Fußball

Präsident will keine "Ja-Sager" Gegenwind treibt DFB zu "Nia oder nix"

Künzer lässt sich von den beiden Kollegen nicht unterbuttern.

Künzer lässt sich von den beiden Kollegen nicht unterbuttern.

(Foto: dpa)

Sie ist die erste DFB-Direktorin für die Frauen: Nia Künzer beschreitet beim Deutschen Fußball-Bund ganz neue Wege. Während Präsident und Geschäftsführer Sport aufgrund ihrer Qualifikationen schwärmen, müssen sie sich auf ihr Selbstbewusstsein gefasst machen.

"Ich habe gedacht, du sagst jetzt wieder: Du hast keine Ahnung vom Frauenfußball. Aber das wissen ja jetzt alle." Nia Künzer hat die Lacher bei ihrer offiziellen Antritts-Pressekonferenz beim DFB auf ihrer Seite. Die neue Sportdirektorin für den Fußball der Frauen geht den DFB-Geschäftsführer Sport, Andreas Rettig, gleich mal forsch an. Seine Erklärungen seit seinem Amtsantritt waren die Steilvorlage für das Gefrotzel. Es ist eines, das den Ton setzt - und das gibt Grund zur Hoffnung.

Denn der oft dröge wirkende Verband wird aufgemischt. Während der Männer-Bundestrainer Julian Nagelsmann die Pressekonferenzen mit seinen Sprüchen ansehnlich macht, übernimmt auch Künzer mit ihrer ganz eigenen Art den wichtigen Posten für den Fußball der Frauen. Dazu gehört auch eine gute Portion Selbstbewusstsein. Als Künzer etwas gefragt wird, aber Rettig und DFB-Präsident Bernd Neuendorf reden - die flankierend links und rechts neben ihr sitzen - schiebt sie dazwischen: "Ich bin noch dran!" Die Erwartung ist klar: Unangebrachte Zurückhaltung soll es mit ihr nicht geben, Klüngelei und Geschachere unter alten Bekannten, wie etwa bei der Vergabe des Sportdirektoren-Postens an Rudi Völler Ende 2022, als Hans-Joachim Watzke ihn mehr oder weniger einfach vorschlug und auswählte, scheint ausgeschlossen.

Zu wichtig ist ihr der Grund, warum sie nun beim DFB arbeitet: "Fußball ist meine Leidenschaft, meine Liebe. Fußball verbindet mich mit Menschen, schon mein Leben lang. Fußball verbindet Menschen miteinander." Angesprochen auf den Reiz ihres neuen Jobs, wird der Redefluss von Künzer schnell und schwärmerisch. Es habe Menschen gegeben, die sie bestärkt hätten, diesen neu geschaffenen Posten zu übernehmen: Sie sehe den Willen beim Verband, etwas verändern zu wollen, sie glaube an die sportliche Qualität. "Das Gesamtpaket ist es." Und dann folgt noch eine Schmunzel-Spitze mit Blick auf Rettig. Das Mikrofon schaltet sie nach einem Flüstern des Mannes rechts von ihr erneut an. "Ich soll sagen, dass ich wegen ihm gekommen bin. Das ergänze ich noch."

"Nia oder nix"

Künzer beim DFB ist ein gewagter Schritt - für beide Seiten. Die frühere Nationalspielerin hat sich als langjährige ARD-Expertin einen Ruf als kritische Begleiterin des Verbands erarbeitet. Nun die Seiten zu wechseln, birgt die Gefahr, schnell zu seicht zu werden. Eine Sorge, der sich Künzer bewusst ist: "Ich will mich nicht ganz von der Bubble auffressen lassen", sagt sie. Ihre Ergänzung sagt sie sicherlich nicht nur in Richtung der Journalisten, sondern auch zu den sie flankierenden Herren, DFB-Präsident Bernd Neuendorf und eben Rettig: "Ich habe manchmal kritisch auf den DFB geschaut. Den Blick will ich mir erhalten." Es ist allen beim DFB zu wünschen, dass die Kritik und die Kritikfähigkeit bleiben.

