Wieduwilts Woche Wie Christine Lambrecht mit brennenden Haaren


Bislang dominierte bei der CDU ein kräftiges Orange. Jetzt ist sie schwarz, schwarz, schwarz. Und türkis.
(Foto: IMAGO/Pond5 Images)
Die CDU verlegt die Hauptstadt nach Georgien und die Zukunft ins Jahr 1949. Weiß die Partei, wo sie hinwill oder wird sie aus einer speckigen Umlaufmappe heraus regiert?
Jede Woche nehme ich mir vor, endlich wieder über die SPD oder die Grünen oder die FDP zu schreiben. In meiner Apple Notizen-App stapeln sich Links, Formulierungen und Pointen zu den drei Ampelparteien, weil ich ja weiß, als deutscher Kolumnist im Jahr 2023 steht man schon nach zwei Texten zu Rechtsextremismus unter dem Verdacht, ein linksgrünversiffter Systemling zu sein.
Seien wir ehrlich: Ich kann es mir doch gar nicht leisten, jeden Rechtsextremen als Leser zu verlieren! Denn das wäre dann immerhin jeder zwölfte Deutsche, wie ich der aktuellen "Mitte-Studie" entnehmen darf.
Und eigentlich bot die SPD eine offene Flanke: Bundesinnenministerin Nancy Faeser eierte herrlich ungeschickt durch die Affäre Schönbohm, sie schwindelte sogar, um den Bundestag zu schwänzen, sie entschuldigte sich zu spät, ihr Umgang mit dem eigenen Spitzenbeamten wirft die Frage auf, warum überhaupt noch jemand ins Höllenloch Öffentlicher Dienst hinabklettern soll, der noch alle Tassen im Schrank hat.
Verkopft-vergurktes Farbschema
Ich wollte also den Regierungsparteien einschenken, wirklich. Aber dann kam der Relaunch der CDU. Und der sah aus wie Christine Lambrecht an Silvester, aber mit brennenden Haaren, auf einem Einrad.
Marketingkampagnen verlaufen sich immer dann in den Wald der Peinlichkeiten, wenn sie nicht eine tatsächliche Haltung spiegeln. Es geht schief, wenn eine Organisation dringlich versucht, etwas anderes zu sein (modern) als sie ist (abgehängt) und sich zugleich nicht um Kommunikation in der medialisierten Welt scheren will. Dann brieft man eine Agentur, irgendwas Schönes zu zaubern, lässt das Ganze den Praktikanten sichten und kommt dann halbwegs pünktlich zur Präsentation, bitte Sprechzettel vorbereiten, danke.
So lief das dann wohl bei der CDU. Man dachte sich ein gnadenlos verkopft-vergurktes Farbschema aus, irgendwie sollte "Cadenabbia" und "Rhöndorf" an Konrad Adenauer anknüpfen (Italienurlaub, Wohnort), Kanzler von 1949 bis 1963, und zugleich aber den Weg in die Zukunft weisen. Hm.
Schwarz, schwarz, schwarz
Es lief nicht so gut. Cadenabbia ist nämlich das, was wir hier im Fußvolk als "Türkis" bezeichnen und die Farbe hatte einst Sebastian Kurz verwendet, woran dieser auch gleich süffisant erinnerte. Die Älteren erinnern sich, Kurz war einmal Österreichs Jungstar, Kanzler, Parteichef und Posterboy für alle Konservativen. So ist das manchmal mit Rebrandings, ist man zu langsam, setzt man auf fallende Kurse - oder einen gefallenen Kurz.
Dann musste noch hektisch Angela Merkel ins Video geschnitten werden, die hatte man in einer früheren der Version des Videos nicht berücksichtigt. Die Älteren erinnern sich wiederum: Die Frau war schlappe 16 Jahre Kanzlerin mit passablen Zustimmungswerten, aber in den Augen der rechtslastigen CDU, also der CDU, ist sie die Totengräberin der Partei. Die Merkel-Ära ist in dieser Lesart ein politisches Dauerverbrechen, das man nun "aufarbeiten" müsse.
