
In München beantwortete Olaf Scholz nach seiner Rede auf dem Podium Fragen der CNN-Journalistin Christiane Amanpour.
(Foto: dpa)
Putins Revisionismus wird nicht siegen, sagt Bundeskanzler Scholz auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Fragen nach Kampfjets für die Ukraine beantwortet er nicht. Er hofft, dass die Panzer bei Putin einen Lerneffekt auslösen.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat seinen Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz dazu genutzt, seine Ukraine-Politik ein weiteres Mal zu erklären. Er zeigte dabei Verständnis für die Kritiker von Waffenlieferungen, machte aber deutlich, dass Deutschland und der Westen insgesamt die Ukraine "so umfangreich und so lange wie nötig" unterstützen werden.
Scholz sprach unmittelbar nach dem Auftritt des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und vor dem französischen Staatschef Emmanuel Macron. Auffällig war, dass der Kanzler sich zwar Selenskyjs Rede anhörte, aber den Saal verließ, als Macron auf die Bühne kam. Umgekehrt hatte zuvor auch Macron sich Scholz' Auftritt nicht angesehen.
Anders als Selenskyj wollte Scholz sich nicht darauf festlegen, dass der Krieg in diesem Jahr zu Ende gehe. In einem kurzen Gespräch mit der britischen Journalistin Christiane Amanpour nach seiner Rede fragte diese ihn, ob er Selenskyjs Erwartung teile. Scholz antwortete ausweichend. Umso deutlicher sprach er über die russischen Kriegsziele: "Es ist immer noch der imperialistische Ansatz Russlands, die gesamte Ukraine oder große Teile davon zu erobern."
"Putins Revisionismus wird nicht siegen"
Auf Nachfrage, wann er denn nun mit einem Ende des Kriegs rechne, sagte Scholz, es sei klug, auf einen langen Krieg vorbereitet zu sein, und es sei klug, Putin die Botschaft zu senden, "dass wir bereit sind, die Ukraine auf Dauer zu unterstützen". Der Bundeskanzler zeigte sich überzeugt, dass die westlichen Verbündeten weiter zusammenstehen würden. In Deutschland gebe es bei aller Kritik eine breite Unterstützung der Ukraine-Politik seiner Regierung. Macron betonte später, im Moment sei "nicht die Zeit für Dialog", weil Russland den Krieg gewählt habe. "Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen, der russische Angriff muss scheitern", sagte Macron.
Auch Scholz sagte in seiner Rede, dass "Putins Revisionismus" - also der russische Versuch, die europäischen Grenzen neu zu ziehen - nicht siegen werde. Im Gegenteil: Die Ukraine sei geeinter denn je, die Europäische Union stehe geschlossen zusammen und die NATO wachse.
Es seien nicht die Waffenlieferungen des Westens, die den Krieg verlängern, betonte Scholz. Das Gegenteil sei richtig: "Je früher Putin einsieht, dass er sein imperialistisches Ziel nicht erreicht, desto größer ist die Chance auf ein baldiges Kriegsende." Zugleich würden "wir" - gemeint war hier wohl die Bundesregierung, vor allem er selbst - die Balance zwischen bestmöglicher Unterstützung der Ukraine und der Vermeidung einer ungewollten Eskalation halten. Er sei froh, so Scholz, dass US-Präsident Joe Biden "und viele andere Verbündete das genauso sehen wie ich".
Die Sache mit dem Frosch
Scholz vertrat damit unausgesprochen die von den USA geteilte Strategie des langsamen Hochfahrens der militärischen Unterstützung für die Ukraine. Damit soll "der Frosch gekocht" werden, wie es in den USA heißt - aber so langsam, dass eine Eskalation vermieden wird. Das Bild ist zwar etwas schief: Das langsame Kochen des Frosches soll verhindern, dass dieser aus dem Topf springt; mit Blick auf Putin soll vermieden werden, dass er sich komplett in die Ecke gedrängt fühlt und nuklear reagiert. Für Scholz hat diese Strategie den Vorteil, dass auch der Öffentlichkeit die Möglichkeit gegeben wird, sich langsam an eine immer umfangreichere Unterstützung zu gewöhnen.
Mit diesem Vorgehen verbunden ist allerdings fast zwangsläufig die Kritik, der Westen handele zu zögerlich. Auf sich selbst und Deutschland bezogen, wies Scholz das zurück. Bei allem Handlungsdruck gelte: "Sorgfalt vor Schnellschuss, Zusammenhalt vor Solovorstellung."
"No, no, no, no, no - yes"
Auch Christiane Amanpour griff diesen Vorwurf auf. Scholz habe in der Debatte um Panzerlieferungen immer wieder nein und am Ende doch ja gesagt. Es sei ein "no, no, no, no, no - yes", gewesen. Werde er auch bei den Flugzeugen "no, no, no, no, no, yes" sagen?
Scholz Antwort ließ alles offen: Die Frage nach Flugzeugen sei "nicht auf dem Tisch, nicht auf der Agenda, es gibt keinen Grund, sie zu diskutieren", sagte der Kanzler erkennbar genervt. Man habe derzeit genug damit zu tun, dafür zu sorgen, dass die beschlossenen Hilfen auch tatsächlich geliefert würden. Ende Januar hatte Scholz eine Frage nach Kampfflugzeugen noch gleichgestellt mit der nie erhobenen Forderung nach westlichen Bodentruppen.
Das Gespräch mit Amanpour lief auf Englisch. Als sie ihn fragte, warum er jetzt Schwierigkeiten habe, genug Leoparden unter den Verbündeten einzusammeln, rutschte Scholz kurz ins Deutsche: "Tja." Diese Frage müsse anderen gestellt werden. In seiner Rede hatte er nur indirekt darauf hingewiesen, dass es nicht an Deutschland liege, dass nicht so viele Leopard-Kampfpanzer für die Ukraine zusammenkommen wie ursprünglich erwartet: Er selbst, Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius und Außenministerin Annalena Baerbock würden in München intensiv dafür werben, "dass alle, die solche Kampfpanzer liefern können, dies nun auch wirklich tun". Deutschland könne die Ausbildung ukrainischer Soldaten übernehmen oder bei Nachschub und Logistik unterstützen. Das sei ein Beispiel von "Leadership", die jeder von Deutschland erwarten könne, "und die ich unseren Freunden und Partnern ausdrücklich anbiete".
Die Lieferung der Leopard-Panzer werde "einen konkreten militärischen Effekt" haben, sagte Scholz im Gespräch mit Amanpour, aber der wichtigere Effekt sei, dass Putin lerne, dass er sich verkalkuliert habe. Der russische Präsident setze darauf, dass er nur lange genug durchhalten müsse, damit der Westen seine Unterstützung beende. "Das wird nicht passieren", so Scholz. Mit Blick auf die Versorgung der Ukraine mit Munition sagte er, die Produktion von Munition für Panzer sowjetischer Bauart könne wieder aufgelegt werden, wobei er offenbar osteuropäische Staaten als Standorte für die nötigen Anlagen meinte. "Wir tun unser Bestes, dass eine dauerhafte Versorgung mit Munition machbar ist."
Quelle: ntv.de