Formel1

Verstappen spricht vom Aufhören Formel 1 setzt bei Sprint-Änderung auf hohes Risiko

In Baku feiert das neue Sprint-Format seine Premiere, der Straßenkurs bietet keinen Platz für Fehler - wie Max Verstappen bei seinem heftigen Abflug 2021 feststellen musste.

In Baku feiert das neue Sprint-Format seine Premiere, der Straßenkurs bietet keinen Platz für Fehler - wie Max Verstappen bei seinem heftigen Abflug 2021 feststellen musste.

(Foto: imago images/Motorsport Images)

Die Formel 1 will mehr. Die Zahl der Rennen wächst seit Jahren kontinuierlich, die Rekordzahl von 24 Grand-Prix-Wochenenden stand ursprünglich im Kalender für die laufende Saison, nach der ersatzlosen Absage des Großen Preises von China bleiben noch 23 Rennen übrig. Aber: Mehr Rennen allein, das reicht offensichtlich noch nicht.

Vor zwei Jahren hatte die Formel 1 außerdem samstägliche Sprintrennen eingeführt, zunächst drei pro Saison, 2023 steigt die Zahl auf sechs, der Sprint bietet zusätzlich zum Hauptrennen am Sonntag noch mehr Spektakel-Potenzial. Anscheinend aber noch immer nicht genug. Deshalb verändert die traditionsreiche Serie ihre Abläufe ein weiteres Mal grundlegend. Das sorgt jedoch nicht nur für Begeisterung - Weltmeister Max Verstappen zeigte sich als entschiedener Gegner und sprach sogar davon, "nicht mehr allzu lange dabei zu sein", wenn sich zu viel ändert.

Was war der Sprint noch gleich?

Ein rund 100 Kilometer langes, auf etwa 30 Minuten ausgelegtes kurzes Rennen am Samstagnachmittag. Beim Großen Preis von Großbritannien 2021 feierte das Format Premiere. Das Qualifying rückte dafür auf den Freitag, freie Trainings gab es nur zwei statt der üblichen drei. Valtteri Bottas im Mercedes wurde zum ersten Sieger, es folgten weitere Austragungen in Monza/Italien und São Paulo/Brasilien, 2022 dann in Imola/Emilia Romagna, Spielberg/Österreich und erneut in São Paulo. In der Quali am Freitag wurde die Startaufstellung für den Sprint ermittelt, dessen Ergebnis war gleichbedeutend mit der Startreihenfolge für den Grand Prix am Sonntag.

Und wie lief das bisher?

Sehr gut, wenn als Maßstab gilt, dem Publikum mehr Rennaction zu bieten. Der sonst mit zwei freien Trainings eher uninteressante Freitag erfuhr durch das Qualifying eine Aufwertung, der Sprint bot schon am Samstag Rad-an-Rad-Kämpfe statt "nur" die Jagd nach der Bestzeit. Allerdings: Im freien Training am Samstagmorgen überwog zumeist die Vorsicht, weil sich natürlich niemand unmittelbar vor dem Sprint noch das Auto kaputtfahren wollte. Denn: Im Sprint ging es nicht nur um die Startplätze für das Hauptrennen am Sonntag, sondern auch um Punkte für die Weltmeisterschaft. Zuerst für die Top drei (3-2-1), dann für die Top acht (8-7-6-5-4-3-2-1). Zum Vergleich: Im Grand Prix verteilen sich die Punkte auf Top zehn (25-15-12-10-8-6-4-2-1) plus Zusatzpunkt für die schnellste Rennrunde.

Was ändert sich jetzt?

Der Samstag wird als komplett eigenständige Veranstaltung gewissermaßen aus dem Rennwochenende herausgelöst. Das Qualifying verbleibt zwar am Freitag, gilt aber nun ausschließlich für den Grand Prix am Sonntag. Der Sprint ist ab sofort unabhängig, bekommt eine eigene Quali - den "Shootout" - und das Sprint-Ergebnis hat keinerlei Auswirkungen mehr auf das Hauptrennen. Das haben die zehn Formel-1-Teams übereinstimmenden Berichten zufolge einstimmig beschlossen. In dieser Saison stehen Sprints in Baku/Aserbaidschan, Spielberg/Österreich, Spa-Francorchamps/Belgien, Doha/Katar, Austin/USA und São Paulo/Brasilien auf dem Plan.