Aber wenn schon ihr Gesicht in den Film muss, schrubbt die Partei wenigstens Merkels gottverdammtes Orange weg, weg, weg: Die CDU ist wieder schwarz, schwarz, schwarz. Es drängt sich der Gedanke auf, dass die CDU gar nicht nach vorn will - sondern nur möglichst weit weg von der früheren Vorsitzenden. Adenauer insofern zumindest zeitlich: konsequent.
"Aufbruch, Erneuerung, Modernität"?
Dann war da natürlich die Sache mit dem Präsidentenpalast in Tiflis: Den hatte die Agentur als Reichstag in den Film montiert und es war niemandem aufgefallen. Kuppel ist Kuppel! Das ist freilich ein Mehrebenen-Joke, hatte doch Friedrich Merz in Gillamoos erst die deutsche Demarkation um Kreuzberg herumgezirkelt: Gillamoos, also der Name eines Volksfestes, sei Deutschland, nicht der schmuddelige Teilbezirk in Berlin, sagte er damals. Nun heißt es also: Nicht Berlin ist Deutschland, Tiflis ist Deutschland, meine Damen und Herren! Merkel hatte zwar den CDU-Funktionären einst vor laufender Kamera "antideutsch" die Deutschlandflaggen aus der Hand gerissen, aber wenigstens nicht auch die Hauptstadt.
Nach "Aufbruch, Erneuerung, Modernität" sieht nichts davon aus, nach "altbacken, out-of-touch und unprofessionell" alles. Man fragt sich, ob das nicht eher eine erfolgreiche Fortführung der Marke CDU ist. Es erinnert an das PDF, mit dem die stolze Volkspartei einem Youtuber mit cadenabbiafarbenen Haaren Paroli bieten wollte. Findet die CDU niemanden mehr, der sich mit diesen Dingen auskennt? Wird die Partei aus einer speckigen Umlaufmappe heraus regiert?
Die Verpackung ist also ordentlich zerdellt, aber auch der Paketinhalt zeigt neue Risse, ausgerechnet jetzt. Der neue Vordenker der CDU, der Historiker Andreas Rödder, äußert sich ungefähr zeitgleich im "Stern" zum Umgang mit der AfD. Minderheitenregierungen mit wechselnden Mehrheiten seien in Ordnung, sagt Rödder da.
Streit mit dem Vordenker
Das ist die neue Sachlichkeit, die seit der Steuer-Abstimmung in Thüringen die öffentliche Kommunikation der CDU prägt. Das klingt pragmatisch, führt aber angesichts der antimerkelschen Ausrichtung der Partei durchaus zu einem Zwinkern zu den Rechtsextremen - zumal dann, wenn die Ampelparteien als Partner ausfallen. Der CDU-General Carsten Linnemann korrigierte den Vordenker denn auch gleich: "Wir schätzen die Arbeit, die Herr Prof. Rödder in unserer Programm- und Grundsatzkommission leistet. Aber wir teilen in diesem Punkt seine Auffassung nicht", sagte er dem "Stern".
Der Kompass der CDU scheint in einem Magnetsturm gefangen zu sein, geografisch wie inhaltlich. Einige Landesverbände wollten denn angeblich auch heute noch am alten Logo festhalten, der in Nordrhein-Westfalen etwa, wo ein gewisser Hendrik Wüst auf seinen Tag wartet und bis dahin arglos Kinderwägen durch die Kamera schiebt. Friedrich Merz soll das zu einem wahren Boss-Move motiviert haben: Dann werde er dort nicht mehr auftreten, soll er nach Informationen von "The Pioneer" gesagt haben.
Vielleicht besteht ja wenigstens insoweit eine Insel der Einigkeit in der uneinigen CDU.
Quelle: ntv.de