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Klimaschutz und Gesundheit Corona ist nicht die größte Gesundheitsgefahr

Die Lebensräume der Fledermäuse werden immer kleiner.

Die Lebensräume der Fledermäuse werden immer kleiner.

(Foto: picture alliance/dpa/ZUMA Press Wire)

Mitten in einer Pandemie warnen Ärzte und Wissenschaftler vor der größten Gesundheitsgefahr des 21. Jahrhunderts. Und es ist nicht das Coronavirus. Die Folgen des Klimawandels könnten für die menschliche Gesundheit noch viel drastischer sein.

Ende Juni in Britisch-Kolumbien: An der Westküste Kanadas wird es jeden Tag heißer. Fast eine Woche lang hält sich die Temperatur bei über 40 Grad. Lytton, die Ortschaft, die später innerhalb weniger Stunden bis auf die Grundmauern niederbrannte, bricht mit 49,6 Grad den kanadischen Temperaturrekord. Innerhalb von sechs Tagen sterben 569 Menschen an Überhitzung - ein Viertel der Todesfälle, die in anderthalb Jahren Pandemie im Bundesland verzeichnet wurden.

Nicht nur in Britisch-Kolumbien rücken die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels zunehmend in den Fokus. Auch hierzulande versuchen Ärzte und Wissenschaftler, auf das Thema aufmerksam zu machen. So sagte der Arzt und Fernsehmoderator Eckart von Hirschhausen kürzlich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Ich will nicht mehr nur der lustige Arzt sein, wenn die Klimakrise die größte Gesundheitsgefahr im 21. Jahrhundert ist."

Inmitten einer Pandemie ist die größte Gesundheitsbedrohung also nicht die Ausbreitung eines tödlichen Virus, an dem inzwischen fünf Millionen Menschen weltweit gestorben sind, sondern der Klimawandel. Und das sagt nicht nur von Hirschhausen: Der Weltklimarat (IPCC) schreibt in seinem jüngsten Bericht: "Jeder Anstieg der globalen Temperatur wird sich voraussichtlich auf die menschliche Gesundheit auswirken, und zwar in erster Linie negativ." Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht von 250.000 jährlichen klimabedingten Todesfällen zwischen 2030 und 2050 aus. Die Hauptursachen: Unterernährung, Malaria, Durchfallerkrankungen und Hitzestress.

Die Hitzewellen

Die globale Erwärmung liegt derzeit bei 1,2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Der Weltklimarat IPCC schätzt, dass bei einer Erderwärmung von 1,5 Grad bis zum Jahr 2050 weltweit mehr als 350 Millionen Menschen - mehr als das Vierfache der Bevölkerung Deutschlands - tödlichem Hitzestress ausgesetzt sein werden. Höhere Temperaturen führen häufiger zu Hitzschlag, Herzinfarkt, aber auch zu akutem Nierenversagen aufgrund von Flüssigkeitsmangel.

Obwohl in Deutschland in diesem Sommer keine Hitzerekorde gebrochen wurden, können steigende Temperaturen auch hierzulande zu Problemen führen: "Immer häufiger kommt es auch in Deutschland zu Hitzewellen, die vor allem für ältere Menschen oder solche mit Vorerkrankungen tödlich verlaufen können", sagte Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, beim diesjährigen Deutschen Ärztetag.

Mit der Hitze kommen auch immer mehr Waldbrände. Wie in diesem Jahr in Griechenland, der Türkei und Italien führen lange Hitzewellen zu Großbränden - und zu viel Rauch. Nicht gerade förderlich für die Lunge, und schon gar nicht für junge, sich noch entwickelnde Lungen. In Kalifornien spüren Ärzte bereits die Auswirkungen der Waldbrände: "Kleine Kinder werden wegen der schlechten Luftqualität immer häufiger mit Asthma in die Notaufnahme und ins Krankenhaus eingeliefert", berichtet Dr. Mickey Sachdeva, Lungenarzt in Kalifornien, gegenüber dem amerikanischen Rundfunksender NPR. "Wir beobachten mehr Hitzeerschöpfung und hitzebedingte Krankheiten. Mit dem Klimawandel wird die Zahl dieser Fälle weiter ansteigen."

Die Mücken

Beim Klimagipfel in Glasgow sind die Gesundheitsgefahren genauso Thema wie wirksame Maßnahmen gegen eine weitere Erderwärmung. So soll beispielsweise der Aufbau klimaresistenter Gesundheitssysteme untersucht werden. Auch Anpassungsmöglichkeiten zum Schutz der Gesundheit vor den Auswirkungen des Klimawandels sollen thematisiert werden. Die Notwendigkeit dafür bestätigt auch der Lancet-Countdown-Bericht, der die Ergebnisse von 38 führenden akademischen Einrichtungen zum Thema Klima und Gesundheit zusammenfasst. Demnach erhöht der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit, dass sich verschiedene Krankheiten weiter ausbreiten.

