
Bundeswehr-Tornados werden sich bald auf den Weg nach Syrien machen. Dieser hier setzt gerade zur Landung an.
(Foto: dpa)
In Syrien soll die Bundeswehr nicht gegen den IS kämpfen, sondern für die brüchige deutsch-französische Freundschaft und den noch brüchigeren europäischen Zusammenhalt. Als Begründung für den Einsatz reicht das nicht aus.
Zehn Tage nach den furchtbaren Anschlägen auf das World Trade Center im September 2001 hielt der damalige US-Präsident George W. Bush eine Rede vor dem Kongress in Washington. "Unser Krieg gegen den Terror fängt mit Al-Kaida an, aber er hört nicht damit auf. Er wird nicht aufhören, bevor jede weltweit agierende Terrorgruppe gefunden, gestoppt und besiegt ist."
Vom "Krieg gegen den Terror" spricht heute kaum noch jemand, aber aufgehört hat er tatsächlich nicht. Frankreichs Präsident François Hollande reagierte nach den Anschlägen von Paris ganz ähnlich. Das war nachvollziehbar, genau wie Bushs Vorgehen 2001: Auch für Frankreich waren die Angriffe traumatisch, für beide Präsidenten war es keine Option, nicht zu reagieren. Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der "Krieg gegen den Terror" gescheitert ist. Deutschlands nun beschlossene Beteiligung am Krieg in Syrien ist daher falsch.
Für Bundeskanzlerin Angela Merkel ist die Entsendung von Tornados und einer Fregatte die Abkehr von ihrer bisherigen Politik der militärischen Zurückhaltung. Die Tornados sollen nicht kämpfen, sondern nur erkunden. Aber ihre Entsendung ist Merkels erster "eigener" Krieg – den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan hatte ihr Vorgänger beschlossen. Aus dem Libyen-Krieg vor vier Jahren hielt Merkel Deutschland raus.
Mit dem sogenannten Islamischen Staat hat Merkels aktuelle Kehrtwende allenfalls am Rande zu tun, mehr mit dem deutsch-französischen Verhältnis. Das ist angeschlagen – im Streit um die griechische Schuldenpolitik hat es nicht funktioniert, noch weniger in der Flüchtlingskrise. Die Kanzlerin ist offensichtlich der Überzeugung, dass militärische Zurückhaltung das Verhältnis zu Frankreich nachhaltig beschädigen würde. Dieses Risiko will Merkel nicht eingehen, zumal die EU insgesamt, wieder einmal, in einer Identitätskrise steckt: Aus Feigheit oder Nationalismus erklären die meisten ihrer Mitglieder die Flüchtlingskrise zu einem deutschen Problem. Kurzum: Die Bundesregierung zeigt sich solidarisch, weil fast alle anderen EU-Staaten, darunter Frankreich, es nicht sind.
Mehr Feinde als man Terroristen tötet
Als Begründung für einen Kriegseinsatz reicht das nicht – vor allem deshalb nicht, weil weder Frankreich noch die USA bislang eine überzeugende Strategie für ihren Kampf gegen den IS präsentiert haben. Die Theorie des Kriegs gegen den Terror besagt, dass so viele Terroristen getötet werden, bis es keinen Terrorismus mehr gibt. Aber das funktioniert nicht. "Mit dieser Strategie schafft man sich mehr neue Feinde, als man Terroristen tötet", sagt der Journalist Jeremy Scahill, der den amerikanischen Anti-Terror-Krieg vor Ort beobachtet hat, in Afghanistan, im Irak, in Somalia und im Jemen. Jedes dieser Länder ist ein Beleg, dass der Krieg gegen den Terror nicht funktioniert. Auch der syrische Bürgerkrieg und das IS-Kalifat sind eine Folge dieses Krieges.
Die Paradoxie ist, dass der Krieg gegen den Terror zur Strategie der Terroristen gehört: Je mehr "Kollateralschäden", also zivile Opfer, es im Kampf gegen den IS in Syrien und im Irak gibt, desto besser für die Terroristen. Jedes von amerikanischen, französischen oder auch russischen Bomben getötete Kind ist ein Beleg für die These der militanten Islamisten, der Rest der Welt führe einen "Kreuzzug" gegen Muslime. Das macht eine wirkungsvolle, überzeugende Strategie im Kampf gegen den IS so schwierig.
Mit dem Bundeswehreinsatz gegen den IS kauft Merkel sich Zeit. Die Tornados und die Fregatte verdecken, dass das zentrale europäische Problem ungelöst bleibt: Hat die EU den Willen und die Kraft, gemeinsam auf globale Herausforderungen zu reagieren? Grundsätzlich ist gegen gekaufte Zeit nichts einzuwenden. In diesem Fall jedoch ist der Preis zu hoch.
Quelle: ntv.de