Impfen aufrufen wollte er aber dennoch nicht. Die Entscheidung läge bei jedem selbst, sagte er im Gespräch mit der "Bild"-Zeitung und warf dem Staat zudem Erpressung vor: "Ich weiß natürlich auch, dass wir Leute, die sich gegen eine Impfung entscheiden, massiv unter Druck setzen. Mir ist nicht ganz klar, warum wir das tun."

Nun hat Liefers - wie er selbst vor drei Wochen ankündigte - einen Beitrag zur ebenfalls viel diskutierten #allesdichtmachen-Nachfolgekampagne #allesaufdentisch beigesteuert. Die war nicht nur aufgrund fragwürdiger Gespräche zwischen Schauspielern und verschiedenen Anwälten, Wissenschaftlern und selbsternannten Corona-Experten mit Bezug zum "Querdenker"-Umfeld aufgefallen, sondern auch durch die kurzzeitige Löschung seitens Youtube. Dort hatte man aufgrund der in den Clips verbreiteten Desinformationen einen Verstoß gegen die eigenen Richtlinien festgestellt, doch entschied das Landgericht Köln die Unrechtmäßigkeit dieser Löschaktion. Seither sind die meisten #allesaufdenTisch-Videos wieder abrufbar. Unter anderem beteiligten sich schon Volker Bruch und Wotan Wilke Möhring an der Aktion, nun ist auch Liefers wieder mit von der Partie.

Entwicklungen wie in der DDR?

Die beiden Videos, in denen der 57-Jährige mit dem Medienforscher Stephan Ruß-Mohl ein Gespräch über die Corona-Berichterstattung führt, wurden bereits vor einer Woche hochgeladen. Auch für den 71-jährigen Ruß-Mohl ist es nicht die erste kritische Auseinandersetzung mit dem Thema. Immer wieder hat er den Medien im Zuge der Pandemie in Interviews Einseitigkeit und Maßlosigkeit vorgeworfen.

Ruß-Mohl, emeritierter Professor für Journalismus und Medienmanagement, ist Mitglied des zu Beginn dieses Jahres gegründeten Netzwerks "Wissenschaftsfreiheit". Das ist ein Zusammenschluss von mittlerweile knapp 600 Wissenschaftlern, die sich so gegen angebliche Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit und eine aus ihrer Sicht falsch verstandene Political Correctness einsetzen wollen.

Zuletzt arbeitete Ruß-Mohl an der Universität in Lugano, heute lebt er in Brandenburg, wie er zu Beginn des Gesprächs berichtet. "Ich staune täglich darüber, was in Deutschland jeden Tag schiefläuft", so Ruß-Mohl zum Einstieg in das insgesamt etwa halbstündige Gespräch. Das bringt Liefers dazu, seine Kindheit in der DDR zu thematisieren: "Es gab ein paar Zeitungen, aber im Grunde stand überall dasselbe drin." Er sei eigentlich froh gewesen, als das vorbei war. Es habe keine Meinungsfreiheit gegeben, mit kontroversen Meinungen sei man angeeckt und konnte große Probleme bekommen. Ähnliche Entwicklungen sieht Liefers in Deutschland seit Beginn der Pandemie, worauf sein Gesprächspartner nicht weiter eingeht.

Liefers ist der Überzeugung, die Medien kämen ihrer Aufgabe als "Checks and Balances der Regierung" nicht nach. Ruß-Mohl bemängelt hingegen eher das Ausmaß der Corona-Berichterstattung in der Anfangsphase. "Wir sind in einer Weise mit nichtssagenden Zahlen bombardiert worden, die aber letztendlich einen Effekt hatten: Dass wir alle in einem Übermaß Angst gekriegt haben", sagt er. Die Medien hätten durch diese Berichterstattung den Druck auf die Politik so erhöht, dass diese sich gezwungen gesehen habe, irgendetwas zu tun. Deshalb habe man an vielen Stellen überreagiert. Das sei das Gegenteil dessen, wie Liefers es empfunden habe, räumt dieser ein. "Ich hatte den Verdacht, da will die Regierung etwas, und die Medien helfen ihr dabei."

Lauterbach: Vom Hinterbänkler zur Prominenz

Ruß-Mohl wirft den Medien weiter vor, dem Thema bis heute zu viel Aufmerksamkeit zu schenken und damit Leuten wie dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach eine Plattform zu bieten, um sich "zu profilieren". Er sei das sichtbarste Beispiel dafür, "wie man mit Panikmache als Politiker Prominenz gewinnen kann, obwohl man vorher ein Hinterbänkler war".

Liefers will die Dinge angeblich verstehen, sei in den vergangenen eineinhalb Jahren aber immer wieder auf Ungereimtheiten gestoßen, die ihn zum Nachdenken bewegt hätten. "Irgendwann konnte ich nicht mehr schlafen. Das Erste war wieder das Corona-Ding, meine Kinder, die geschlossenen Schulen. Was wird hier, was machen wir? Hat irgendjemand einen Plan, gibt es eine Strategie? Wenn ja, wie sieht die aus?" Er habe viele Freunde in der Medizin oder der Wissenschaft, dort habe er sich umgehört. So habe sich eins aufgetan: "Wenn man hier nicht Gefolgschaft leistet in dieser Zeit, wenn man nicht macht, was gesagt wird, dann ist man automatisch ein Außenseiter, ein 'Querdenker', ein unsolidarischer Bürger," beklagt er sich.

