Fußball

Turbulente CL-Nacht gegen Madrid BVB rast auf der Achterbahn in den "Wahnsinn"

Julian Brandt bereitete den Weg ins Halbfinale mit seinem 1:0, auch wenn es danach ein großes Zitterspiel wurde.

Julian Brandt bereitete den Weg ins Halbfinale mit seinem 1:0, auch wenn es danach ein großes Zitterspiel wurde.

(Foto: IMAGO/RHR-Foto)

Borussia Dortmund erlebt einen turbulenten Fußballabend in der Champions League. Die Schwarzgelben legen furios los, verspielen dann eine 2:0-Führung, leiden, kämpfen sich groß zurück und eskalieren mit dem Schlusspfiff. Nun heißt es Halbfinale - gegen PSG.

Eine Sache haben der BVB und der FC Bayern in dieser Saison gemeinsam. So sehr sie in der Bundesliga und im DFB-Pokal mit ihren Leistungen fremdeln und den eigenen Zielen hinterherhecheln, so sehr glänzen sie auf der europäischen Bühne. Die Champions League ist (bislang) der Wohlfühlort der deutschen Fußball-Giganten, die sich mit Problemen und zermürbenden Diskussionen durch diese Spielzeit schleppen. Am Dienstagabend aber machte zumindest Borussia Dortmund einen Großteil davon vergessen. Nach einem mitreißenden Viertelfinal-Rückspiel gegen Atlético Madrid (4:2) stürmte die Mannschaft von Trainer Edin Terzić in die Runde der besten vier Teams Europas und trifft dort erneut, wie in der Gruppenphase, auf Kylian Mbappé und Paris St. Germain.

Gegen die kampfstarken Mentalitätsbiester der Rojiblancos hatten die Dortmunder in ihrem aufgeputschten Fußballtempel das machen müssen, was ihr Trainer so oft herbei philosophiert: Sie hatten mutig sein müssen und fleißig. Sie hatten leiden müssen und brauchten Widerstandsfähigkeit. So haute sich Winter-Leihe Ian Maatsen in der vierten Minute der Nachspielzeit am langen Pfosten in eine lange Flanke von der linken Seite und beförderte sie per Kopf aus der Gefahrenzone. Er stürzte danach auf den Boden, rappelte sich schnell wieder auf - und musste nur noch jubeln. Schiedsrichter Slavko Vincic pfiff ab und Dortmund drehte durch vor Glück.

Zwei Knalleffekte nach dem Anpfiff

BVB - Atlético 4:2 (2:0)

Tore: 1:0 Brandt (34.), 2:0 Maatsen (39.), 2:1 Hummels (49., Eigentor), 2:2 Correa (64.), 3:2 Füllkrug (71.), 4:2 Sabitzer (74.)
Dortmund: Kobel - Ryerson, Hummels, Schlotterbeck, Maatsen - Can, Sabitzer - Sancho (86. Özcan), Brandt (90. Brandt), Adeyemi (66. Bynoe-Gittens) - Füllkrug; Trainer: Terzic.
Madrid: Oblak - Molina (46. Barrios), Witsel, Gimenez, Hermoso, Azpilicueta (46. Riquelme) - Llorente, Koke, de Paul (84. Saul) - Griezmann, Morata (46. Correa); Trainer: Simeone.
Schiedsrichter: Slavko Vincic (Slowenien)
Gelbe Karten: Ryerson - Azpilicueta, Hermoso
Zuschauer: 81.365 (ausverkauft)

"Halbfinale Champions League – das ist Wahnsinn", sagte Niclas Füllkrug, der sich selbst nach neun Spielen ohne Treffer und das Stadion mit dem 3:2 (71.) erlöst hatte. Der BVB war auf einer Achterbahn unterwegs. Emotional ging es rauf und runter, ungebremst, mitreißend, atemlos. Von der ersten Minute an. Mit dem Anpfiff rannten die beiden Mannschaften wie wild aufeinander los. Marcel Sabitzer ließ bereits nach drei Minuten eine Topchance aus. Weil er einen Moment zu lange gezögert hatte, wurde sein Schuss aus kurzer Distanz noch abgegrätscht. Noch größer war die Gelegenheit, die Álvaro Morata kurz danach vergab. Von der Mittellinie aus stürmte er unaufhaltsam auf das BVB-Tor zu, lupfte den Ball aber knapp vorbei (5.). Es war ein Kampf mit fliegenden Fäusten, ohne Deckung, der beide Teams offenbar erschreckte.

Die in diesen Minuten arg luftigen Ketten wurden in Windeseile abgedichtet. An Dynamik und Faszination verlor das Spiel dadurch nicht. Nur die Momente des Atemstillstands wurden weniger. Der BVB übernahm, schließlich musste erstmal der Rückstand aus dem Hinspiel (1:2) egalisiert werden, um dann weiteren Ziele nachzujagen. Die Dortmunder kombinierten gut, schossen aufs Tor, aber so richtig fehlten Wucht und Präzision. Und immer drohte die Gefahr, von den taktisch cleveren Gästen ausgekontert zu werden. Doch dann kam Julian Brandt und riss das Stadion erstmals ins große Glück. Aus spitzem Winkel haute er den Ball durch die Beine von Torwart Jan Oblak ins Tor. Der Offensivmann, der aktuell im DFB-Team außen vor ist, traf erstmals seit dem 13. Januar.

