Fußball

Das große Drama des Max Eberl Will denn wirklich niemand mehr zum FC Bayern?

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Die Suche des FC Bayern geht weiter: Nach der Absage von Ralf Rangnick steht der Rekordmeister, Stand jetzt, ab Sommer ohne Trainer da. Für Sportvorstand Max Eberl, der den Klub zurück zur Dominanz führen soll, wird der Job immer herausfordernder.

Max Eberls Zeit beim FC Bayern ist bislang ein großes Drama. Am 1. März hatte er das Amt des Sportvorstands beim Rekordmeister angetreten und bekam direkt einen gewaltigen Auftrag zugeschrieben: Ein neuer Trainer muss ab Sommer her. Dann endet die Zeit von Thomas Tuchel. Entschieden worden war das wenige Tage vor Eberls Antritt. Eine unerklärliche Pleite beim VfL Bochum hatte dazu geführt, dass Klub und Coach eine längere gemeinsame Zukunft nicht mehr in Betracht zogen. Wieder einmal war ein Trainer beim Rekordmeister vorzeitig gescheitert. Wobei das Urteil über die Ära Tuchel eventuell nochmal überarbeitet werden muss, wenn er denn in der Champions League tatsächlich das Finale erreicht und womöglich gar den Henkelpott nach München holt.

Wie groß dieser Auftrag ist, den Eberl bekam, wie schwer er umzusetzen ist, das sauste ihm schnell um die Ohren. An der großen Lösung Xabi Alonso bissen sich die Münchner die Zähne aus. Der Baske ist dermaßen schockverliebt in sein Bayer 04 Leverkusen, dass er öffentlich bekannte, über die Saison hinaus zu bleiben. Bei einem ohnehin gültigen Vertrag wäre ein derartiges Vorgehen gar nicht nötig gewesen. Für den FC Bayern war das eine schmerzhafte Erfahrung, der Beginn einer schmerzhaften Reise, die einfach nicht enden will. So haben auch Julian Nagelsmann und überraschend Ralf Rangnick andere Pläne. Ihnen gefällt es in ihren Ämtern als Nationaltrainer der deutschen und österreichischen Nationalmannschaft so gut, dass sie ebenfalls bleiben, wo sie glücklich sind. Solch ein öffentlicher Absagen-Hagel war auf den Rekordmeister noch nie eingeprasselt.

Nur noch ein "Scheinriese"?

Und was bleibt dem FC Bayern? Vorerst ein großes Fragezeichen. Wer soll es denn jetzt machen? Felix Magath, der wie ein Klassenstreber mit dem Finger laut schnipst, aber bislang beharrlich ignoriert wird? Kleiner Scherz. Aber zum Lachen dürfte in München derzeit niemandem zumute sein. Denn mit der dritten Watschn binnen so kurzer Zeit hatten sie offenbar nicht gerechnet. Noch am späten Dienstagabend, nach dem ersten Königsklassen-Halbfinale gegen Real Madrid, hatten sich die Bosse weit aus dem Fenster gelehnt. Die Einigung mit Rangnick schien nur noch eine Frage der Zeit. Und auch einige Medien warfen mit der Nachricht um sich, dass der Coach seine Bereitschaft erklärt habe. Doch nun das. Die dritte prominente Absage ist ein Stachel in der Wunde des FC Bayern, der doch das Selbstverständnis hat, ein Riese im internationalen Fußball zu sein. Und wirft auch einen Schatten auf die Überzeugungskraft.

Aber womöglich passiert hier eine historische Zäsur. Womöglich werden die Münchner immer mehr zu einem "Scheinriesen". Zumindest hat der Trainerstuhl an seiner gigantischen Anziehungskraft verloren. Zu viele Top-Leute hatten in den vergangenen Jahren versucht, etwas Nachhaltiges aufzubauen. Trotz aller Titel gelang das nicht. Der letzte Coach, der länger als zwei Jahre an der Säbener Straße arbeitete, war Josep Guardiola, der schließlich freiwillig weiterzog. Über das Scheitern der Anderen werden jeweils unterschiedliche Geschichten erzählt. Mal fremdelten sie mit der Trainingsarbeit (bei Carlo Ancelotti), mal war die Kabine schuld (bei Niko Kovac und angeblich auch Julian Nagelsmann) und mal gab es einen Kader-Dissens (Tuchel und Flick). Aber in München gewinnt selten der Trainer, wenn er sich über die Transferpolitik ärgert. Die obliegt den Bossen.

Das Finale "dahoam" winkt als große Zäsur

Ob Rangnick das womöglich auch abgeschreckt hat? Er gilt als Mensch, der nicht einfach nur Coach sein möchte, sondern auch mächtig bei der Kaderzusammenstellung. Oder spielten die Worte von Uli Hoeneß doch eine große Rolle, der Rangnick vergangene Woche ganz freimütig als "dritte Wahl" bezeichnet hatte? Das ist wahrlich keine Wertschätzung. Oder die Sätze über Xabi Alonso, dem er (via Ehefrau Susi) im gleichen Zusammenhang einen starken Charakter bescheinigte, weil er bei Bayer bleibt und nicht zum FC Bayern wechselt. Ein Profi wie Hoeneß muss um die Wirkung seiner Worte gewusst haben. Offiziell ist die Sache für Rangnick so: Seine Entscheidung für einen Verbleib bei der österreichischen Nationalmannschaft sei "ausdrücklich" nicht als Absage an den FC Bayern zu verstehen, sondern als "eine Entscheidung für meine Mannschaft und unsere gemeinsamen Ziele." Zudem soll das Thema Belastung ein großes gewesen sein. Fragen aber bleiben, warum die Verantwortlichen des FC Bayern trotzdem offenbar zuletzt so ein gutes Gefühl hatten?

