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BSI-Affäre im Bundestag Faeser lässt alle Vorwürfe komplett an sich abperlen

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Nancy Faeser auf dem Weg zum Ausschuss. Danach stand noch eine Fragerunde im Bundestag an.

Nancy Faeser auf dem Weg zum Ausschuss. Danach stand noch eine Fragerunde im Bundestag an.

(Foto: dpa)

Hat Bundesinnenministerin Faeser sich treiben lassen, als sie BSI-Chef Schönbohm rauswarf? Basierte der Rauswurf gar auf falschen Anschuldigungen? Die Union fordert, dass Faeser sich entschuldigt. Die streitet ab, einen Fehler gemacht zu haben.

Nach mehreren Absagen, die den Unmut der Union noch angefacht haben, hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser sich an diesem Mittwoch gleich zweimal im Bundestag für die sogenannte BSI-Affäre rechtfertigen müssen: am Vormittag drei Stunden in einer nicht öffentlichen Sitzung des Innenausschusses, danach in der Regierungsbefragung im Plenum des Parlaments.

In der Affäre geht es darum, ob die Abberufung des Präsidenten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik gerechtfertigt war. Behördenchef war damals Arne Schönbohm, der den Posten 2016 unter dem damaligen CDU-Innenminister Thomas de Maizière bekommen hatte. Pikant ist die Affäre auch, weil Faeser bei der Landtagswahl in Hessen am 8. Oktober als Spitzenkandidatin der SPD antritt. Das dürfte auch der Grund sein, warum sie es bislang vermied, sich im Innenausschuss zu dem Thema befragen zu lassen. Mittlerweile scheint sich bei der Ministerin allerdings die Einsicht durchgesetzt zu haben, dass diese Strategie ihr mehr schadet als nutzt.

Faeser reagiert genervt

Der CDU-Innenpolitiker Josef Oster startet die Regierungsbefragung offensiv: Im Innenausschuss seien nicht alle Fragen beantwortet worden - wann endlich werde sich die Ministerin "bei Herrn Schönbohm für die nicht begründeten Vorwürfe entschuldigen", will er wissen. Faeser reagiert genervt: Sie habe den Eindruck, in einem anderen Innenausschuss gewesen zu sein, denn sie habe "umfassend alle Fragen beantworten können und auch alle Vorwürfe ausgeräumt".

Die Entlassung begründet sie mit Zweifeln an der fachlichen Eignung des damaligen BSI-Präsidenten und ganz allgemein mit einem "Vertrauensverlust". Das habe sie ja auch in geheimer Sitzung erläutert. Denn die Sitzung des Innenausschusses fand nicht nur hinter verschlossenen Türen statt: Nach gut zweistündiger Debatte mussten die Teilnehmer ihre Mobiltelefone aus dem Saal bringen. Mutmaßlich ging es danach um das Agieren russischer Geheimdienste.

Mit Böhmermann fängt es an

Aus Sicht der Union fing der Fall mit einer Ausgabe der ZDF-Sendung "Magazin Royale" am 7. Oktober 2022 an. Moderator Jan Böhmermann sprach darin in offenkundiger Anspielung auf den damaligen BSI-Chef von einem "Sicherheitsrisiko mit Glatze" und nannte Schönbohm "ein bislang unbekanntes, riesengroßes, blubberndes Leck in der deutschen Kompetenzpipeline in Sachen IT". Kern der Vorwürfe: Schönbohm ist Gründungspräsident des Lobbyvereins "Cyber-Sicherheitsrat Deutschland"; sein Nachfolger als Präsident dieses Vereins hatte Kontakte zu russischen Geheimdiensten, die er auch öffentlich eingeräumt hat; ein Unternehmen, das bis zur Ausstrahlung der Sendung Mitglied im "Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V." war, ist Tochter einer russischen Firma, die von einem ehemaligen KGB-Agenten gegründet wurde. Unterm Strich sollte das heißen: Es gibt eine irgendwie geartete Verbindung von Schönbohm nach Russland.

