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Doku-Serie über Jérôme BoatengDieser Fehler "wird mich den Rest meines Lebens begleiten"

20.11.2025, 15:22 Uhr IMG-9942Nicole Ankelmann
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Täter oder tragische Figur? Bei Jérôme Boateng gehen die Meinungen auseinander. (Foto: IMAGO/kolbert-press)

Eine dreiteilige ARD-Dokumentation beschäftigt sich mit dem Aufstieg, der Karriere und dem angeblichen Absturz von Fußballprofi Jérôme Boateng. Zum ersten Mal spricht er selbst über den Tod von Kasia Lenhardt. Alles in allem aber kommt er dabei ziemlich gut weg.

Es soll eine Dokumentation über einen der talentiertesten Fußballer Deutschlands sein. Über einen, der sich trotz aller Widerstände an der Seite seines Bruders aus dem Berliner Wedding hochgekämpft und alles erreicht hat. Überschattet wird das sportliche Schaffen von Jérôme Boateng seit einigen Jahren allerdings von vielen negativen Schlagzeilen.

"Being Jérôme Boateng" erscheint in einer ARD-Doku-Reihe, die sich in der Vergangenheit schon Michael Schumacher, Franziska van Almsick und Jan Ullrich widmete. Natürlich ist ein Film über einen besonderen Fußballer an der Stelle ein logischer Schritt. Seine Karriere ist beispiellos. Sein sogenannter Absturz ebenso. Der wird jeder Folge als Teaser vorangestellt, was den Eindruck erweckt, dass es sich dabei um das Kernthema des Ganzen handelt. Doch sehr lange geht es erst einmal um Jérôme Boatengs Jugend, seinen Aufstieg, den unsäglichen Rassismus gegen seine Person sowie seine wichtigsten Spiele und Karrierestationen.

Von Lukas Podolski bis Cathy Hummels

Es kommen neben seinem Vater Weggebleiter wie Lukas Podolski, Horst Hrubesch, Thomas Helmer, Cacau, Ex-HSV-Vorstand Katja Kraus und - Achtung - Cathy Hummels zu Wort. Spannender ist wohl nur noch, wer nichts gesagt hat. Das sind zum Beispiel Boatengs Mutter sowie sein Bruder Kevin-Prince Boateng. Sie hatten sich zuletzt in Bezug auf sein fragwürdiges Verhalten gegenüber Frauen auch schon mal kritisch geäußert.

Sein turbulentes Liebesleben sowie seine Kinder werden zwischendurch auch immer mal thematisiert, aber dann eher im Zusammenhang mit seinem anspruchsvollen Job. So kommt sogar seine kurze Affäre mit Gina-Lisa Lohfink vor, zu deren Zeitpunkt er offiziell in einer Beziehung mit Sherin Senler, der Mutter seiner Zwillinge, war. Mit ihr stritt er nach elf Jahren Beziehung immer wieder um das Sorgerecht für die Töchter.

2024 wurde Boateng sogar wegen "vorsätzlicher Körperverletzung" an Senler verurteilt, übernahm teilweise die Verantwortung vor Gericht. Die Beziehung sei "toxisch" gewesen, so Boateng. Daraus sei in einem Urlaub 2018 eine "Art Rangelei" entstanden, und die endete mit einem Schlag seinerseits in ihr Gesicht. Er sei aber kein "notorischer Frauenschläger", befand die Richterin damals. Sie hatte Zweifel an den Aussagen von Senler, da das Sorgerechtsverfahren um die Zwillinge noch lief. Boateng erhielt eine Verwarnung und eine unter Vorbehalt zu zahlende Geldstrafe von 200.000 Euro. Als vorbestraft gilt er damit also nicht, schon aber als "schuldig im Sinne der Anklage".

Reden über Lenhardt falle ihm "sehr schwer"

Erst in den letzten zwanzig Minuten kommt dann das, auf das sicherlich viele, die einschalten, warten. Es geht um Kasia Lenhardt, die sich am 9. Februar 2021 im Alter von 25 Jahren das Leben nahm. Am sechsten Geburtstag ihres Sohnes. Es ist das erste Mal, dass sich Jérôme Boateng dazu öffentlich äußert, und das sei "sehr schwer" für ihn.