Dann aber gibt sich Liefers doch noch kurz einsichtig. So merkt er an, dass er sich durchaus der Gefahr bewusst sei, die die sogenannten alternativen Medien mit sich brächten. Es sei schwierig für viele Menschen, einen "Blogger mit einer Meinung" von einem Journalisten zu unterscheiden. Hier gibt ihm Ruß-Mohl recht, da es schwer nachzuvollziehen sei, woher ein Statement überhaupt komme. Umso wichtiger sei es, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass die Quelle vertrauenswürdig sein sollte. "Diese Vertrauenswürdigkeit zu überprüfen, wird zu einer immer größeren Herausforderung (...), weil so viel in die Netzwerke hineingespült wird", so der Wissenschaftler. Welche Quellen Liefers selbst zurate zieht, um auf seine Einschätzung der Corona-Gesamtsituation und der Kritik an den dementsprechenden Maßnahmen zu kommen, bleibt dabei offen.

"Rabiate Gegenwehr aus den Medien"

Man müsse sich auch Neuem öffnen, findet Liefers, der als Beispiel nun die misslungene #allesdichtmachen-Kampagne anführt. "Dort gab es sehr schnell rabiate Gegenwehr aus den Medien", jammert der "Tatort"-Star, der sein eigenes Video bis heute offenbar witzig findet. "Der Applaus von der falschen Seite - ich kenne es aus der DDR - ist das große Schreckgespenst. Das wird einem immer als Totschlagargument vorgehalten", bemüht er den Diktatur-Vergleich noch einmal.

Ruß-Mohl gibt Liefers zwar recht, dass man sich auf die Hinterbeine stellen müsse für seine eigene Meinung, aber man müsse auch einbeziehen, wer einen damit zu instrumentalisieren versuche. "Auf welcher Plattform, bei wem man auftritt - diese Entscheidung muss man jedes Mal wieder neu treffen." Etwas, das weder bei #allesdichtmachen noch bei #allesaufdentisch beherzigt wurde, sieht man sich die Gesprächspartner der einschlägigen Schauspieler an. So einige von ihnen entstammen der sogenannten "Querdenker"-Szene oder sind politisch eher weiter rechts einzuordnen.

Dann sprechen Liefers und Ruß-Mohl über vermeintliche Meinungsmache durch Journalismus, denn Liefers' Einschätzung nach wird durch die überdurchschnittlich häufige Nutzung von Adjektiven eine Denkrichtung vorgegeben, anstatt neutral zu berichten. "Es wird gerne so aufbereitet: Ich sage schon, was war, aber ich hänge noch diese kleinen Worte vorn dran, die jedem, auch dem letzten Deppen, klarmachen sollen, wie es zu verstehen ist. Gleichzeitig erzeugt das eine enorme Kränkung und auch Wut, wenn man sie vor Namen oder Absichten hängt." Eben das sei in den letzten eineinhalb Jahren passiert. "Da sehe ich gar nicht nur die Printmedien oder was wir an traditionellen Medien haben, sondern auch das Internet."

"Mitte der Gesellschaft gibt es nicht mehr"

Dies nimmt Ruß-Mohl zum Anlass, den Algorithmus anzusprechen, der uns "das serviert, was wir hören, sehen und lesen wollen". So werde jeder mit der Meinung versorgt, die er hören wolle und lande in "den sogenannten Echo-Kammern, und das ist natürlich sehr gefährlich". Ein öffentlicher Diskurs fände nicht mehr statt, er zerfiele stattdessen in zahlreiche Mini-Diskurse. Hier stimmt Liefers ihm zu: "Dadurch, dass ich in meine Timelines dann nur noch andere Leute reingespült bekomme, die so ähnlich ausgerechnet werden vom Algorithmus wie ich, habe ich das Gefühl, alle denken so wie ich. Ich bin ein Teil der Mehrheit. Das wollen wir ja immer sein (...) die wenigsten von uns wollen Außenseiter sein." Die Mitte der Gesellschaft in der Form gebe es gar nicht mehr. "Ich weiß gar nicht, wo die sein soll, weil auch der krasseste Vogel denkt, er sei die Mitte der Gesellschaft." Das gilt womöglich auch für ihn, der zu verkennen scheint, zur privilegierten Bevölkerungsschicht und selbst eher weniger zur Mitte zu gehören.

Das Problem sei aber auch das Wesen der Nachricht an sich, so Liefers weiter, der damit im Grunde vielem zuvor Gesagten selbst widerspricht. "Wir wollen ja auch nicht hören, dass alles super ist. (...) Wir wollen hören, dass der Säbelzahntiger im Park ist und wir aufpassen müssen, wenn wir da hingehen. Das ist ja das, was evolutionär die Nachrichten für uns so wichtig gemacht hat. Das Außergewöhnliche, die Sensation. Danach fragen wir ja auch." Damit sei der Mensch selbst ebenfalls Teil der negativen Entwicklung. Womit er vermutlich sogar recht hat, allerdings sind es auch die fragwürdigen Aussagen von ihm, Bruch und Co., die diese Sensationsgier und die Negativschlagzeilen grundlos weiter schüren.

Quelle: ntv.de

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen