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Wie ein Löwe nach dem anderenModerner Lebensstil löst chronischen Stress aus

27.11.2025, 15:15 Uhr
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Die Stressfaktoren der modernen Welt sind wie ein fortwährender Kampf gegen Löwen. (Foto: KI-Illustration/Stoppel/GPT-4o)

Die Menschheit wird in ihrer Entwicklung von technologischen und ökologischen Veränderungen überholt. Das führt bei vielen zu anhaltendem Stress, findet ein Forscher-Duo heraus und liefert einen eindeutigen Tipp dazu.

Chronischer Stress ist weltweit verbreitet und nimmt weiter zu. Es gibt Hinweise darauf, dass dieser durch eine Diskrepanz zwischen einem modernen Lebensstil und der menschlichen Biologie entsteht, sagen die Evolutionsanthropologen Colin Shaw von der Universität Zürich, Schweiz, und Daniel Longman von der Loughborough University, Großbritannien. Die Erkenntnisse des Forscher-Duos wurden im Fachmagazin "Biological Reviews" veröffentlicht.

"In unserem Urzustand waren wir bestens an akuten Stress angepasst, um Raubtieren zu entkommen oder uns ihnen zu stellen", wird Shaw in einer Mitteilung der Universität zitiert. "Der Löwe tauchte gelegentlich auf und man musste bereit sein, sich zu verteidigen oder zu fliehen." Entscheidend sei jedoch, dass der Löwe aber auch wieder verschwand. Eine solche extreme Situation sicherte zwar das Überleben, sei aber kräftezehrend gewesen und erforderte deshalb eine lange Erholungsphase, erklärte Shaw weiter.

"Unser Körper reagiert, als wären all diese Stressfaktoren Löwen", erklärt er. "Ob es sich um ein schwieriges Gespräch mit dem Partner oder dem Chef handelt oder um Verkehrslärm - unser Stressreaktionssystem ist im Prinzip dasselbe, als stünden wir einem Löwen nach dem anderen gegenüber. Die Folge ist eine extrem starke Reaktion des Nervensystems, die jedoch nicht wieder abklingt."

Moderne Stressfaktoren machen krank

Anders sieht es jedoch aus mit modernen Stressfaktoren wie beispielsweise überfüllten E-Mail-Postfächern, Abgabefristen im Job oder auch Lärm in Städten. Die Liste an Stressfaktoren des modernen Lebens ist lang. Sie können zu einer Reihe von körperlichen Einschränkungen führen. Die Forschenden führen kognitiven Abbau, Autoimmunerkrankungen und sinkende Geburtenraten als Beispiele dafür an.

"Im Grunde genommen besteht ein Widerspruch darin, dass wir einerseits in den letzten 300 Jahren enormen Wohlstand, Komfort und eine gute Gesundheitsversorgung für viele Menschen auf diesem Planeten geschaffen haben", sagt Shaw. "Andererseits haben einige dieser industriellen Errungenschaften aber durchaus schädliche Auswirkungen auf unser Immunsystem, unsere kognitiven, physischen und reproduktiven Funktionen. Beispielsweise sind seit den 1950er Jahren die Spermienanzahl und -beweglichkeit bei Männern drastisch gesunken, was mit Pestiziden und Herbiziden in Lebensmitteln, aber auch mit Mikroplastik zusammenhängt."

Klare Forderungen formuliert

"Man könnte argumentieren, dass die Stressreaktionen, die wir heute beobachten, eine Form der Anpassung darstellen. Biologische Anpassung verläuft jedoch sehr langsam. Genetische Anpassungen erstrecken sich über mehrere Generationen", so Shaw. Es könnte Zehn- bis Hunderttausende von Jahren dauern. Zum Schutz der Menschen müssen also andere Mittel gefunden werden.

Die Industrialisierung und Urbanisierung als Gesundheitsrisiken zu erkennen, ist entscheidend für den Schutz der öffentlichen Gesundheit oder evolutionär betrachtet: für das Überleben der Spezies. Die beiden Forscher kommen, genauso wie viele vorherige Untersuchungen auch, zu dem Schluss: Wir müssen mehr Zeit in der Natur verbringen und diese als wirklich wichtigen Gesundheitsfaktor betrachten. Sie fordern deshalb mehr Maßnahmen zum Erhalt von Grünflächen in Städten, zum Schutz von vorhandener Natur und zur Schaffung von Orten, an denen Menschen wirklich abschalten können. "Wir müssen unsere Städte richtig gestalten und gleichzeitig Naturräume wiederherstellen, wertschätzen und mehr Zeit in ihnen verbringen", so Shaws Fazit.

Quelle: ntv.de, jaz

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