Wie funktioniert dieser "Shootout"?

Ähnlich wie das gewohnte dreiteilige Quali-Format. Im ersten Abschnitt (Q1) sind alle 20 Piloten dabei, die langsamsten fünf scheiden aus. Macht 15 Anwärter in Q2, von denen sich wiederum die schnellsten Zehn für Q3 qualifizieren. Dort werden dann die vordersten Startreihen ermittelt. Diese Abfolge gilt auch im "Shootout" - allerdings ändern sich Dauer der drei Abschnitte und die Reifenregeln. In der Freitags-Quali gilt freie Reifenwahl, Q1 dauert 18 Minuten, Q2 15 Minuten und Q3 10 Minuten. Im "Shootout" dagegen dauern die Abschnitte nur 12, 10 und 8 Minuten und die Fahrer müssen jeweils neue Medium-Reifen (Q1 und Q2) beziehungsweise neue Soft-Reifen (Q3) aufziehen.

Was soll das bringen?

Mehr von allem. Mehr Spektakel, mehr Rad-an-Rad-Kämpfe, mehr Überholmanöver, mehr Aufregung, letztlich mehr öffentliche Aufmerksamkeit und damit mehr Einnahmen. Die Formel 1 boomt weltweit, regelmäßig werden Zuschauerrekorde vermeldet, zuletzt mit über 440.000 Besuchern beim Großen Preis von Australien in Melbourne. Diesen Hype will die Rennserie ausnutzen. Formel-1-Boss Stefano Domenicali, früher Michael Schumachers Teamchef in dessen glorreichen Ferrari-Jahren, verfolgt deshalb einen "aggressiven Ansatz", um noch mehr Fans anzulocken: "Es soll ein Training am Freitag geben und danach soll es bei jedem Mal, wenn wir auf die Strecke gehen, um etwas gehen. Es gibt dann immer Action."

Und sportlich?

Der Sprint war bislang gleich doppelt bedeutsam: Einerseits, weil WM-Punkte vergeben wurden, und anderseits, weil sein Ergebnis maßgeblich für den Startplatz im Hauptrennen war. Das führte dazu, dass Fahrer und Teams das Risiko eher scheuten - schließlich führte ein Unfall schlimmstenfalls dazu, am Sonntag ganz hinten auf dem Grid zu stehen. Exemplarisch dafür steht Pierre Gasly, der 2021 in Monza als Quali-Sechster im Sprint ausschied und deshalb den Grand Prix vom letzten Platz in Angriff nehmen musste. Im neuen Format würde er seinen sechsten Startplatz behalten und "nur" im Kampf um Sprint-Punkte leer ausgehen. Der Samstag mit Shootout und Sprint ist jetzt entkoppelt vom Rest, was die Risikofreude erhöhen soll.

Wo liegen die Risiken?

Mehr Racing bedeutet natürlich auch mehr Gelegenheiten für Abflüge in Kiesbetten und Streckenbegrenzungen, eine höhere Wahrscheinlichkeit von Unfällen und einen höheren Verschleiß, weil die Autos öfter und länger am Limit bewegt werden müssen als bisher. Die Budgetobergrenze verlangt von allen Teams kosteneffizientes Arbeiten, vor allem die großen Rennställe wie Red Bull, Mercedes und Ferrari bewegen sich stets am Limit des Kostendeckels. Jeder Unfall, jeder Schaden verursacht zusätzliche Ausgaben. Gelder, die dann potenziell an anderer Stelle fehlen. Eine nachträgliche Anhebung der Obergrenze, um diese Mehrkosten abzudecken, war bislang öffentlich kein Thema. Kurzfristig erhöht wurde dagegen das Motorenkontingent: Beim Verbrennungsmotor, bei den Elementen zur Energierückgewinnung und dem Turbolader dürfen über die gesamte Saison nun jeweils vier statt drei Komponenten eingesetzt werden.