Eine davon ist zum Beispiel Malaria: eine durch Mücken übertragene tropische Parasitenkrankheit, an der weltweit jetzt schon etwa eine Million Menschen pro Jahr sterben. Doch diese Zahl könnte drastisch ansteigen. Denn der perfekte Brutplatz für Mücken - feucht und warm - wird mit jedem Grad Erwärmung leichter zu finden sein. Mehr Stechmücken führen allerdings nicht nur zu einer schnelleren und breiteren Verbreitung von Malaria. Tödliche Viren wie das Denguefieber, das Zika-Virus und das West-Nil-Virus werden ebenfalls von Mücken auf den Menschen übertragen.

In Europa tragen Stechmücken zwar weniger zur Krankheitsübertragung bei, Insekten wie Zecken können sich jedoch mit jedem Grad Erwärmung auch in Gebieten ansiedeln, wo sie bisher nicht vorkamen. Borreliose und andere durch Zecken übertragene Krankheiten werden sich schneller und weiter verbreiten und mehr Menschen infizieren. Auch Bakterien, die Wundinfektionen verursachen, können bei höheren Temperaturen häufiger auftreten. Nehmen diese Krankheiten und Infektionen zu, droht dem Gesundheitssystem in Deutschland der Kollaps. "Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden wir mit keinem Medikament, keiner Operation, keinem Geld der Welt die gesundheitlichen Schäden wieder einfangen können, die wir verursachen", sagt von Hirschhausen dazu.

Der Klimawandel und Corona

Doch der Klimawandel könnte bereits zu einer Überlastung der Krankenhäuser geführt haben. Denn in diesen Tagen füllen sich die Intensivstationen wieder, geplante Operationen müssen wahrscheinlich bald wieder verschoben werden - und das alles wegen eines Virus', das sich ohne den Klimawandel möglicherweise nie so gut hätte ausbreiten können.

Der genaue Ursprung des Corona-Virus ist zwar noch nicht zu 100 Prozent bestätigt, viele Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gehen jedoch davon aus, dass Sars-Cov-2 von einer Fledermaus übertragen wurde. Zwar kann nicht jedes Corona-Virus auf Menschen übertragen werden. Doch, erhöht sich die Anzahl an Fledermäuse in einer bestimmten Region, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein auf Menschen übertragbarer Virus dabei ist.

Einer Studie zufolge ist genau das in der chinesischen Provinz Yunnan passiert - der Region, in der genetische Daten darauf hindeuten, dass Sars-Cov-2 möglicherweise seinen Ursprung hat. Demnach sind in den letzten 100 Jahren 40 Fledermausarten in die südchinesische Provinz Yunnan eingewandert, die etwa 100 weitere Arten des Coronavirus beherbergen. Der Grund für diese Migration sind steigende Temperaturen, Abholzung und schlechte Luftqualität, die die natürlichen Lebensräume der Fledermäuse schrumpfen lassen.

"Als der Klimawandel die Lebensräume veränderte, verließen Arten einige Gebiete und zogen in andere - und nahmen ihre Viren mit", sagte Robert Beyer, Autor der Studie, der amerikanischen Zeitung Forbes. "Dadurch veränderten sich nicht nur die Regionen, in denen Viren vorkommen, sondern es kam wahrscheinlich auch zu neuen Wechselwirkungen zwischen Tieren und Viren, die dazu führten, dass schädlichere Viren übertragen wurden oder sich weiterentwickelten."

Hätte es die Corona-Pandemie ohne den Klimawandel gegeben? Schwer zu sagen. Klar ist nur, dass sich der Klimawandel zunehmend auf die Gesundheit auswirkt. In vielen Fällen lässt sich der Zusammenhang mit der zunehmenden Erderwärmung wahrscheinlich nicht direkt nachweisen: Zum Beispiel bei bestimmten Atemwegserkrankungen oder der Sterblichkeit von Frühgeborenen. Aber selbst bei den Folgen, die direkt mit dem Klimawandel zusammenhängen, steigt die Zahl der Todesfälle. Laut einer neuen Studie hätte es 37 Prozent der Hitzetoten der letzten drei Jahrzehnte ohne den Klimawandel nicht gegeben. In Deutschland starben 2018 rund 20.000 Menschen an den Folgen von Hitzestress. Und es werden jedes Jahr mehr. Ob die Zahl der klimabedingten Todesfälle tatsächlich auf die von der WHO prognostizierten 250.000 pro Jahr weltweit ansteigt, hängt jetzt davon ab, wie die Länder auf den Klimawandel reagieren.

Quelle: ntv.de

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