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Härtere Strafen für Größere Treibt Napoleon-Komplex auch Schiedsrichter an?

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Auf dem Fußballfeld gibt es reichlich Emotionen. Wegen der Entscheidungen von Schiedsrichtern wird oft gepöbelt und hart diskutiert.

Auf dem Fußballfeld gibt es reichlich Emotionen. Wegen der Entscheidungen von Schiedsrichtern wird oft gepöbelt und hart diskutiert.

(Foto: IMAGO/ActionPictures)

Schiedsrichter sollen auf dem Fußballfeld faire Entscheidungen treffen. Doch das gelingt nicht immer. Ob dabei auch das Größenverhältnis von Spielern und Schiedsrichtern eine Rolle spielt und in welchem Fall Schiedsrichter gelassen bleiben, können Forscher nun beantworten.

Das Größenverhältnis zwischen Schiedsrichtern und Fußballern hat Einfluss auf die Härte der verhängten Strafen. Das hat ein Forschungsteam um Hendrik Sonnabend von der Fernuni Hagen festgestellt. Dabei komme es nicht auf die generelle Körpergröße an, sondern auf das Größenverhältnis zwischen Schiedsrichtern und Spielern, erklärt Sonnabend laut einer Mitteilung der Universität. Vergleichbare Bewertungsverzerrungen in die entgegengesetzte Richtung gebe es demnach auch, wenn die Größenverhältnisse umgekehrt sind, also Schiedsrichter größer sind als die Fußballer, die gerügt werden müssen. Für kleinere Spieler fallen Strafen in diesen Fällen dann deutlich gnädiger aus.

Für ihre Untersuchung nutzten die Forscher die Daten der deutschen Bundesliga zwischen 2014 und 2021 und analysierten mehr als 2340 Spiele. "Die Neigung dazu, härter zu bestrafen, ist zehn Prozent höher, wenn die Spieler deutlich größer als die Schiedsrichter sind, verglichen mit Situationen auf Augenhöhe", wird Sonnabend zitiert. Kleinere Schiedsrichter würden demnach eher ein Foul pfeifen und zu einer gelben Karte greifen. Gerade in der ersten Halbzeit lässt sich der Effekt gut erkennen. "Es wird offensichtlich, dass Strafen genutzt werden, um Autorität zu demonstrieren. Wenn ihnen das nicht über physische Dominanz gelingt, gibt es eine Strafe, ganz nach dem Motto: Hier wird nach meiner Pfeife getanzt", so Sonnabend weiter.

Dieses Vorgehen wird von den an der Untersuchung beteiligten Ökonomen mit dem Napoleon-Komplex gleichgesetzt. Dieser beschreibt ein weitverbreitetes Phänomen, wonach kleinere Männer stärker oder gar brutaler auftreten als andere, um ihre Körpergröße zu "kompensieren". Das wird auch dem französischen Kaiser Napoleon Bonaparte nachgesagt. Allerdings beruht diese Annahme auf einem Mythos, denn Napoleon war zu Lebzeiten im Vergleich zu anderen Männern gar nicht so klein.

Entspannung in der zweiten Halbzeit

Die Forscher fanden im Rahmen ihrer Untersuchung auch heraus, dass die "härteren" Strafen wie gelbe Karten bei den im Verhältnis kleineren Schiedsrichtern in den zweiten Halbzeiten abnahmen. Das könne daran liegen, dass die Spieler gemerkt hätten, dass der Schiedsrichter Vergehen schnell ahnde, mutmaßt Sonnabend. "Wenn Schiedsrichter länger dabei sind, konnten wir weniger diskriminierendes Verhalten feststellen, auch wenn der Spieler dann größer war."

Spieler, die hingegen kleiner als Schiedsrichter sind, bestrafen diese um 16 Prozent weniger im Vergleich zu Situationen bei denen sich die Akteure "auf Augenhöhe" begegnen. "Selbst sehr groß zu sein, gibt nach unserer Forschung eine gewisse Gelassenheit. Es ist schon auch augenscheinlich ein Unterschied, ob man zu jemanden hinauf- oder herunterschauen kann." Dabei bleiben Schiedsrichter, die im Verhältnis größer sind als die Spieler, die ein Foul begehen, über die gesamte Spielzeit "entspannt" und greifen nicht so häufig zu Strafen.

Natürliche Autorität anders herstellbar

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Menschen, die sich dieses Phänomens bewusst sind, können ihm entgegenwirken, denn jede Bewertung, egal, ob im Alltag oder im Fußball, sollte fair sein und nicht von Merkmalen wie Sympathie oder Körpergröße abhängen. "Wenn dieses Bewusstsein erreicht werden kann, gibt es auch andere Möglichkeiten, eine natürliche Autorität zu erreichen, zum Beispiel durch die Körpersprache oder die Wortwahl", betont Sonnabend. Das Forschertrio regte an, solche Aspekte in Zukunft mehr zu beachten, wenn man Verzerrungen in Bewertungen bekämpfen möchte.

Die durchschnittliche Körpergröße bei männlichen Schiedsrichtern beträgt übrigens 1,86 m, während die Durchschnittskörpergröße bei männlichen Fußballern bei 1,84 m liegt. "Da sieht man schon, dass es eine Art von Selektion in diesem Arbeitsmarkt gibt und auch der erste Hinweis auf eine große Dominanz in dieser Profession", stellt Hendrik Sonnabend fest.

Quelle: ntv.de, jaz

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