Schwere des Covid-19-Verlaufs Forscher enttarnen Risiko-Genmutation
16.11.2021, 17:33 Uhr
Die Immunantwort in den Atemwegen ist durch die Genmutation zu schwach.
(Foto: imago images/Westend61)
Schon früh fallen Risikogruppen für schwere Covid-19-Verläufe auf, beispielsweise Menschen mit asiatischen Wurzeln. Auch die dazugehörige Genvariante ist schnell klar. Nun gelingt es britischen Forschern, den Mechanismus dahinter zu entschlüsseln.
Warum erkranken manche Menschen sehr schwer an Covid-19, während andere bei einer Corona-Infektion äußerst glimpflich davonkommen? Dieser Frage sind britische Forscher nachgegangen und haben dabei eine Genmutation in den Blick genommen.
2020 war entdeckt worden, dass Menschen asiatischer Herkunft ein erhöhtes Covid-19-Risiko haben. In zwei Studien wurde gezeigt, dass eine Genvariante auf dem Chromosom 3p21.31 das Risiko auf einen schweren Verlauf von Covid-19 in etwa verdoppelt. Die Variante liegt bei etwa 60 Prozent aller Menschen aus Südasien vor, bei Europäern nur zu 15 Prozent und Menschen aus Afrika oder der Karibik nur zu 2 Prozent.
Die Forscher um James Davies und Jim Hughes von der Universität Oxford entdeckten nun, dass sich die Variante im Gen LZTFL1 befindet, das in den Epithelzellen der Atemwege gebildet wird. Ihre Studie wurde im Fachblatt Nature Genetics veröffentlicht. Die Variante könnte eine unspezifische Abwehrreaktion der Zellen gegen Viren schwächen. Für ihre Forschung trainierte das Team einen Algorithmus künstlicher Intelligenz, um riesige Mengen genetischer Daten von Hunderten von Zelltypen aus allen Teilen des Körpers zu analysieren.
Atemwegsreaktion entscheidend
Der Co-Leiter der Studie, Jim Hughes, Professor für Genregulation, sagte laut einer Mitteilung der Universität: "Wir fanden heraus, dass das erhöhte Risiko nicht auf einen Unterschied in der Gencodierung eines Proteins zurückzuführen ist, sondern auf einen Unterschied in der DNA, die einen Schalter zum Einschalten eines Gens bedient. Es ist viel schwieriger, das Gen zu erkennen, das von dieser Art von indirektem Schalteffekt betroffen ist."
Die Forscher fanden heraus, dass die risikoreichere Version des Gens wahrscheinlich verhindert, dass die Zellen, die die Atemwege und die Lunge auskleiden, richtig auf das Virus reagieren. Vor allem aber beeinflusst das Gen nicht die klassische Immunabwehr gegen Sars-CoV-2 mit Antikörpern und T-Zellen. Daher erwarten die Forscher, dass Menschen, die diese Version des Gens tragen, normal auf Impfstoffe reagieren.
Die Entdeckung könnte zur Entwicklung einer neuen Behandlung genutzt werden. Man könnte beispielsweise versuchen, das Gen medikamentös "auszuknipsen". Dazu liegen aber noch nicht genug Studien vor. Der Co-Leiter der Studie, James Davies, der während der Pandemie als NHS-Berater in der Intensivmedizin arbeitete, sagte: "Der genetische Faktor, den wir gefunden haben, erklärt, warum manche Menschen sehr schwer nach einer Coronavirus-Infektion erkranken. Es zeigt, dass die Art und Weise, wie die Lunge auf die Infektion reagiert, entscheidend ist. Dies ist wichtig, da sich die meisten Behandlungen darauf konzentriert haben, die Art und Weise zu ändern, wie das Immunsystem auf das Virus reagiert."
Quelle: ntv.de, sba