
Dzeko trifft nicht mehr so häufig, aber diesmal ganz wichtig.
(Foto: AP)
Mit seinem Tor stößt Edin Dzeko die Tür zum Finale der Champions League ganz weit auf. Gegen AC Mailand trifft der alternde Inter-Stürmer ganz früh und sehenswert. Der frühere Wolfsburger Torschützenkönig trägt sich ein in eine historische Liste - und könnte im Endspiel einen neuen Rekord aufstellen.
Ein alternder Stürmerstar muss von der Tribüne aus zusehen, wie ein anderer alternder Stürmerstar groß auftrumpft: AC Mailand gegen Inter Mailand, es war nicht nur das Hinspiel im Halbfinale der Champions League, es war auch das sehr ungleich gewichtete Duell zweier Fußballer, deren Karriere langsam, aber sicher ausklingt. Das Duell von Zlatan Ibrahimović gegen Edin Dzeko - mit einem eindeutigen Sieger. Es war der Gast von Inter, denn dem AC gehört das Heimrecht.
Vor der Partie im an diesem Abend daher in Rot-Schwarz gewandeten Giuseppe-Meazza-Stadion war gar nicht klar, dass überhaupt einer von den beiden zum Matchwinner werden könnte. Der 41-jährige Ibrahimović laboriert an einer Wadenverletzung, ob er überhaupt noch einmal in dieser Saison mitmischen kann, ist unklar. Vielmehr ist es möglich, dass er sein letztes Spiel für AC bereits absolviert hat, sein Vertrag läuft im Sommer aus. Der Schwede musste auf der Tribüne Platz nehmen - und zusehen, wie sein Gegner Dzeko auftrumpfte.
Auch der Einsatz des Bosniers, der vor 14 Jahren mit dem VfL Wolfsburg und Felix Magath die deutsche Meisterschaft feiern konnte, war vor Bekanntgabe der Aufstellungen nicht klar. Mit 37 Jahren ist er kein Stammspieler mehr, auch sein Vertrag endet am 30. Juni. Ob es für ihn bei Inter weitergeht? "Das müssen Sie den Verein fragen", sagte er. Statt auf ihn setzt Trainer Simone Inzaghi meist auf den zuletzt so formstarken Romelu Lukaku. In den vergangenen vier Partien in der Liga spielte er dreimal über 90 Minuten, schoss dabei drei Tore und legte weitere drei auf. Doch an diesem heiß ersehnten Königsklassen-Abend gab Inzaghi dem ehemaligen Mittellandkanal-Anrainer den Vorzug.
Sehenswert zum frühen 1:0
Dieser hatte Anfang Mai zwar gegen Hellas Verona über 90 Minuten in der Liga rangedurft und dabei gleich doppelt getroffen, sonst aber wird er meist nur noch für wenige Minuten eingewechselt, sein letzter Treffer vor dem Doppelpack datierte vom 4. Januar, als er das entscheidende Tor beim Sieg gegen den schon feststehenden neuen italienischen Meister SSC Neapel geschossen hatte.
Doch das Vertrauen in den Altstar sollte sich früh auszahlen: Schon nach acht Minuten versenkte Dzeko den Ball nach einer Ecke des Ex-Hamburger Hakan Calhanoglu sehenswert im Tor. Er hatte sich im Stehen clever gegen Milan-Kapitän Davide Calabria Platz verschafft und den Ball volley, für AC-Keeper Mike Maignan unhaltbar, aus sechs Metern eingenetzt. "Was habe ich das letzte Mal gesagt? Gut, ich bin immer noch 37, aber ich fühle mich gut", sagte Dzeko nach der Partie bei "Amazon Prime Italia". Er erklärte weiter, dass seine Kurzeinsätze für ihn okay sind: "Ich fühle mich heute frischer, vielleicht weil ich vor drei Tagen pausieren konnte."
