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Der "Polizeiruf" im Schnellcheck Der Neue trägt Rock und Kajal

Der Neue (André Kaczmarczyk, l.) trägt Rock und Kajal - und es ist ihm egal, was andere darüber denken.

Der Neue (André Kaczmarczyk, l.) trägt Rock und Kajal - und es ist ihm egal, was andere darüber denken.

(Foto: rbb/Hans-Joachim Pfeiffer)

Mann, Frau, divers? Egal, zumindest für Vincent Ross. Der Neue am deutsch-polnischen Kommissariat ist der exakte Gegenentwurf zu seinem Kollegen, dem alten Hasen Raczek. Ob sich Gegensätze tatsächlich anziehen und wie gut das neue Ermittlerteam funktioniert, lesen Sie hier.

Was passiert?

Kriminalkommissaranwärter Vincent Ross (André Kaczmarczyk) ist noch nicht mal fertig eingerichtet und hat schon die erste Mordermittlung an der Backe. Das Opfer ist ausgerechnet sein Nachbar, der ihm am Vortag sogar noch dabei geholfen hatte, eine Matratze die Treppe hochzuwuchten. Für den Neuen am deutsch-polnischen Grenzkommissariat in Frankfurt/Oder sind das mehr Zufälle, als ihm lieb sind - für Kommissar Raczek (Lucas Gregorowicz) ist der Mord dagegen genau die richtige Ablenkung.

Privat ist der Ermittler nämlich ganz schön am Ende: Die Trennung von Frau und Kindern macht Raczek mehr zu schaffen, als er sich eingestehen will. Ohnehin ist ein unverstellter Blick auf sein Inneres seine große Stärke nicht. Stattdessen wirft er abwechselnd Speedpillen und Schlaftabletten ein, um überhaupt noch irgendwie klarzukommen. Dass das nicht ewig gut gehen kann, ist absehbar. Kommissar Ross dagegen sprüht nur so vor Energie und frischen Einfällen, und die sind bei dieser Mordermittlung auch bitter nötig.

Auch im Rollator furchteinflößend: Oma Hilde (Tatja Seibt).

Auch im Rollator furchteinflößend: Oma Hilde (Tatja Seibt).

(Foto: rbb/Rudolf Wernicke)

Die Spuren führen Raczek und Ross zur titelgebenden Matriarchin in "Hildes Erbe" - und ihrer ziemlich dysfunktionalen Familie. Die Grutzkes lassen tief blicken, sie sind ein wahres Kaleidoskop an psychischen Problemen und menschlichen Abgründen. Gut, dass Kommissar Ross ein abgebrochenes Psychologiestudium hat - und eine dermaßen erstaunliche Empathie, dass man meinen könnte, er schaue anderen direkt in die Seele.

Worum geht es wirklich?

Natürlich um die Einführung des neuen Kommissars. Und damit gleichzeitig um nicht weniger als die (ziemlich erfolgreiche) Suche nach neuen Rollenvorbildern. Der Neue trägt Rock und Kajal - und es ist ihm egal, was andere davon halten. Breitbeinige Männlichkeit (in Form von Raczek) trifft hier auf genderfluides Selbstbewusstsein und auch sonst spielt Diversität im neuen "Polizeiruf" eine große Rolle. Das klingt abgehoben und ehrlicherweise auch ein bisschen anstrengend, ist allerdings durch die Leichtigkeit der Erzählung und den subtilen schwarzen Humor das genaue Gegenteil.

Wegzapp-Moment?

Lange überlegt, keinen gefunden.

Wow-Faktor?

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Davon gibt es einige und die meisten haben mit der charmant dargestellten Selbstentzauberung des Möchtegern-Machos Raczek zu tun. Ein Beispiel: Die Szene, in der Oma Hilde mit ihrem Rollator auf Amokfahrt geht und dabei das Motorrad des Ermittlers umfährt. "Das ist ein Erbstück von meinem Vater", schluchzt Raczek der alten Frau verzweifelt hinterher, als hätte er gerade einen Angehörigen verloren.

Wie ist es?

9,5 von 10 Punkten. "Hildes Erbe" ist der fast perfekte Neustart des Brandenburger "Polizeirufs". Neben der brillanten Besetzung und dem intelligent erzählten Plot haben es Drehbuchschreiberin Anika Wangard und Regisseur Eoin Moore geschafft, die Gender-Diskussion aus dem Elfenbeinturm des Feuilletons mitten ins Leben hinein zu katapultieren - ohne die Verbissenheit, mit der viele andere Formate die Thematik momentan behandeln. Klasse!

Quelle: ntv.de

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