Benzema vor Schock-Transfer? Saudi-Arabien zerschrottet das alte Fußball-System
01.06.2023, 20:29 Uhr
Wie lange jubel Karim Benzema noch für Real Madrid?
(Foto: picture alliance / DPPI media)
Es fällt schwer, sich an den neuesten Big Player auf dem Fußball-Markt zu gewöhnen. Saudi-Arabien investiert seit einiger Zeit intensivst in den beliebtesten Sport der Welt. Zum Ende der aktuellen Spielzeit wirbeln sie erneut mächtig Sand auf. Die Stürme erreichen Real Madrid und auch die Bundesliga.
Sind eigentlich alle verrückt geworden? Am Ende einer langen Fußball-Saison dominiert Saudi-Arabien die Schlagzeilen im internationalen Fußballgeschäft. Das Königreich reißt sich nicht nur die größten Spieler der aussterbenden Generation der Fußball-Helden unter den Nagel, sondern sorgt mit seiner europäischen Filiale Newcastle United auch für Disruptionen in der Bundesliga. Die Macht des Geldes lässt auch die deutschlandweit überwiegend unbeliebten Pokalfinalisten RB Leipzig verzweifeln. Alles hängt mit allem zusammen.
Jetzt also auch Weltfußballer Karim Benzema. Der französische Superstar packt seine Koffer und verlässt Real Madrid in Richtung Wüste, berichtet nicht nur die für gewöhnlich ausgezeichnet informierte "AS". Der 35-Jährige hat in seinen 14 Jahren bei den Königlichen bislang 647 Spiele absolviert, 353 Tore erzielt und 165 weitere vorbereitet. Dabei hat er sämtliche Preise im Klubfußball abgeräumt, meist sogar mehrfach. Erst im vergangenen Oktober kassierte er nach seinen unglaublichen Leistungen in der K.o.-Phase der Champions League 2021/2022 dann auch den Ballon d'Or 2022. Alles erreicht in Europa und nun also der Abgang in Richtung Saudi-Arabien?
Dort soll der aktuelle Meister Al-Itthiad die Tasche aufmachen und dem Franzosen pro Saison ein steuerfreies Gehalt von 100 Millionen Euro bieten. Sein Vertrag soll über zwei Jahre laufen. Der doppelte Eurojackpot in der Wüste. Was ein Märchen also für Benzema, der sich bei seinem alten Teamkollegen Cristiano Ronaldo über das Leben in der Wüste informiert haben soll. Der Transfer, so heißt es, soll nur noch Formsache sein, zumal der Vertrag des Kapitäns der Königlichen ohnehin Ende des Monats auslaufen wird.
Tektonische Verschiebungen im Weltfußball
Benzemas ehemaliger Sturmpartner in Madrid, Cristiano Ronaldo, ist schon lange da. Der Portugiese war vor der WM nach einem verwirrenden Interview bei Manchester United rausgeflogen. Seine sportlichen Leistungen waren da schon lange nicht mehr auf einem Level mit seinem uneingeschränkten Selbstvertrauen. Ronaldo unterschrieb bei Al-Nassr, erzielte 14 Tore in seinen 16 Auftritten in der Saudi Pro League, ließ nebenbei einen Trainer verschwinden und blieb jedoch sonst ohne Titel. Sein Verein beendete die Saison auf Rang zwei, hinter eben jenen Al-Ittihad. Die werden von ehemaligen Trainer der Tottenham Hotspur, Nuno Santo, gecoacht und legen nun eben noch einmal nach.
Tektonische Verschiebungen, wohin man schaut. Und die Saudis machen, was sie wollen oder was sie wollen, was andere machen, wie im Falle von Lionel Messi. Der wohl größte lebenden Fußballer sah sich unlängst erst zu einer Entschuldigung genötigt. Der Argentinier war nach einer nicht genehmigten Reise nach Saudi-Arabien von Paris Saint-Germain, seinem derzeitigen Arbeitgeber, für kurze Zeit suspendiert worden und hatte sich danach kleinlaut erklärt: "Ich habe diese Reise organisiert, die ich zuvor bereits einmal abgesagt hatte, und jetzt konnte ich sie nicht noch einmal absagen", sagte der Weltmeister, der für den Wüstenstaat als Tourismus-Botschafter agiert. Laut der spanischen "AS" erhält er allein dafür 30 Millionen Euro pro Jahr.
Bald schon aber könnten diese 30 Millionen Euro nur noch ein Taschengeld für den 35-Jähirgen sein. Sein Vertrag beim Katar-Klub PSG läuft Ende des Monats aus. Er kann ablösefrei wechseln. Neben seinem alten Arbeitgeber Barcelona und MLS-Franchise Inter Miami buhlt auch der Wüstenstaat um den König von Katar. Zu diesem krönte sich Messi erst im vergangenen Dezember mit seinen magischen Auftritten bei der Fußball-WM im Emirat. Doch der Zirkus des Weltfußballs ist weitergezogen und könnte eben nun bald Dauergast im Nachbar-Königreich werden. Saudi-Arabien, so viel ist klar, macht aktuell mit dem Fußball, was es will. Gute Nachrichten sind das nicht unbedingt.