Kaum hatten die Fans sich und das erste Glück wieder eingefangen, flog ihnen der nächste Endorphinkick um die Ohren. Maatsen zog mutig von links in den Strafraum und erhöhte auf 2:0. Atletico wusste in dieser Phase nicht, wie ihm geschah. Und die Dortmunder, sie feierten bereits die nächste magische Nacht in Europa. Auf diesem Terrain hatte sie sich und ihren Trainer immer wieder gerettet. In der Bundesliga kämpft die Mannschaft gegen RB Leipzig um die Qualifikation für die Champions League. Das ist der Mindestanspruch für diesen Verein, der sich von dem Meisterdrama im vergangenen Sommer und dem Abgang ihres jungen Anführers Jude Bellingham, der nun den Heldenfußball von Real Madrid orchestriert, nie wirklich erholt hat. Emotional tanzen die Borussen die ganze Saison am Abgrund, der Trainer kassiert immer wieder Kritik und mediale Hiebe.

Ab jetzt nur Wembley als Ziel

Doch dann ist eben die Champions League, dieser Wettbewerb, der im Frühjahr immer so viel Fahrt aufnimmt und die Fans auf dem Kontinent in Atem hält. Womöglich auch an diesem Mittwochabend, wenn der FC Bayern mit Trainer Thomas Tuchel den FC Arsenal wieder trifft (2:2) und sich Manchester City und Real Madrid erneut zu einer womöglich epischen Nacht (3:3) verabreden. Nach dem Sieg der Dortmunder scheint in dieser seltsamen Spielzeit der deutschen Giganten plötzlich sogar eine Wiederauflage des Endspiels von Wembley möglich, wie 2013, als die Münchner gewannen. Zumindest beim BVB geben sie jede Zurückhaltung auf. "Das ist natürlich ab jetzt das Ziel. Das nicht auszusprechen wäre Quatsch", sagte Füllkrug.

Der Weg ins Halbfinale nach dem 2:0 wurde aber noch steinig. Nach einem Eigentor von Mats Hummels (49.) und dem Ausgleich durch Angel Correa (64.) schienen alle Träume geplatzt. Die Gäste waren am Zug, hatten den Druck massiv erhöht. Der BVB, er wankte. Aber er schüttelte sich schnell, saugte die gigantische Kraft der Tribünen in sich auf und glaubte weiter daran, die Dinge auf seine Seite ziehen zu können. "Das Stadion war magisch, die Atmosphäre unglaublich. Wir auf dem Platz hatten dadurch eine wahnsinnige Energie", lobte Füllkrug. Frische Energie brachte auch der eingewechselte Jamie Bynoe-Gittens. Und plötzlich ging alles wieder ganz schnell. Dortmund stürmte nach vorne, Madrid zog sich zurück. Der überragende Marcel Sabitzer, auch so ein Gesicht der durchwachsenen Saison des BVB, setze Füllkrug in Szene und der Ball per Kopf ins Tor (71.).

Die magische Nacht, sie war auch einer der kleinen Auferstehungen: Sabitzer, der schon in Richtung Fehleinkauf geschoben worden war, spielte spektakulär auf. Ebenso wie Brandt mit seiner gigantischen Spielfreude. Aber auch die zuletzt immer wieder mit Formproblemen kämpfenden Emre Can und Nico Schlotterbeck lieferten beeindruckend starke Leistungen ab. Und auch Mats Hummels war trotz Eigentor eine große Konstante. Und auch für Terzić war es ein großer Abend, der ihn vorerst wieder ganz fest in seinen Trainersattel presst.

"Das ist ein stolzer Tag für alle Borussen"

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Wieder blieb kaum Zeit, das Glück zu begreifen, denn schon hatte Sabitzer zugeschlagen, in der 74. Minute traf er zum 4:2. Das alte Westfalenstadion bebte, der Torschütze sprintete vor die Gelbe Wand, baute sich vor ihr auf. Das ganz Leiden, die ganze Diskussionen, sie versanken in der gigantischen Ekstase. "Das ist ein stolzer Tag für alle Borussen, das war eine Achterbahnfahrt. Riesenkompliment an die Mannschaft", sagte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke bei Prime Video: "So zurückzukommen, das muss man erstmal schaffen."

Nun sind es nur noch zwei Schritte bis ins Finale. Im Halbfinale haben die Borussen zunächst Heimrecht. Gegen das Starensemble um den pfeilschnellen Mbappé, der Dreh- und Angelpunkt des PSG-Spiels ist, setzen die Profis des BVB auf ihren Lerneffekt. "Wir haben ein sehr schlechtes Spiel gemacht in Paris", sagte Brandt zum 0:2 im September im Parc de Princes. "Daraus haben wir gelernt und haben hier 1:1 gespielt. Wir sind auch langsam mal am Zug zu gewinnen."

Quelle: ntv.de, tno

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