Die durch die Entkopplung von Quali und Grand Prix womöglich erhöhte Risikobereitschaft im Sprint ist das eine -die Folgenlosigkeit eines schlechten Ergebnisses am Samstag das andere. Der US-Sender ESPN etwa spekuliert, dass Fahrer abseits der Punkteplatzierungen den Sprint frühzeitig abschenken könnten, um Verschleißteile zu schonen.

Was sagen denn die Fahrer und die Teams?

Weltmeister Max Verstappen ist wenig begeistert. "Selbst wenn man das Format ändert", hatte der Red-Bull-Pilot bereits vor den jüngsten Neuerungen bekräftigt, "gehören diese Sprintrennen nicht zu dem, was die Formel 1 ausmacht." Er sei "kein Fan davon", denn "in der Formel 1 geht es um ein gutes Qualifying und dann einen starken Sonntag mit einer langen Renndistanz". Den Wunsch nach mehr Action könne er zwar grundsätzlich verstehen, jedoch offenbar nicht mit diesen Maßnahmen. Verstappen deutete sogar an, deshalb möglicherweise "nicht mehr allzu lange dabei zu sein" - ob der 25-Jährige aber wirklich schon an Rücktritt denkt, bleibt abzuwarten.

Aston-Martin-Teamchef Mike Krack dagegen zeigte sich "nervös" mit Blick auf die Premiere des neuen Sprint-Formats an diesem Wochenende auf dem schnellen, aber engen Stadtkurs in Baku, der keine Fehler verzeiht, wie er laut "Autosport" sagte: "Weil man einfach nicht genug Zeit hat, um etwas zu reparieren, wenn man einen größeren Schaden hat." Auch McLarens Andrea Stella sprach von Nervosität, verdeutlichte das Dilemma, das die erhöhte Chance auf kostspielige Abflüge eröffnet - und drückte dennoch seinen Zuspruch aus, denn "wir unterstützen die Steigerung des Spektakels durch die Sprintrennen. Irgendwie müssen wir uns anpassen".

Der aktuell einzige deutsche Formel-1-Fahrer Nico Hülkenberg findet das neue Format dagegen "aus Zuschauersicht hochinteressant" - der Haas-Pilot tritt nach seiner Vollzeit-Rückkehr beim Großen Preis von Aserbaidschan erstmals in einem Sprint an. "Es ist viel weniger Trainingszeit, stattdessen gleich eine wichtige Session. Das erinnert mich an meine Nachwuchszeit, da mochte ich das." Teamkollege Kevin Magnussen erwartet etwas mehr Risikobereitschaft im Fahrerfeld, "denn die Strafe, von hinten zu starten zu müssen, wenn du [im Sprint] das Ziel nicht erreichst, gibt es nicht mehr." Das sei "gut für die Show". Und darum geht es bei der Regeländerung schließlich in erster Linie.

Wie läuft so ein Grand-Prix-Wochenende mit Sprint dann ab?

Nehmen wir den Großen Preis von Aserbaidschan an diesem Wochenende als Beispiel, dort feiert das neue Format schließlich seine Premiere. Die Zeiten, jeweils in mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ), im Überblick.

Freitag:
11.30-12.30 Uhr: Freies Training
15 Uhr: Qualifying für den Grand Prix am Sonntag
Samstag:
10.30 Uhr: "Shootout", die eigenständige Quali für das Sprintrennen
15.30 Uhr: Sprintrennen
Sonntag:
13 Uhr: Grand Prix von Aserbaidschan

Und ein Grand-Prix-Wochenende ohne Sprint?

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Dafür nehmen wir den darauffolgenden Großen Preis von Miami am ersten Wochenende (5./6./7.) im Mai, wiederum deutscher Zeit.

Freitag:
19.30-20.30 Uhr: Erstes freies Training
23-0 Uhr: Zweites freies Training
Samstag:
18.30-19.30 Uhr: Drittes freies Training
22 Uhr: Qualifying
Sonntag:
21.30 Uhr: Grand Prix von Miami

Quelle: ntv.de

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