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Antifa gegen Spotify und Co. Neonazi-Fake-Band entlarvt Algorithmen

Die rechte Band, die keine ist: Hetzjaeger.

Die rechte Band, die keine ist: Hetzjaeger.

(Foto: Laut gegen Nazis e.V.)

Mehrere Wochen feiert die rechte Szene eine vermeintlich neue Band namens Hetzjaeger. Jetzt kommt heraus, dass dahinter ein antifaschistischer Verein steckt, der so aufzeigen will, wie schnell sich rechte Musik ungehindert über Plattformen wie Spotify und Co. verbreitet.

Wer Streaming-Plattformen wie Spotify, Soundcloud, Apple Music, Amazon Music und Deezer nutzt, bestimmt schon lange nicht mehr allein, welche Musik er hört. Stattdessen übernimmt der Algorithmus die Auswahl neuer Songs und Alben, die ihm vorgeschlagen werden. Dass das fatal sein kann und sich so auch faschistisches Gedankengut und rechte Hetze verbreiten, deckt jetzt ein Projekt des Vereins "Laut gegen Nazis" auf, für das die Neonazi-Band Hetzjaeger erfunden wurde.

Der Schriftzug besteht aus runenähnlichen Buchstaben in Blutrot, von denen die Buchstaben HJ hervorgehoben sind (in Anspielung auf die frühere Hitler-Jugend). Der Song trägt den Titel "Kameraden" und beinhaltet Textzeilen wie: "Wenn du begreifst, dass, Stück für Stück, dein Land sich und dich vor dem Feind ergibt ..." Und: "Denn wir, wir sind nicht einfach Kameraden. Und wir geben nicht nach. Mit harter Hand und festem Herz. Es braucht nur einen Stoß. Denn wir geben nicht nach".

Rechte Szene fällt auf Aktion herein

Eine Hörprobe und ein 30-sekündiges Video waren über mehrere Wochen auf verschiedenen Plattformen verfügbar. Und die rechte Szene fiel auf diesen Schachzug der Gegenseite herein. Mit dem Snippet kam Hetzjaeger in einem Monat auf mehr als 100.000 Views und Streams. Es trudelten sogar Kooperationsanfragen ein, in Telegram-Kanälen fanden sich zahlreiche Unterstützer. Bis das komplette Video veröffentlicht wurde.

Denn erst der vollständige Songtext deckt auf, dass es sich nicht um ein faschistisches, sondern um ein antifaschistisches Projekt handelt. Hetzjaeger ist eine nicht existente Band, erfunden von der Antifa, um die Verbreitung solch gefährlichen Liedguts zu verdeutlichen. Weiter im Text heißt es nämlich: "Ich hab genug von dir. Dieser Song ist mein Revier. Der zeckt sich in dein rechtes Ohr, das ich auf links polier'." Und: "Denn wir sind nicht eure Kameraden. Und wir geben nicht nach. Wir kicken die Faschisten aus der Playlist raus. Es braucht nur einen Stoß. Mit aller Kraft. Gegen den Hass."

Die echten rechten Bands tragen Namen wie Übermensch und Feindnah. Sie sind problemlos bei Spotify und Youtube zu finden sowie mit ihnen - dank Algorithmus - immer wieder neue Vorschläge aus dieser Richtung. Doch damit nicht genug. "Den meisten rechten Bands dürfte das Budget fehlen, um Werbung zu schalten, aber dass die Möglichkeit dazu überhaupt besteht, ist erschreckend und zeigt, wie wenig die Plattformen kontrollieren", so Jörn Menge von "Laut gegen Nazis". "Die Streaming-Riesen machen es rechten Bands also sehr leicht und geben ihnen eine Bühne. Schlimmer noch: Die Algorithmen verbreiten die Musik aktiv." Viele der Unternehmen reagierten auf den 30-Sekünder lange nicht.

Hetzjaeger im "Mix der Woche"

"Wir haben verschiedene Strategien bei den Plattformen angewandt, um zu testen, wie sie reagieren", erklärt Menge weiter. Bei Spotify beispielsweise habe der Algorithmus die Hörprobe bereits nach wenigen Tagen "in den Mix der Woche und Playlists von Testaccounts gespült". In der zweiten Woche schaltete die Initiative dann auch noch Werbung. Erst als linke Seiten darüber berichteten, löschte Spotify den Song. Allerdings konnte die vermeintliche Band ihn direkt wieder neu hochladen.

Apple Music hingegen weist darauf hin, dass der Song dort nie zu finden gewesen sei. Musikredakteuren hätten das Snippet dort gesichtet und von vornherein nicht auf der Plattform zugelassen. Weiter heißt es in einer E-Mail seitens des Unternehmens, Rechtsrock-Bands würden bei Apple Music grundsätzlich nicht promotet.

Erst nach vier Wochen geblockt

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Die Plattformen sollten ihre Algorithmen nutzen, um rechte Lieder zu sperren, bevor sie auf den Plattformen landeten, findet Menge. Youtube blockiert laut einem Sprecher, den die Tageszeitung "Taz" zitiert, bereits maschinell. Im dritten Quartal 2021 seien demnach beispielsweise 6,2 Millionen Videos gelöscht worden, die gegen die Richtlinien verstießen. Sechs von zehn seien maschinell entdeckt worden, bevor sie mehr als zehn Views bekamen. Trotzdem blockierte Youtube das Video von Hetzjaeger erst nach vier Wochen und mehr als 75.000 Views.

Mit dieser Aktion möchte "Laut gegen Nazis" zeigen, wie einfach es die Streaming-Plattformen und Algorithmen machen, rechte Musik im Netz zu verbreiten und fordert von den Verantwortlichen, endlich konsequent gegen rechte Musik vorzugehen. Spotify war erst zuletzt in die Kritik geraten, weil es dem Podcast-Host Joe Rogan ermöglichte, Fake News über Corona zu verbreiten. Daraufhin hatten mehrere Künstler ihre Musik bei der Plattform löschen lassen.

Quelle: ntv.de

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