Ob der Vorwurf Substanz hat, ist mehr als fraglich. Ein Disziplinarverfahren gegen Schönbohm wurde jedenfalls nie eröffnet, aus Sicht der Union wurde sein Ruf "grundlos beschädigt". Sicher ist indessen, dass es einen zumindest zeitlichen Zusammenhang zwischen der Sendung und Schönbohms Rauswurf gibt, denn am 18. Oktober stellte Faeser den Chef des BSI frei.

Diesen zeitlichen Zusammenhang hält die Union für verdächtig. In der Regierungsbefragung sagt der CDU-Abgeordnete Oster, Faeser habe im Ausschuss nicht erläutern können, warum dieser Vertrauensverlust so plötzlich "nach dieser zweifelhaften Fernsehsendung" entstanden sei. Ihre Antwort liest die sonst frei sprechende Innenministerin ab: Die Gründe für Schönbohms Abberufung hätten weiter zurückgelegen. "Bereits deutlich vor meinem Amtsantritt und unter verschiedenen Innenministern der Union gab es immer wieder Beanstandungen der Fachaufsicht, also meines Ministeriums, hinsichtlich der Amtsausübung durch Herrn Schönbohm. Zudem gab es gravierende fachliche Differenzen hinsichtlich der Fragen der Bewertung der Gefahr durch Cyberangriffe im Zuge des russischen Aggressionskrieges. Und genau dann gab es eine enorme Berichterstattung und deshalb habe ich Herrn Schönbohm das Vertrauen entzogen, wegen all dieser Gründe, Herr Oster."

"Infamer Vorwurf"

Einen anderen, schwerwiegenden Vorwurf, der zuvor im Innenausschuss diskutiert worden war, wiederholt Oster im Plenum nicht. Die Union hatte ursprünglich gemutmaßt, Faeser habe den Verfassungsschutz instrumentalisiert, um Schönbohm loszuwerden. Dazu war im Ausschuss auch Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang befragt worden. Öffentlich sagte der danach, es habe nur eine einzige Anfrage des Bundesinnenministeriums gegeben, ob zu Schönbohm Erkenntnisse vorlägen. Seine Behörde habe dies verneint, danach habe es in dieser Angelegenheit keine weiteren Anfragen des Innenministeriums gegeben, "weder ausdrücklich noch augenzwinkernd noch auf untersten Ebenen".

Dass sie vom Verfassungsschutz Informationen zu Schönbohm angefordert habe, hatte Faeser schon früher zurückgewiesen. Es seien "keine nachrichtendienstlichen Maßnahmen gegen Schönbohm eingesetzt worden, diese Behauptung ist völliger Unsinn", sagte sie Anfang September. Nach der Ausschusssitzung betonte die Ministerin, sie halte es für "unverantwortlich, dass dieser infame Vorwurf einer angeblichen Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes wider besseren Wissens weiterhin wiederholt wird".

Am Ende entscheidet Scholz

Neben Oster stellen im Bundestag auch Abgeordnete der AfD Fragen zur BSI-Affäre - allerdings nicht zum Fall selbst, sondern nur, wann Faeser zurücktrete und ob sie davon ausgehe, nach der Landtagswahl Ministerin bleiben zu können. Antworten darauf gibt es nicht, Faeser dankt lediglich mit ironischem Unterton "für die zugewandte und sachliche Frage".

*Datenschutz

Erledigt ist die BSI-Affäre mit der Ausschusssitzung und der Fragerunde nicht. Schönbohm, mittlerweile Chef der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung, hat sowohl das ZDF als auch das Bundesinnenministerium verklagt: Vom Ministerium verlangt er Schadenersatz. Klar ist am Ende des Tages, dass es den von der AfD geforderten Rücktritt nicht geben wird. Weniger klar ist, wie es nach der Wahl mit Faeser weitergeht. Umfragen deuten derzeit nicht auf einen Wahlsieg der SPD. Dass sie bei einer Wahlniederlage Innenministerin bleiben will, hat Faeser schon klargestellt. Ob der Plan aufgeht, wird allerdings weniger von der BSI-Affäre abhängen und mehr davon, wie Bundeskanzler Olaf Scholz auf das hessische Wahlergebnis reagiert.

Quelle: ntv.de

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