Newcastle United als saudisches Außenministerium
Auch nicht für den europäischen Fußball. Dem erwächst hoch oben im Norden Englands nämlich ein neuer Gigant. Dort oben an der Mündung des River Tyne hat sich vor nicht einmal 18 Monaten der saudische Staatsfonds PIF eingekauft und den darbenden Traditionsklub Newcastle United übernommen. In der ersten vollen Spielzeit im Besitz des Wüstenstaats haben sich die Magpies, die Elstern, nach über zwei Jahrzehnten mal wieder für die Champions League qualifiziert. In der neuen Forbes-Liste der wertvollsten Fußballvereine der Welt steigt Newcastle auf Platz 22 ein. Innerhalb eines Jahres haben sie ihren Marktwert auf rund 750 Millionen Euro verdoppeln können.
Die manchmal in den saudischen Nationalfarben auflaufenden Magpies werden in der Champions League zwar in einem Topf mit dem deutschen Debütanten Union Berlin zu finden sein, haben sonst jedoch wenig gemein mit den Eisernen. Nur, so heißt es in der Klubhymne, dass auch die sich nicht vom Westen kaufen lassen wollen. Newcastle jedoch vom Nahen Osten. Die von Saudi-Arabien in den Sport investierten Milliarden wirken nach innen und nach außen und sorgen jetzt eben auch für Erschütterungen in der Bundesliga.
Sie wirken nach innen, weil Stars wie Ronaldo oder bald womöglich auch Messi und Benzema die junge Bevölkerung, 70 Prozent der Einwohner sind unter 35, unterhalten sollen. Sie wirken nach außen, wo sie als Soft Power neben der Hard Power, den militärischen und politischen Ressourcen, als geopolitisches Instrument eingesetzt werden. Das Sportswashing ist in der Region nicht zuletzt dank des kleinen Nachbarn Katar groß in Mode gekommen. Als Krönung soll dann auch die WM 2030 in Saudi-Arabien stattfinden. Experten bezeichnen die Chancen aktuell als realistisch. Die Welt des Sports, das zeigte das Weltturnier in Katar nachdrücklich, besteht nicht nur aus europäischen und westlichen Werten.
Sogar RB Leipzig wird reingezogen
Was diese sind und was sie für den Fußball bedeuten, wird in Deutschland gerne an RB Leipzig diskutiert. Dem Klub aus der Heldenstadt wird von den Kritikern seit der Gründung Ende der 2000er Jahre vorgeworfen, nichts weiter als ein Marketingvehikel des Brausekonzerns Red Bull zu sein. Die Leipziger sind zudem Role Model für eine neue Entwicklung im Fußball, der Multi Club Ownership. Eine Gruppe besitzt oder hält dabei Anteile an mehreren Vereinen und kann durch die Bündelung von Kompetenzen Wettbewerbsvorteile kreieren und durch verkürzte Wege auch Transfers untereinander deutlich vereinfachen.
RB Leipzig bediente sich seit der Saison 2011/2012 bereits 20-mal beim österreichischen Schwesterklub Red Bull Salzburg. Einer dieser Transfers war der des Ungarn Dominik Szoboszlai, der im Januar 2021 für 20 Millionen Euro in Richtung Sachsen wechselte. Doch nach 18 Monaten flirtet der 22-Jährige nun offensiv mit einem Abgang.
"Wenn ich jetzt einen Schritt in Richtung der besten fünf oder sechs Klubs in Europa machen kann, sollte ich dann Nein sagen? So ein Typ war ich noch nie", sagte er in einem Interview mit der ungarischen Zeitung "Index". Er wolle sich zum Karriereende in ferner Zukunft nicht selbst vorwerfen, nicht das Beste aus seiner Laufbahn gemacht zu haben. Damit handelte er sich so wenige Tage vor dem DFB-Pokalfinale von RB Leipzig gegen Eintracht Frankfurt eine Menge Ärger ein. Die Klubführung um Sport-Geschäftsführer Max Eberl bestellte ihm zum Rapport ein und brummte ihm wohl auch eine saftige Geldstrafe auf, berichtete der "Kicker".
Der vermutete Grund für all die Aufregung in Leipzig: Newcastle United soll großes Interesse an dem Ungarn haben. Die festgeschriebene Ablöse in Höhe von 70 Millionen Euro dürfte den Magpies egal sein. Denn sie haben ja Saudi-Arabien und denen gehört die Fußball-Welt.
Quelle: ntv.de