Tiere im Methan-Abgastest Kühe fressen Kräuter für das Klima
01.09.2019, 15:04 Uhr
Kuh auf einer Weide des Versuchsgutes Lindhof mit einem Messgerät auf dem Rücken.
(Foto: Carsten Rehder/dpa)
Viel ist derzeit von CO2-Ausstoß die Rede - aber die Erwärmungswirkung von Methan ist noch viel stärker. Kühe produzieren beim Verdauen große Mengen des klimaschädlichen Treibhausgases. Eine bestimmte Ernährung kann das ändern - wie sehr, prüft ein "Abgastest für Kühe".
Ein wenig erinnert das blaue Kabel an den Kühen an die Luftdruckschläuche an Baustellen, der Schlauch auf dem Nasenrücken an Atemtechnik. Sensoren analysieren die Rülpser der Wiederkäuer auf einer Weide in Schleswig-Holstein. "Das ist ein Abgastest für Kühe", sagt Projektkoordinator Carsten Malisch von der Kieler Christian-Albrechts-Universität. Der Versuch im Norden läuft unter realen Bedingungen ab.
Die Forscher untersuchen auf dem Versuchsgut Lindhof, wie stark man den Ausstoß des klimaschädlichen Gases Methan durch Kühe mithilfe von Kräutern senken kann. Fast in Sichtweite der Ostsee grasen dort elf Jersey-Rinder auf einer Weide mit sieben verschiedenen Kräutern: Gelber Hornschotenklee, Spitzwegerich, Rotklee, Wiesenkümmel, Wiesenknopf, Weißklee und Zichorie. "Das schmeckt ihnen", sagt Malisch. Die elf Tiere der Kontrollgruppe futtern sich auf normalem Weideland satt.
"20 Prozent der Erwärmung geht auf Methan zurück"
Die Erderwärmung wird durch Kohlendioxid und andere Gase wie Methan beschleunigt, weil diese wie ein Treibhaus wirken: Die Wärme der Sonne wird durchgelassen, die von der Erde abstrahlende Wärme jedoch nicht. Ein Problem ist das, weil durch den globalen Anstieg der Temperaturen die Eismassen schmelzen und die Meere sich aufheizen. Das hat Folgen: Die Meeresspiegel steigen, Wetterextreme wie Dürren, Sturmkatastrophen und Starkregen nehmen zu, manche Küstenregionen werden unbewohnbar, es kommt häufiger zu Waldbränden, Überschwemmungen, Hungersnöten.
Kühe sind wegen ihres Methan-Ausstoßes in Verruf gekommen. Sie erzeugen das klimaschädliche Gas beim Verdauen. Die Erwärmungswirkung von Methan ist wesentlich stärker als die von Kohlendioxid. "Methan hat vielfältige Quellen", sagt der Klimaforscher Mojib Latif vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. "Etwa 20 Prozent der von Menschen verursachten Erderwärmung geht auf Methan zurück."
Projektleiter Malisch gibt den Anteil von Methan am Treibhauseffekt der Landwirtschaft hierzulande mit 40 Prozent an. "Und die Landwirtschaft wiederum macht 7,3 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen aus." Die Kieler Forscher wollen gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern in Europa die Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft senken.
Rund 280 Gramm Methan setze eine Kuh in Weidehaltung täglich frei, sagt Malisch. Nur ein kleiner Teil entweiche über das Pupsen. "96 Prozent des Gases werden über das Rülpsen ausgestoßen." Deshalb sind an den Testkühen nur Sensoren auf dem Nasenrücken angebracht. Durchflussregulatoren sorgen dafür, dass die Abgase der Kühe in Unterdruckflaschen landen, die mit einem Gürtel am Körper der Tiere befestigt sind. Vier Tage lang sind sie damit auf der Weide. Probleme bereitet ihnen das offenbar nicht. "Sie versuchen nicht, die Technik loszuwerden", sagt Versuchsgut-Leiterin Sabine Mues. Die Tiere verhielten sich damit auf der Weide nicht anders als sonst auch.
20 Prozent weniger Methan pro Liter Milch durch Kräuterkost

Forscher der Uni Kiel wollen den Methan-Produktion durch einen Kräutmix reduzieren. Dafür binden sie den Tieren Gürtel um - die diese nicht groß zu stören scheint.
(Foto: Carsten Rehder/dpa)
Erste Ergebnisse der Studie auf dem Versuchsgut stimmen die Forscher positiv. "Die Kräuterkost kann für bis zu 20 Prozent weniger Methan pro Liter Milch sorgen", sagt Malisch. Die Kräuter verlangsamten die Verdauung der Wiederkäuer. Die Methan-Produktion im Pansen der Tiere werde gebremst. Das sei genau wie bei der Konstruktion einer Rakete. "Wenn man zu schnell zündet, macht es einfach nur puff." Die Methan-Produktion der Kühe dürfe aber nicht zu stark gesenkt werden. "Sonst kriegt die Kuh nicht mehr genügend Energie, um ihre Milch zu produzieren."
Etwa drei Jahre ihres durchschnittlich fünfjährigen Lebens gebe eine Kuh Milch, sagt Versuchsleiter Ralf Loges. Noch bis Ende kommenden Jahres läuft das Projekt mit dem Abgastest in Schleswig-Holstein. Auch für ihn steht aber bereits fest: "Auf null bekommt man das Ganze nicht runter."
Quelle: ntv.de, André Klohn, dpa