Mit seinem frühen Tor trägt er sich in eine historische Liste ein: Mit 37 Jahren und 54 Tagen ist er nun der zweitälteste Torschütze in einem Champions-League-Halbfinale. Nur Ryan Giggs war noch 94 Tage älter als er am 26. April 2011 im Trikot von Manchester United gegen den FC Schalke 04 traf - damals gegen einen Torhüter namens Manuel Neuer. "Manchmal kommen die Tore nicht, aber ich bringe mehr als nur Tore für das Team. Ich arbeite hart für meine Kollegen. Und heute habe ich ein Tor gemacht, aber habe auch wichtige Arbeit für das Team geleistet", sagte Dzeko zufrieden nach dem Spiel.
Calhanoglu mit besonderer Fehde
Sein Tor war eine gelungene Zusammenarbeit mit Calhanoglu, der sich mit seiner Ecke und fast einem eigenen Tor - sein Schuss in der 16. Minute ging nur an den Pfosten - beim Gegner erneut unbeliebt machte. Der Türke war 2017 aus der Bundesliga zu AC Mailand gewechselt und zog 2021 zum Stadtrivalen Inter weiter. Ein Wechsel, der ihn von den Rot-Schwarzen niemand verziehen hat, Ex-Mitspieler Theo Hernandez etwa hatte ihn mit Beleidigungen bedacht und ihn mit Häme überschüttet, als AC in der vergangenen Saison italienischer Meister geworden war. Wie groß der Ärger um seine Person noch immer ist, war in der 78. Minute deutlich zu hören: Ein gellendes Pfeifkonzert begleitete seine Auswechslung.
Calhanoglu konnte es an diesem Abend egal sein, denn sein Team gewann mit 2:0. Nur drei Minuten nach dem Führungstreffer von Dzeko erzielte der Ex-Dortmunder Henrikh Mkhitaryan (11.) bereits das zweite Tor. Eine furiose erste Halbzeit reichte, um den Stadtrivalen zu schlagen. AC-Verteidiger Fikayo Tomori sagte frustriert: "Ich bin natürlich enttäuscht. So wie wir in das Spiel gestartet sind und zwei frühe Tore kassiert haben", sagte er gegenüber BT Sport. "Das erste nach einer Ecke und dann gleich danach. Es ist schwierig, wenn es 0:0 steht, aber in den ersten 15 Minuten mit zwei Toren in Rückstand zu geraten, ist ein Schlag in die Magengrube.
AC "nur Zuschauer"
Inter-Coach Inzaghi war dagegen begeistert: "Wir hatten eine außergewöhnliche erste Halbzeit, das Ergebnis war knapper als es hätte sein müssen, mit dem, was wir geschaffen haben." Damit verwies er nicht nur auf Calhanoglus Pfostentreffer, sondern auch auf einen zurückgenommenen Strafstoß in der 31. Minute. Lautaro Martinez war nach einem vermeintlichen Foul des Ex-Wolfsburgers Simon Kjaer gefallen, doch der Video-Check überführte ihn der argen Theatralik. Schiedsrichter Jesus Gil Manzano nahm seine Entscheidung zurück.
Inzaghi war voll des Lobes: "Die Jungs waren wirklich großartig, wie sie ein so emotionales Spiel gemeistert haben." Beim Gegner war die Laune dagegen mies. "Wir sind sehr schlecht in das Spiel gestartet, kamen gar nicht in die Zweikämpfe", sagte der Ex-Schalker Malick Thiaw, der in der 59. Minute für Kjaer eingewechselt wurde, bei DAZN. "Inter war gieriger, wir waren nur Zuschauer. Es tut mir leid für die Milan-Fans, dass wir so eine Leistung gebracht haben."
Das Rückspiel steigt schon am kommenden Dienstag, dann wird das San Siro Schwarz-Blau dominiert sein. "Wir müssen so weitermachen. Wir wissen, dass wir nur noch einen Schritt von einem Traum entfernt sind, an den wir von August bis heute geglaubt haben", so Inzaghi. 30 Tage sind es noch bis zum Finale in Istanbul. Für Dzeko würde dann übrigens ein neuer Rekord winken: Der älteste Torschütze in einem Finale der Champions League ist Paolo Maldini. Für AC Mailand - ausgerechnet - traf er im Finale von 2005 gegen den FC Liverpool. Die Italien-Legende war damals 36 Jahre und 333 Tage alt.
Quelle: ntv.de