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Nia Künzer ist mutige Wahl DFB verlässt den Rudi-Völler-Pfad

Nia Künzer kommt mit frischem Blick zurück zum DFB.

Nia Künzer kommt mit frischem Blick zurück zum DFB.

(Foto: picture alliance/dpa)

Zum Jahr 2024 wird es beim Deutschen Fußball-Bund erstmals eine Sportdirektorin geben, die sich um den Fußball der Frauen kümmert. Nia Künzer wird das Pendant zu Rudi Völler. Doch es gibt berechtigten Grund zur Hoffnung, dass die 43-Jährige vieles besser machen wird.

Zurück in die Zukunft: Zwei WM-, acht EM-Titel, die Frauen sind beim Deutschen Fußball-Bund das erfolgreichste Team. Doch erst zum Jahr 2024 bekommen sie eine eigene Sportdirektorin, die deren Interessen im Blick hat. Längst überfällig. Die Wahl von Nia Künzer zeigt allerdings die Zukunftsgewandtheit, die der Verband bei dieser Personalie im Blick hat. Und das ist gut so. Künzer ist so ganz anders als ihr männliches Pendant Rudi Völler.

Stammtischparolen wird es mit der 43-Jährigen nicht geben. Keine Einladungen zum alten Duz-Kumpanen Waldemar Hartmann in fragwürdige TV-Shows bei fragwürdigen Sendern. Zum einen, weil sie diese Vergangenheit schlicht nicht hat, zum anderen, weil Künzer bekannt ist für ihre Geradlinigkeit. Eine, die auch mal provokant ist, um Gehör zu finden. Ihr Buch, das sie gemeinsam mit TV-Experte Bernd Schmelzer herausgegeben hat, heißt nicht umsonst "Warum Frauen den besseren Fußball spielen". Wenn ihr etwas nicht passt, spricht sie es an, ohne vor großen Namen zurückzuschrecken.

Allen voran macht sie auch vor dem DFB nicht Halt. Nach Bekanntgabe der Besetzung der eilends geschaffenen DFB-Taskforce im Zuge der WM-Schmach der Männer kritisierte Künzer: "Ich weiß nicht, ob diese Taskforce vielfältige Perspektiven so zusammenbringt", hatte sie der "Frankfurter Rundschau gesagt. "Ich denke, dass es durchaus Expertinnen gibt, die da gut reingepasst hätten."

Als eine ihrer letzten Amtshandlungen in ihrem 17 Jahre langwährenden Expertinnenjob bei der ARD kritisierte sie dann im Sommer DFB-Präsident Bernd Neuendorf. Der hatte nach dem WM-Debakel der deutschen Frauen in Australien vollmundig verkündet, man dürfe nicht alles infrage stellen und selbstverständlich bleibe Martina Voss-Tecklenburg in ihrem Amt als Bundestrainerin. "Für mich war das widersprüchlich. Es gab eigentlich keine Notwendigkeit, so schnell schon Fakten zu schaffen." Es sei zudem "maximal unglücklich", dass Neuendorf nicht vor Ort gewesen sei. Nun wird sie mit Neuendorf zusammenarbeiten - und an der dringend geforderten "ergebnis- und lösungsorientierten" Aufarbeitung beteiligt sein. Es ist Neuendorf, der sie in der DFB-Mitteilung explizit für ihren "kritischen Blick" lobt.

Frischer Wind für klüngeligen DFB

Es kann dem Verband nur von Nutzen sein, wenn Künzer ihren kritischen Geist behält und damit frischen Wind reinbringt in den Verband, der sich so häufig vorwerfen lassen muss, verpieft und altbacken zu sein. Der zuletzt bei der Besetzung durch den bei vielen Fußballfans immer noch beliebten Rudi Völler offenbart hat, wie viel Macht das Geklüngel in der Chefetage hat. Künzer dagegen kommt "von außen", wurschtelt nicht seit Jahren in der DFB-Blase mit. Ihr Blick lässt sich trotz ihrer jahrelangen Tätigkeit als ARD-Expertin nicht nur auf den Fußball reduzieren. Das war nur ein Nebenjob, hauptamtlich hat sie als Dezernats-Leiterin im Regierungspräsidium Gießen in der Abteilung Flüchtlingsangelegenheiten für Erstaufnahmeeinrichtungen und Integration ihren Horizont erweitert, hat Personalverantwortung für mehr als 40 Personen gehabt - und weiß entsprechend, wie es ist, ein Team zu leiten.

Was Künzer allerdings mit Völler gemeinsam hat, ist der Nimbus, einen Weltmeistertitel gewonnen zu haben. 2003 war das, sie hatte damals sogar das entscheidende Golden Goal im Finale gegen Schweden geköpft. Der Treffer war zum Tor des Jahres gewählt worden und hatte sie für immer in die Geschichtsbücher gebracht. Doch sie schwelgt nicht in ihr, hat im Interview mit ntv.de auch die negativen Seiten ihres Tores angesprochen.

Ehrliche Liebe für Fußball

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Als ehemalige Spielerin weiß sie, was und wen ein Team braucht. Gut so, als eine der ersten Amtshandlungen muss sie mitwirken, eine neue Bundestrainerin oder einen neuen Bundestrainer zu finden. Interimstrainer Horst Hrubesch wird seinen Job zwar erst einmal fortführen und mit dem Team versuchen, sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Doch spätestens im Anschluss an das Turnier wird Schluss sein, dann braucht es eine Nachfolge für die langfristige Vorbereitung zur EM 2025. Auch die Professionalisierung der Liga, die anders als bei den Männern unter dem Dach des DFB firmiert, wird sie künftig aufmerksam verfolgen. Zu ihrem Aufgabengebiet gehört es nicht, informiert ist sie dennoch. "Wir reden von einer Bundesliga, in der es bei einigen Teams sehr professionell zugeht, aber bei anderen auch noch sehr einfach. Natürlich muss man gucken, dass der Gap nicht zu groß wird", hatte sie gegenüber ntv.de gesagt.

Nia Künzer liebt den Fußball, nicht nur den der Frauen, und ist kein fachfremder CEO, dem es nur um Zahlen, Wirtschaftlichkeit und Profit geht. Sie wird den emotionalen Wert des Fußballs, des Nationalteams, das gerade so mit sich selbst fremdelt, aber 2022 noch Vize-Europameister war, nicht zugunsten anderer Faktoren hintenüberfallen lassen. Mit ihr hat der DFB ein lang bekanntes, aber trotzdem neues Gesicht in seiner Führungsriege, das in der neuen Rolle noch Platz zur Entfaltung hat. Nicht festgefahren in Stereotypen und zugleich so jung, um eine Ära zu begründen. Im DFB kann das für einen ganz neuen Aufschwung sorgen. Der Blick richtet sich gen Zukunft, nicht zurück zu den alten, glorreichen Zeiten.

Quelle: ntv.de

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