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Fragen an Shakespeare KI lässt einen mit Verstorbenen "sprechen"

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"Habe alle meine Werke selbst verfasst", betont der Chatbot, der Shakespeare imitiert. Sagt er die Wahrheit?

(Foto: IMAGO/Heritage Images)

Der Hype um die verblüffend echt klingende Sprach-KI hinter ChatGPT wirft ein Schlaglicht auf ähnliche Anwendungen, die zuletzt aus dem Boden sprießen. Eine davon ermöglicht es, mit verstorbenen Persönlichkeiten zu reden. Natürlich alles nicht echt. Was bezwecken die Macher damit?

Für mächtig Wirbel sorgt derzeit die Künstliche Intelligenz (KI) hinter ChatGPT - diesem wundersam menschlich klingenden, gleichzeitig scheinbar allwissenden digitalen Gesprächspartner. Auch wenn dieser bei genauerem Hinsehen immer wieder auch einen Haufen Unsinn erzählt. Mit Faszination - und vielleicht ein bisschen Furcht - richtet sich der Fokus vieler nun auf weitere Anwendungsmöglichkeiten von Sprach-KI. Eine davon: Simulierte Gespräche mit Verstorbenen zu führen.

Diese Möglichkeit bietet etwa die Plattform Character.AI. Im Chat kann man sich mit Doubles von Albert Einstein oder Sigmund Freud unterhalten - und William Shakespeare fragen, ob er wirklich all seine Werke selbst verfasst hat: "Manche Leute denken, dass ich einen Ghostwriter habe, weil sie meinen, meine Werke seien zu großartig für jemanden wie mich", antwortet der Shakespeare-Bot. Aber: "Sie irren sich! Ich habe all diese Werke geschrieben!" Der Wahrheit bringt einen das natürlich nicht wirklich näher.

"Nicht vergessen: Alles, was die Charaktere sagen, ist erfunden!", prangt in roter Schrift mahnend in jedem Chat-Fenster von Character.AI. Denn die Versuchung ist da, sich der Illusion hinzugeben, dass man es mit einem echten Menschen - oder dessen aus dem Jenseits sprechendem Geist - zu tun hat. Auch mit noch lebenden Prominenten-Doubles kann gechattet werden, etwa mit Billie Eilish oder Joe Biden. Von Elon Musk gibt es gleich mehrere Versionen. Benutzer können auch ihre eigenen Chatbots erstellen.

Google-Techniker auf eigene Faust

Character.AI wurde von Daniel De Freitas und Noam Shazeer gegründet, zwei ehemalige Google-Mitarbeiter. Sie waren an der Entwicklung des Google-Projekts LaMDA (Language Model for Dialogue Applications, Deutsch: Sprach-Muster für angewandten Dialog) beteiligt. Dabei handelt es sich ebenfalls um einen Chatbot, der wie ChatGPT in der Lage ist, sich mit Nutzern versiert über alle möglichen Themen zu unterhalten.

Von Google selbst wurde LaMDA als "Durchbruch" bezeichnet. Vergangenen Sommer sorgte ein Google-Techniker für Schlagzeilen, weil er behauptete, dass LaMDA ein Bewusstsein entwickelt hätte. Er wurde daraufhin entlassen. Im Gegenzug zu ChatGPT ist LaMDA derzeit allerdings noch nicht der breiten Öffentlichkeit zugänglich - man kann sich jedoch auf eine Warteliste setzen lassen, um Zugang zu erhalten.

Die Macher von Character.AI, De Freitas und Shazeer, wollen jedoch gerade das: Die Technologie so vielen Menschen wie möglich zugänglich machen, sagten sie der "Washington Post". "Ich dachte: 'Lasst uns jetzt ein Produkt bauen, das Millionen und Milliarden von Menschen helfen kann'", so Shazeer. "Besonders im Zeitalter von Covid gibt es einfach Millionen von Menschen, die sich isoliert oder einsam fühlen oder jemanden zum Reden brauchen."

Was steckt hinter der faszinierenden Technologie? Sowohl ChatGPT, LaMDA als auch Character.AI basieren auf Large Language Models (Deutsch: große Sprachmodelle) oder kurz LLMs. Es handelt sich um gewaltige neuronale Netze, die an gewaltigen Mengen von Text trainiert wurden - Milliarden von Seiten in verschiedenen Sprachen. Die Aufgabe der neuronalen Netze: Das nächste Wort oder den nächsten Satz vorherzusagen. "Als Ergebnis sind diese Netze empfindlich für kontextuelle Beziehungen zwischen den Elementen dieser Sprache", sagte KI-Experte Adi Andrei dem Magazin "Forbes".

Älteren Modellen überlegen

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Ein Beispiel: "Ich saß auf einer Bank aus Schnee und wartete auf sie." Früher wären Computer an diesem Satz verzweifelt, so Andrei. Denn sie konnten lange nicht unterscheiden, ob mit "Bank" eine Sitzgelegenheit oder ein Geldinstitut gemeint war. Ältere Modelle hätten maximal in zwei Dritteln der Fälle richtig gelegen - LLMs jedoch kämen mittlerweile auf 85 bis 90 Prozent, so Andrei. Und das innerhalb von Millisekunden.

Experten gehen davon aus, dass LLMs in Zukunft noch besser und überzeugender werden. Während derzeit in sozialen Medien gerne noch die Mängel von ChatGPT zur Schau gestellt werden - etwa seine Unfähigkeit, in bestimmten Fällen Matheaufgaben korrekt zu lösen - könnte dies bald abnehmen. Die Macher hinter Character.AI jedenfalls hoffen, dass die nicht ganz so ernst zu nehmenden Gespräche mit verstorbenen und lebenden Prominenten den Nutzern "Freude, Geselligkeit und Bildung" vermitteln. Doch auch der Hinweis: "Alles nur erfunden", wird in Zukunft womöglich wichtiger denn je.

Quelle: ntv.de

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