Mit der ehemaligen "Germany's next Topmodel"-Kandidatin und Influencerin war Boateng von 2019 bis Anfang 2021 liiert. Berichten zufolge soll sie seinerzeit dazu genötigt worden sein, eine Verschwiegenheitserklärung (Non-Disclosure-Agreement: NDA) zu unterzeichnen. Demnach durfte sie nicht öffentlich über ihre Beziehung mit Boateng sprechen. Das bestreitet er jetzt und behauptet, die NDA habe es nur auf ihren Wunsch hin gegeben. Widersprechen kann sie dem nicht mehr.

"Was mir wichtig ist zu sagen, ist, dass ich Kasia sehr geliebt habe. Wir waren sehr glücklich und es hat sich leider nicht so entwickelt, wie wir uns beide das vorgestellt haben", erklärt er weiter. Und er trauere noch immer um sie. Das möchte man ihm glauben, aber kann man das?

Einen Fehler räumt Boateng dann aber doch ein: das Interview, das er der "Bild"-Zeitung eine Woche vor Lenhardts Suizid gab und in dem er schwere Vorwürfe gegen sie erhob. Unter anderem habe sie die Beziehung "erpresst" und er sei sie nur aus Angst eingegangen, behauptete er dort. Danach wurde Lenhardt von einer Welle des Hasses geradezu überrollt, erhielt sogar Morddrohungen. "Was deutlich und klar für mich ist, ist, dass ich die Situation im Nachhinein falsch eingeschätzt habe und damit einfach besser hätte umgehen müssen, anders. Das wird mich den Rest meines Lebens begleiten, diesen Fehler gemacht zu haben", sagt er jetzt.

Kritischer Umgang angerissen

Diese Läuterung widerspricht allerdings seinem tatsächlichen Umgang mit der Situation, was die Doku immerhin in Teilen erwähnt. So behauptete Boateng bei X nach Einstellung der Ermittlungen, bei denen es um Körperverletzung, Nötigung und Verleumdung zu Lasten Kasia Lenhardts ging, der Richter habe seine Unschuld bestätigt. In Wirklichkeit wurde nach dem Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" entschieden - auch, weil die Geschädigte und einzige Zeugin, Kasia Lenhardt, eben nicht mehr lebt.

Kurz nach dem Ende des Lenhardt-Prozesses tauchte dann in den sozialen Medien ein Foto auf, das ihn ausgerechnet mit Rammstein-Frontmann Till Lindemann zeigte. Einem Mann, der aufgrund seines Umgangs mit weiblichen Fans auch durchaus als umstritten bezeichnet werden darf. Für die einen war es nur ein Schnappschuss, die anderen empfanden es als Verhöhnung mutmaßlicher Opfer häuslicher und sexualisierter Gewalt, wie in den Social-Media-Kommentarspalten deutlich wurde. Was wollten die beiden mit diesem Post wirklich zum Ausdruck bringen? Diese Frage stellt die Doku, beantwortet sie aber nicht.

Erstmal keine Karriere bei den Bayern

Am Ende sind die 3 x 40 Minuten ein guter Beleg dafür, dass die sogenannte "Cancel Culture" vor allem ein Kampfbegriff ist, der von gewissen Akteuren immer dann hervorgeholt wird, wenn sich jemand ungebührlich verhält und die Konsequenzen dafür tragen soll. Wirklich existent ist sie in den meisten Fällen nicht. Die einen spielen ausverkaufte Konzerte in großen Arenen, die anderen machen weiter Politik, wieder andere dürfen nach wie vor im TV Dinge sagen, "die man heute ja gar nicht mehr sagen darf". Und Jérôme Boateng wird eben in einer nur eingeschränkt kritischen Doku als Held und Opfer der Umstände abgefeiert.

Dass Jérôme Boateng nicht für eine Hospitanz zu Bayern München zurückkehrt, ist weniger dem Verein und seinen Bossen zu verdanken als den Fans. Eigentlich war seine Anstellung bereits in trockenen Tüchern, doch als sich massiver Widerstand inklusive riesiger Protestplakate im Stadion regte, ruderte man zurück. Wie es mit Boateng nun weitergeht- der eigener Aussage nach eine Karriere als Trainer anstrebt - ist also erstmal wieder offen. Das schlechteste Bewerbungsvideo ist diese Doku aber wohl nicht.

"Being Jérôme Boateng" läuft am 21. November um 23:55 Uhr (Teil 1) in der ARD und ist auch in der ARD Mediathek abrufbar .

Quelle: ntv.de

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