Astrophysiker nicht nur erfreut Einsteins Relativitätstheorie besteht Pulsar-Test
14.12.2021, 17:30 Uhr
Die sieben zur Pulsar-Beobachtung eingesetzten Radioteleskope im Uhrzeigersinn von o.l.: Effelsberg (Deutschland), Nançay (NRT, Frankreich), Westerbork Synthesis (WSRT, Niederlande), Parkes (Australien), Jodrell Bank (Großbritannien), Very Long Baseline Array (VLBA, USA), Green Bank (GBT, USA).
(Foto: Norbert Junkes/MPIfR (Effelsberg), Letourneur und Nançay Observatory (NRT), ASTRON (WSRT), ATNF/CSIRO (Parkes), Anthony Holloway (Jodrell Bank), NRAO/AUI/NSF (VLBA), NSF/AUI/Green Bank Observatory (GBT).)
Vor mehr als 100 Jahren bereits wurde die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein veröffentlicht - noch heute hält sie aufwendigen Tests stand. Der Erfolg der neuesten Überprüfung an Pulsaren ist für Astrophysiker aber nicht nur erfreulich - eine Abweichung wäre für sie spannender.
Die Allgemeine Relativitätstheorie Albert Einsteins hält weiterhin allen Tests stand. Ein internationales Forscherteam hat anhand eines extremen Doppelsternsystems - zwei schnell rotierende Neutronensterne, die sich auf einer engen Bahn umkreisen - gleich sieben von der Relativitätstheorie vorhergesagte Phänomene überprüft, einige davon zum ersten Mal. Einsteins Theorie stimme mit einer Genauigkeit von 99,99 Prozent mit den Beobachtungen überein, so die Wissenschaftler im Fachblatt "Physical Review X".

Computergrafik des Doppelpulsar-Systems PSR J0737-3039 A/B, in dem zwei aktive Pulsare einander in nur 147 Minuten umkreisen.
(Foto: Michael Kramer/MPIfR)
"Wir haben ein System mit zwei Sternen von extrem hoher Dichte untersucht, das ein einzigartiges Labor darstellt, um Gravitationstheorien in der Anwesenheit sehr starker Gravitationsfelder zu testen", erklärt Michael Kramer vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, der das Team leitet. Bereits 2003 hatten Mitglieder des Forscherteams das bislang einzigartige System aus zwei Radiopulsaren entdeckt. Insgesamt 16 Jahre lang haben die Astronomen mit sieben Radioteleskopen die Strahlung der Pulsare mit hoher Genauigkeit beobachtet, um die Relativitätstheorie zu überprüfen.
Pulsare - Überreste explodierter Sterne
Pulsare sind Neutronensterne, Überreste explodierter Sterne, in denen die Materie so dicht gepackt ist wie in Atomkernen. Bei einer Größe von nur 24 Kilometern enthalten sie etwa so viel Masse wie unsere Sonne. Viele Neutronensterne rotieren mit hoher Geschwindigkeit und besitzen ein starkes Magnetfeld. Entlang der Nord-Süd-Achse des Magnetfelds sendet ein solcher Neutronenstern stark gebündelt Licht und Radiostrahlung aus. Da die Achse des Magnetfelds gegen die Rotationsachse gekippt ist, streicht dieser gebündelte Strahl ähnlich dem Kegel eines Leuchtturms durchs All. Trifft dieser Kegel bei seiner Rotation auf die Erde, so empfangen die Astronomen von dem Neutronenstern regelmäßig eintreffende Strahlungspulse - daher der Name dieser Himmelsobjekte.
Das von Kramer und seinen Kollegen untersuchte System PSR J0737-3039 ist 2400 Lichtjahre von der Erde entfernt und besteht aus zwei Pulsaren, die sich in nur 147 Minuten im Abstand von weniger als einer Million Kilometern umkreisen. Zum Vergleich: Die Erde ist 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. Einer der Pulsare dreht sich sehr schnell, etwa 44-mal pro Sekunde, während sein jüngerer Begleiter 2,8 Sekunden für eine Umdrehung braucht. Die von den beiden Objekten ausgehende Radiostrahlung bietet eine bislang einzigartige Möglichkeit, relativistische Effekte bei schnellen Bewegungen und starker Schwerkraft zu untersuchen.
So konnten die Forscher aus langsamen Veränderungen der auf der Erde eintreffenden Strahlungspulse den Energieverlust durch die Abstrahlung von Gravitationswellen messen. Ebenso konnten sie die Verlangsamung der Zeit im Schwerefeld der Pulsare bestimmen und die Ablenkung von Licht durch die Gravitation beobachten - Letzteres erstmalig im Bereich starker Gravitation, wie die Wissenschaftler betonen.
Erstes Experiment "bei einer so starken Raumzeitkrümmung"

Illustration der Messung der Shapiro-Verzögerung im Doppelpulsar-System.
(Foto: Michael Kramer/MPIfR/dpa)
"Wir sehen zum ersten Mal, dass das Licht nicht nur aufgrund einer starken Krümmung der Raumzeit um den Begleiter verzögert wird", so Ingrid Stairs von der University of British Columbia in Vancouver, "sondern dass das Licht auch um einen kleinen Winkel von 0,04 Grad abgelenkt wird, den wir nachweisen können. Nie zuvor wurde ein solches Experiment bei einer so starken Raumzeitkrümmung durchgeführt."
Nachweisen konnte das Team auch die sogenannte Periheldrehung, eine langsame Drehung der Bahnellipsen. Dieses Phänomen ist in unserem Sonnensystem bereits von der Bahn des Planeten Merkur her bekannt - und seine Erklärung war eine der ersten großen Erfolge der Relativitätstheorie. Im Falle des Doppelpulsars konnten Kramer und seine Kollegen sogar noch einen Schritt weiter gehen: Da sich die Pulsare schnell drehen, "ziehen" sie die Raumzeit in ihrer Umgebung gewissermaßen mit sich. Auch diesen Lense-Thirring-Effekt konnten die Forscher anhand der Drehung der Ellipsenbahnen nachweisen.
Suche nach einer "Theorie von allem"
Den neuerlichen Erfolg der inzwischen über 100 Jahre alten Allgemeinen Relativitätstheorie von Einstein sehen die Astrophysiker mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Weitaus spannender nämlich wäre es für die Wissenschaftler, eine Abweichung von den theoretischen Vorhersagen zu finden - denn eine solche könnte ein Fenster zu "neuer Physik" aufstoßen.
Das heutige physikalische Weltbild ruht auf zwei Pfeilern - der Quantenmechanik und der Relativitätstheorie. Doch die beiden Theorien passen nicht recht zusammen - deshalb suchen die Forscher nach einer übergeordneten "Theorie von allem". Der Doppelpulsar PSR J0737-3039 jedoch lieferte aber bisher keinerlei Hinweis auf damit verbundene neue Phänomene.
Quelle: ntv.de, Rainer Kayser, dpa