Fußball

Alles nur verdammtes Glück? Das muffige Mailand-Derby verblüfft Europa

Hernan Crespo und Paolo Maldini lieferten sich 2003 hitzige Duelle.

Hernan Crespo und Paolo Maldini lieferten sich 2003 hitzige Duelle.

Das Derby della Madonnina krönt einen überraschenden Aufschwung des italienischen Fußballs. Mit fünf Halbfinalisten im Europacup sticht die Serie A hervor. Dass das emotionale Mailand-Derby nun möglich ist, hat auch mit Glück bei der Auslosung und altbewährten Tugenden zu tun.

Auf der Piazza del Duomo, zu Füßen der berühmten Madonnina, kündigte sich das Spektakel immer mehr an. Am Tag vor dem "Euroderby" im legendären San Siro pilgerten Fans des AC und von Inter Mailand zum Wahrzeichen der Stadt, die 20 Jahre nach einem legendären Duell zumindest für elektrisierende 180 Minuten wieder zum fußballerischen Zentrum des Kontinents wird - und in der Stadt sonnt man sich gefühlig im unerwarteten Glanz der Champions League. Dieses gehypte Stadtduell, dem der Muff der goldenen Zeiten noch in den Trikots steckt, triggert im Halbfinale nicht nur romantische Gefühle, sondern soll den beiden wiedererstarkten Riesen und dem ganzen Calcio einen kräftigen Schub versetzen.

"Das Spiel ist wichtig für den italienischen Fußball", erzählt Torwart-Legende Dino Zoff. Ob im altehrwürdigen Giuseppe-Meazza-Stadion wieder zwei Vereine in der absoluten Weltspitze zu sehen sein werden, das könne der 81-Jährige nicht sagen. "Aber die Zahlen deuten das an." Der Weltmeister von 1982 erinnerte daran, dass neben Milan und Inter auch noch Juventus Turin und AS Rom in der Europa League sowie der AC Florenz in der Conference League jeweils in den Vorschlussrunden stehen. Fünf Serie-A-Teams gleichzeitig in den Halbfinals europäischer Vereinswettbewerbe hat es bislang noch nie gegeben. Der einstige Juve-Star Michel Platini sprach von einer "Überraschung für die Welt" angesichts der plötzlichen Renaissance.

"Im Ausland denkt man nicht an diese Dinge"

Die Premier League, die LaLiga und die Bundesliga, allesamt in der UEFA-Fünfjahreswertung vor Italien, können da rein quantitativ nicht mithalten und kommen zusammen auf die gleiche Anzahl. Diese Wiederauferstehung zeige, "dass der italienische Fußball, über den wir selbst hierzulande oft zweifeln, international hoch angesehen wird", sagte Zoff. In Italien wird der Sport immer wieder von Nebengeräuschen überlagert, aktuell etwa vom Rechtsstreit von Rekordmeister Juve um mögliche Bilanzfälschungen und von Rassismus-Vorfällen in den Stadien. Zoff aber sagt: "Im Ausland denkt man nicht an diese Dinge, dort geht man auf den Platz und spielt."

Dass sich Milan und Inter in der Vorschlussrunde gegenüberstehen und andere Hochkaräter wie den FC Bayern, Liverpool, Barcelona oder Paris nur noch zuschauen dürfen, das hätte vor der Saison kaum jemand für möglich gehalten. Inter stand 2010, Milan 2007 letztmals in einem Halbfinale - beide Male gewannen die Norditaliener dann den Titel. Mit reichlich Glück bei der Auslosung und altbewährten Defensiv- und Minimalismus-Tugenden - Milan etwa kassierte in Partien bei drei selbst erzielten Treffern nur ein Gegentor - waren die Mailänder diesmal erfolgreich. Und nun kommt es zum Derby im größtmöglichen Schaufenster. Das bewarb Milan am Montagabend bereits, indem das berühmte Hotel Burj Khalifa von Dubai komplett in Rot und Schwarz angeleuchtet wurde.

Die glorreichen Zeiten sind lange vorbei

Das Derby ist auch eine Reise zurück in die große Vergangenheit des italienischen Fußballs. 2003, als sich Milan und Inter schon einmal um ein Final-Ticket in der Champions-League duellierten, zog die Liga noch die größten Stars an. Einige von ihnen wie Andrej Schewtschenko oder Cafu werden auf der Tribüne erwartet, der einstige Milan-Kapitän Paolo Maldini sowieso. Die Ikone des AC Mailand, die erst das Weiterkommen gegen Inter feierte und schließlich vor 20 Jahren nach einem Finalsieg gegen Juventus Turin den legendären Henkelpott in die Höhe stemmte, ist heute Technischer Direktor des Klubs des deutschen U21-Nationalspielers Malick Thiaw.

Europäische Sternstunden wie zu Spielerzeiten Maldinis gibt es heute deutlich seltener, die Kräfteverhältnisse haben sich vor allem in Richtung England und Spanien verschoben. Dort, wo das Geld regiert(e). Aber auch AC und Inter schafften ihre Wiederauferstehung nicht nur mit kluger Arbeit, sondern ebenfalls in der Hand von sehr mächtigen Investoren. Mit Geld geht eben viel.

"Es werden sehr lange 180 Minuten für die Stadt werden"

Mehr zum Thema

"Manchester City gegen Real ist das echte Champions-League-Finale", sagte Ex-Nationalspieler Christian Panucci, der 1994 und 1998 mit Milan und Madrid den "Henkelpott" gewann: "Aber die Italiener haben sich nun eben gut geschlagen." Umso mehr sind die Klubs entschlossen, die große Chance aufs Finale zu nutzen - das Momentum könnte dabei für Inter sprechen. Zuletzt gelangen dem Team von Simone Inzaghi fünf Siege in Folge, inklusive des Einzugs ins Pokalfinale. "Wir sind den Druck von Halbfinals gewohnt, aber es werden sehr lange 180 Minuten für die Stadt werden", sagte der Trainer, der mit seinem Team in der Liga vor dem Rivalen auf Rang vier steht.

Milan bangte derweil noch um Schlüsselspieler Rafael Leao, der beim Abschlusstraining am Dienstag fehlte. "Wir können auch ohne einen entscheidenden Spieler wie ihn ein großes Spiel machen", sagte Coach Stefano Pioli. Dennoch wäre der Ausfall bitter im "Derbissimo", dem die ganze Stadt entgegenfiebert.

Quelle: ntv.de, tno/dpa/sid

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen