Tendenz spiegelt Wahlumfragen Studie: Jeder zwölfte Deutsche hat rechtsextremes Weltbild
21.09.2023, 08:20 Uhr Artikel anhören
Offen rechtsextrem sind wenige, doch das Weltbild teilen Menschen in Deutschland wieder zunehmend.
(Foto: picture alliance/dpa)
Nur wenige Menschen in Deutschland sind offen und gefestigt rechtsextrem. Das Weltbild aber teilen Menschen wieder zunehmend, zeigt eine Studie. Dies spiegelt sich auch in Wahlumfragen. Ein Trend, der für die auftraggebende Friedrich-Ebert-Stiftung besorgniserregend ist.
Rechtsextreme Einstellungen haben in der deutschen Bevölkerung laut einer aktuellen Studie seit 2021 stark zugenommen. Aktuell hat jeder zwölfte Erwachsene ein rechtsextremes Weltbild, wie eine Untersuchung von Forschern der Universität Bielefeld feststellt. Mit 8,3 Prozent ist der Anteil gegenüber dem Niveau der Vorjahre von knapp 2 bis 3 Prozent erheblich gestiegen.
Dabei kann man der Studie zufolge von einer rechtsextremen Einstellung nicht automatisch darauf schließen, wo sich jemand selbst politisch verortet. "Unter jenen, die sich klar als "links" positionieren, gibt es dabei mehr Menschen, die ein gefestigtes rechtsextremes Weltbild teilen (12 Prozent) als es in der politischen Mitte der Fall ist (7 Prozent)", halten die Forscher um Andreas Zick fest.
Zugenommen habe auch der Anteil der Befragten, der sich rechts der Mitte verortet, heißt es in der Studie mit dem Titel "Die distanzierte Mitte". Während sich demnach aktuell 15,5 Prozent der Bevölkerung selbst rechts der Mitte sehen, waren es bei der zurückliegenden Befragung lediglich knapp zehn Prozent.
"Völkische Positionen sind auf dem Vormarsch"
Die Studie zeige, "dass sich Teile der Mitte der Gesellschaft von der Demokratie distanzieren oder das Vertrauen in funktionierende Institutionen verloren haben", erklärte Martin Schulz, der Vorsitzende der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, die mit der "Mitte-Studie" alle zwei Jahre mit einer repräsentativen Befragung vor allem rechtsextreme Einstellungen untersuchen lässt. "Populismus und antidemokratische und völkische Positionen sind auf dem Vormarsch."
Überraschend ist das nicht, wenn man auf die Ergebnisse der Wählerumfragen der vergangenen Wochen schaut. Dort liegt die rechtspopulistische AfD bundesweit bei etwa 22 Prozent. Grundsätzlich spiegeln Wahlumfragen nur ein Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wider und sind keine Prognosen auf den Wahlausgang. Sie sind zudem immer mit Unsicherheiten behaftet.
Aus den Ergebnissen lasse sich ablesen, dass es der AfD offenbar gelinge, "besonders fremdenfeindliche Nichtwähler" für sich zu gewinnen, sagte die Mitautorin Beate Küpper. Gerade bei Wählern von CDU und CSU finde sich eine vergleichsweise niedrige Zustimmung zum Rechtsextremismus. In der öffentlichen Debatte stelle man oft fest, dass deren "demokratisches Grundverständnis unterschätzt wird", sagte die Sozialpsychologin.
Als zentrales Merkmal des Rechtsextremismus definieren die Autoren "eine Ideologie der Ungleichwertigkeit und Gewalt beziehungsweise die Billigung von Gewalt zur Durchsetzung der Ideologie". Im Vergleich zu den Vorjahren werde der Vorwurf der beschnittenen Meinungsfreiheit von deutlich mehr Befragten geteilt, heißt es in der Studie. "Gleiches gilt für die völkische Forderung, unterschiedliche Völker sollten sich nicht miteinander vermischen".
"Erschreckende" Ergebnisse
Die 2027 Teilnehmer einer Telefonumfrage durch das UADS Institut in Duisburg im Zeitraum vom 2. Januar bis 28. Februar dieses Jahres waren aufgefordert worden, sich zu bestimmten Aussagen zu positionieren, etwa ob sie eine Diktatur befürworten würden. Von der Gesamtstichprobe ausgehend liegt die Fehlergrenze nach Angaben der Autoren bei +/- 2,2 Prozent.
Der Aussage "Die regierenden Parteien betrügen das Volk" stimmten den Angaben zufolge 30 Prozent der Befragten zu - fast doppelt so viele wie zwei Jahre zuvor. Mehr als verdoppelt hat sich demnach der Anteil derjenigen, die politische Gewalt billigen. Laut Studie liegt er aktuell bei 13,2 Prozent. Vor zwei Jahren vertraten 5,3 Prozent der Befragten diese Auffassung.
Die Grundorientierung zur Demokratie generell sei zwar noch relativ hoch, habe aber auch abgenommen, sagte Zick. Während aktuell 87 Prozent der Befragten dem Grundsatz "In einer Demokratie sollte die Würde und Gleichheit aller an erster Stelle stehen" zustimmten, seien es in der Studie zu den Jahren 2018/2019 noch 93 Prozent gewesen.
"Diese Ergebnisse sind nicht nur erschreckend, sondern gebieten konsequentes Handeln - von der Politik, aber auch aus der Gesellschaft selbst", erklärte Schulz. Die Menschen verlangten zu Recht nach einem starken, handlungsfähigen und funktionierenden Staat. Aber auch die demokratische Mitte selbst sei gefordert, sich klar von menschenfeindlichen Einstellungen zu distanzieren.
Quelle: ntv.de, ara/dpa/AFP