Waffe gegen Coronavirus gesucht "Keine Garantien" für Erfolg von Impfstoff
01.05.2020, 18:45 Uhr
Weltweit wird derzeit mit Hochdruck nach einem wirksamen Impfstoff gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 gesucht.
(Foto: imago images/localpic)
Die Hoffnung auf ein Ende der Coronavirus-Pandemie ruht auf der Entwicklung eines Impfstoffs. Auch die Medizinerin und Infektiologin Marylyn Addo ist daran beteiligt. Sie war bereits bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Ebola-Virus und das Mers-Virus maßgeblich beteiligt. Im Interview mit ntv.de spricht sie über die Erfolgschancen für einen Impfstoff gegen Sars-CoV-2 - und wann eine wirksame Impfung endlich einsatzbereit sein könnte.
ntv.de: Frau Addo, immer wieder betonen Experten, dass die Coronavirus-Pandemie nur dann wirklich endet, wenn es einen Impfstoff gegen Sars-CoV-2 gibt. Sie sind an der Entwicklung eines solchen Impfstoffs beteiligt, also mittendrin im Geschehen. Verraten Sie uns: Wird die Forschung Erfolg haben? Oder könnte die Menschheit am Ende auch ohne Impfstoff dastehen?
Marylyn Addo: Es gibt keine Garantien in der biomedizinischen Forschung. Insofern kann niemand mit Sicherheit sagen, dass wir einen wirksamen Impfstoff finden werden. Allerdings haben mehrere Forschergruppen bereits Impfstoffe gegen andere Coronaviren entwickelt, etwa gegen das Mers-Coronavirus, das 2012 entdeckt wurde. Diese Impfstoffe haben in Tierversuchen Wirksamkeit gezeigt und sind mittlerweile in der klinischen Prüfung. Und sie haben bereits gezeigt, dass sie sicher sind und Antikörper generieren können.

Professor Dr. Marylyn Addo ist Leiterin der Infektiologie am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE).
(Foto: picture alliance/dpa)
Das macht also Hoffnung, dass es bei einem Sars-CoV-2-Impfstoff auch so sein könnte?
Es besteht zumindest eine hohe Wahrscheinlichkeit. Im Fall von Mers und auch von Sars, wogegen ebenfalls Impfstoffe entwickelt wurden, konnte man jedoch nicht den ultimativen Test machen, ob der Impfstoff auch schützt. Denn Sars ist verschwunden. Und bei Mers gab es bisher zu wenig Infektionsfälle, an denen die Impfstoffe auf Wirksamkeit getestet werden konnten.
Nehmen wir mal an, es wird tatsächlich kein Impfstoff gefunden, der vollständig vor einer Ansteckung mit Sars-CoV-2 schützt - gibt es auch noch Alternativen? Etwa eine Impfung, die zumindest vor einem schweren Verlauf von Covid-19 bewahrt?
Da ist alles möglich. Es könnte einen Impfstoff geben, der wie ein Masernimpfstoff die Menschen mit hoher Wirksamkeit immun macht gegen eine Ansteckung. Das wäre das Best-Case-Szenario. Aber es könnte auch sein, dass durch die Impfung nur der Verlauf der Krankheit abgemildert wird. Dass man also angesteckt wird, aber einen milderen Krankheitsverlauf hat. Das Worst-Case-Szenario jedoch wäre, dass man keinen wirksamen Impfstoff findet oder dass ein Impfstoff nicht sicher ist. Das sind alles Szenarien, die möglich sind.
Bei Covid-19 besteht ja die Sorge, dass nach einer überstandenen Erkrankung möglicherweise nicht lange ein Immunschutz besteht, was ja auch Einfluss auf den Erfolg einer Impfung hätte ...
Im Fall von Mers und Sars wissen wir, dass Antikörper bis zu zwei, drei Jahren im Körper vorhanden sind. Im Fall von Sars-CoV-2 muss das jedoch noch untersucht werden. Bei den Erkältungs-Coronaviren, die wir in Deutschland auch haben, hat sich allerdings gezeigt, dass die Immunität tatsächlich oft nicht so lange anhält. Deswegen bekommen wir ja auch immer wieder Erkältungen. Aber wahrscheinlich haben wir dann eine Art partielle Immunität und erkranken beim nächsten Mal nicht mehr so schlimm.
Wie groß ist die Gefahr, dass ein Impfstoff entwickelt wird, aber das Coronavirus bis dahin so stark mutiert, dass dieser Impfstoff nicht mehr wirkt?
Man kann an Sars-CoV-2 tatsächlich kleine Mutationen beobachten. Wenn wir hier in Hamburg die Viren sequenzieren, kann man anhand der Mutationen sogar sehen, wo die Viren herkommen, also etwa aus dem Iran oder von woanders her. Mutationen gibt es also, aber man geht derzeit davon aus, dass diese nicht, wie bei der Grippe, einen Einfluss auf die Impfstoffentwicklung haben werden.
Eine weitere Gefahr ist, dass durch die Impfung gebildete Antikörper die Erkrankung verstärken. Wie kann das bei einem künftigen Impfstoff ausgeschlossen werden?
Dieses Phänomen nennt sich Antibody-Dependent Enhancement. Und es gibt noch eine zweite mögliche Nebenwirkung durch Impfstoffe, das ist die Enhanced Respiratory Disease. Das sind die zwei Szenarien, die man bei den klinischen Studien sehr genau beobachten wird. Denn das wirkliche Worst-Case-Szenario wäre, wenn ein Impfstoff etwas verschlimmert. Bisher geht man aber davon aus, dass das Risiko gering ist. Aber man will so sicher wie möglich sein, daher werden alle Studien, die jetzt durchgeführt werden, dieses Thema adressieren.
Wenn Sie optimistisch sind - wann glauben Sie, könnte es einen Impfstoff gegen Covid-19 geben?
Es sind ja mittlerweile über 70 Impfstoffe in der Entwicklung. Es gibt welche, die schneller herzustellen sind, wie RNA- und DNA-Impfstoffe. Bereits im März sind ja die ersten RNA-Impfstoffe in den USA an Probanden getestet worden. Und das sind auch jene, die in der klinischen Entwicklung am schnellsten voranschreiten werden. Ich gehe davon aus, dass die RNA-Impfstoffe, die in den USA bereits getestet wurden, in der zweiten Jahreshälfte auch schon in Wirksamkeitsstudien gehen können. Und wenn alles gut geht, könnten sie Anfang 2021 eine Notfall-Zulassung bekommen.
Sie sind ja ebenfalls an der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Sars-CoV-2 beteiligt. Dieser beruht auf der gleichen Basis wie der ebenfalls von ihnen mitentwickelte Mers-Impfstoff. Wann werden Sie mit ersten Tests an Menschen starten können?
Momentan planen wir, im September mit Studien zu beginnen. Der Impfstoff ist bereits hergestellt. Derzeit wird er vermehrt und so aufbereitet, dass er auch Menschen verabreicht werden kann.
Wann könnte er im besten Fall eingesetzt werden?
Ich lege mich da so ungern fest, da hier viele Faktoren eine Rolle spielen. Aber ich würde sagen, der früheste Zeitpunkt wäre die zweite Jahreshälfte 2021.
Mit Marylyn Addo sprach Kai Stoppel
Quelle: ntv.de