Geht es nach den Worten Neuendorfs, ist dies nämlich explizit einer der Gründe für ihre Wahl: "Nia ist ein kritischer Geist, sie ist nicht stromlinienförmig. Es entspricht ja nicht einer zeitgemäßen Führung, wenn man nur Ja-Sager um sich schart." Künzer überzeuge mit ihrem Fachwissen, ihrem Wesen und ihrer Persönlichkeit" Der DFB-Präsident betont: "Nia ist ein wichtiger Baustein für die Sichtbarkeit des Frauenfußballs. Sie entspricht dem Profil fast idealtypisch." Und Rettig ergänzt später mit Verweis auf das berühmte Zitat Pep Guardiolas: "Nia oder nix."

Nur bei der Frage nach der Empathie der früheren Spielerin, die durch ihr Golden Goal bei der WM 2003 berühmt wurde, da sind sich die beiden Herren nicht so ganz einig. Während Neuendorf dies als Stärke Künzers lobt, erwähnt Rettig mit einem Augenzwinkern: "Du hast über die empathische Person gesprochen, Bernd. Aber du hast mit ihr noch nicht über einen Vertrag verhandelt. Nia kann auch anders, das will ich nur mal sagen."

Neuendorf selbst hat im vergangenen Sommer zu spüren bekommen, wie es ist, von Künzer kritisiert zu werden. Nach dem historischen WM-Debakel des DFB-Teams bei der WM in Australien hatte sie über den Präsidenten, der nicht zum Turnier gereist war, dies erst in der K.-o.-Runde tun wollte, geurteilt, dass dies "maximal unglücklich" gewesen sei. Neuendorf kann heute darüber lächeln. Er betont, in einem Gespräch danach hätte er gemerkt, "dass sie jemand ist, der eigentlich dem Profil entspricht".

Wortkarg bei Bundestrainer-Besetzung

Seit elf Tagen ist Künzer jetzt im Amt, noch war nicht viel Zeit, Dinge zu bewegen. Es hat vielleicht gereicht, um einigen einen kleinen Schubs zu geben. Viel geredet hat sie schon, noch deutlich mehr Gespräche soll es geben, macht sie deutlich: "Was ich ganz gut kann, ist zuhören", sagt die 43-Jährige über sich selbst.

Wortkarger wird sie bei dem wohl wichtigsten Punkt auf ihrer To-do-Liste: Eine neue Bundestrainerin oder einen neuen Bundestrainer finden. Unklar ist bislang, wann diese Nachfolge von Interims-Bundestrainer Horst Hrubesch nötig wird. Gelingt die Qualifikation für die Olympischen Spiele? Oder wird der Neuanfang schon nach dem Nations-League-Finalturnier Ende Februar, bei dem die zwei europäischen Tickets für Paris vergeben werden, nötig? Künzer hofft natürlich auf den Erfolg. "Wir müssen in verschiedenen Szenarien denken. Wir sind dran. Ich bin mir bewusst, dass es eine Aufgabe wird, an der ich gemessen werde." Und setzt ansonsten auf grundlegende Dinge bei der Personalwahl: soziale Kompetenz, Kommunikation und eine gute Spielidee.

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Namen wie Colin Bell oder Jill Ellis will sie nicht kommentieren. Bell, der aktuelle Nationaltrainer Südkoreas, das das DFB-Team im Sommer aus dem Turnier gekickt hatte, hat als Bundesliga-Spieler und späterer Trainer der Frauen des 1. FFC Frankfurt (heute Eintracht Frankfurt) gute Kenntnis über den deutschen Fußball. Ellis ist die Rekordtrainerin der USA, gewann zweimal den WM-Titel. Es wären zwei Hochkaräter, diese für den DFB zu begeistern, wäre ein Erfolg. Einer, der nun maßgeblich auch von Künzer abhängt.

Drei Jahre lang hat sie Zeit, den Fußball der Frauen beim DFB wieder fit zu machen. Bis dahin läuft das Programm "Fast Forward 2027", die Strategie des DFB. Im Mai dieses Jahres entscheidet sich zudem, ob die WM 2027 in Deutschland (und Belgien und den Niederlanden) stattfindet. Und bis dahin läuft ihr Vertrag als Sportdirektorin. So lange ist sie in ihrem bisherigen Job beim Regierungspräsidium Gießen beurlaubt, "dankenswerterweise hat es das Land Hessen ermöglicht". Ein Job auf Sicht, den Künzer voller Elan angeht. Und mit einem Ziel: Sie möchte "mit dem Trainer, mit dem Team auch wieder sportlich erfolgreich sein und Titel holen". Da macht sie keine Scherze.

Quelle: ntv.de

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