Für Eberl wird die Mission in München immer herausfordernder. Er soll die Mannschaft erfolgreich umbauen, mit dem ersten kleinen Schaden des Absagen-Hagels. Im kommenden Jahr findet das Finale der Champions League in München statt. Ein erneutes Endspiel "dahoam", das soll die große Bühne für den FC Bayern sein, für das Ende einer großen Mannschaft und den Anfang eines neuen, möglichst wieder dominanten und erfolgreichen Teams. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass danach die Karrieren von Thomas Müller und Manuel Neuer enden. Aber wer werden ihre Nachfolger? Ein Jamal Musiala, das ist klar, soll das Gesicht einer neuen Epoche werden. Auch der auf Rekordpfaden wandelnde Starstürmer Harry Kane soll noch eine Weile tragende Säule sein. Aber sonst scheint vieles im Unklaren. Eberl hatte, das war ein Selbstauftrag, gesagt, dass er in dieser Saison genau hinschauen will, wer den FC Bayern, wer das "Mia san mia" in sich trägt und damit Teil der Mannschaft bleiben wird.

Die Umbauarbeiten stocken

Aber die Umbauarbeiten im Kader, sie stocken so lange, bis ein neuer Coach gefunden ist. Einer, der Ideen und eine Philosophie hat. Auch daran wird ausgerichtet werden, wer kommt, wer bleibt. In München ist jedem klar, dass der Kader nicht ewig mit Harry-Kane-Transfers getunt werden kann. Die Zukunft des nationalen Dominators liegt neben Star-Einkäufen in der Verpflichtung, Entwicklung und dem gewinnbringenden Verkauf von Talenten - in der Red-Bull-Schule eben. Dieser Ansatz wäre ebenfalls eine große Veränderung, denn als Verkaufsverein ist der FC Bayern nicht bekannt. Nun muss Eberl einen Mann finden, der diesen Weg gehen kann.

Bei Borussia Mönchengladbach, wo er sich den Ruf des Spitzenfunktionärs erwarb, bewies er vor allem ein glückliches Händchen, als er den kauzigen Schweizer Lucien Favre verpflichtete, der den unglücklichen Michael Frontzeck ablöste und damit eine erfolgreiche Zeit einläutete. Danach folgte André Schubert, der furios loslegte, aber ebenso schnell abbaute und schnell verschwand. Unter Nachfolger Dieter Hecking stabilisierte sich der Klub nochmal, ehe Eberl die große Idee mit RB-Salzburg-Mann Marco Rose hatte und Hecking ohne Not gehen musste. Das führte zu großen Kontroversen. Aber zumindest vorerst zahlte sich die Entscheidung aus, Rose führte das Team in die Champions League. Noch einmal kreuzten sich die Wege der beiden, zuletzt bei RB Leipzig, wo Eberls Zeit überraschend und unschön schnell endete.

Rose würgt alle Spekulationen ab

Also nochmal, wer soll's machen? Wieder Rose? Nein, die Lage ist an diesem Donnerstagvormittag nämlich so: "Wenn Max anruft, gehe ich immer ran. Dann frage ich ihn, wie es geht, wie es aussieht am Tegernsee, wünsche ihm alles Gute und hoffe, dass wir uns bald wiedersehen." Aber nicht als Trainer in München. Wird es Favre? Er war zuletzt tatsächlich als Platzhalter ins Spiel gebracht worden, um die Zeit zu überbrücken, bis eventuell der große Bayern-Traum mit Jürgen Klopp in Erfüllung geht (ob es dazu jemals kommt, ist indes völlig offen). Oder werden die Namen von Taktik-Revoluzzer Roberto De Zerbi (Brighton Hove & Albion, er will eigentlich bleiben) und dem erfolgreichen Starflüsterer Zinedine Zidane (einst bei Real Madrid) nun wieder heiß(er) gekocht? Bei beiden Trainern galt die Sprachbarriere als großer Kontrapunkt.

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Weil die Sehnsucht nach einem deutschsprachigen Trainer groß ist, könnte auch Hansi Flick wieder in den Fokus rücken, der ja damals den böse eskalierten Machtkampf gegen Sportvorstand Hasan Salihamidzic verloren hatte, sonst aber sehr beliebt und eben erfolgreich war (Champions-League-Triumph 2020). Salihamidzic ist längst weg, ebenso wie Vorstandschef Oliver Kahn. Beide hatten einen Klub in großer Unruhe hinterlassen, bekamen von Hoeneß harte Worte hinterhergeworfen. Eberl soll das innere Gleichgewicht wiederherstellen. Und hat nun zwischen den beiden Halbfinals der Champions League gegen die unerschütterlichen Königlichen das absolut größtmögliche Theater. Eine weitere Absage kann er sich kaum leisten, ohne selbst im Amt beschädigt zu sein.

Die spektakulärste Wende in diesem Stück, vorangetrieben durch eine Online-Petition mit 18.600 Stimmen, ein Verbleib von Tuchel, hatte sich spätestens vergangene Woche, spätestens mit dem Auftritt von Hoeneß bei der Podiumsdiskussion der FAZ zerschlagen. Weil der Patriarch dem amtierenden und zuletzt vor Kraft und Freude strotzenden Trainer ohne jede Not mangelnden Willen zur Trainerentwicklung vorgeworfen hatte und im Nachgang nicht einen Millimeter von seiner Attacke abrücken wollte, weil Tuchel sich hernach tief in seiner Trainerehre verletzt fühlte, muss nun Plan D her, die vierte Wahl.

Quelle: ntv.de

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