Wie aus einem Horrorfilm Pilz verwandelt Spinnen in "Zombies"
06.02.2025, 17:12 Uhr Artikel anhören
Eine Spinne, die von einem bislang unbekannten Pilz befallen wurde.
(Foto: Evans et al., Fungal Systematics and Evolution, 2025)
In Irland machen Dokumentarfilmer eine erstaunliche Entdeckung: eine tote Spinne, deren Körper mit weißen Pilzsporen übersät ist. Bei Untersuchungen stellt sich heraus, dass es sich nicht nur um eine neue, sondern auch eine ganz besondere Pilzart handelt. Diese verwandelt ihre Opfer in "Zombies".
Der Stoff, aus dem Albträume gemacht sind: Acht lange, haarige Beine ragen aus einem bis zur Unkenntlichkeit entstellten Körper heraus, der mit weißen korallenartigen Auswüchsen übersät ist. Nein, das ist kein Wesen aus einem Horrorfilm - sondern eine Spinne, die von einem bislang unbekannten Pilz befallen ist. Entdeckt wurde der Kadaver der normalerweise zurückgezogen lebenden Höhlenspinne Metellina merianaean an der Decke eines verlassenen Schießpulverlagerraums von einem britischen Dokumentarfilmteam in Nordirland.

Diese von dem Pilz befallene Spinne wurde an einer Höhlenwand oberhalb des Flusses Barran in der Whitefathers' Cave gefunden.
(Foto: Evans et al., Fungal Systematics and Evolution, 2025)
Die Dokumentarfilmer schickten das tote Tier daraufhin einem Forschungsteam unter der Leitung des Mykologen Harry Evans vom Centre for Agriculture and Bioscience International (CABI). Zusammen mit weiteren infizierten Exemplaren, die in Höhlen auf der gesamten irischen Insel gesammelt wurden, untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Pilz - und kamen im Fachmagazin "Fungal Systematics and Evolutionals" zu dem Ergebnis: Es handelt sich tatsächlich um eine neue Art. Die Forscher tauften den Pilz auf den wissenschaftlichen Namen Gibellula attenboroughii, zu Ehren des britischen Tierfilmers, Naturforschers und Schriftstellers Sir David Frederick Attenborough.
Was Gibellula attenboroughii besonders interessant macht, ist die außergewöhnliche Überlebensstrategie: Der Pilz besiedelt bestimmte Arten lebender Organismen, wächst im Inneren des infizierten Wirts heran - und tötet ihn schließlich, indem er ihn komplett überwuchert. Doch zuvor sorgt der Pilz noch dafür, dass sich seine Sporen optimal in der Umgebung verbreiten können. Die Spinnenarten, die der Pilz befällt, seien "Lauerjäger", die sich normalerweise in der Nähe ihrer Netze verstecken, heißt es in der Studie. Sie halten sich demnach nicht im Freien auf. Doch der Pilz scheint die Spinnen dazu gebracht zu haben, gegen ihre Natur an exponierte Orte wie Höhlendecken zu krabbeln.
Parasitäre Pilze gibt es viele
"Die Tatsache, dass mit Gibellula infizierte Spinnen an prominenten Stellen auf dem Dach oder der Decke ihrer unterirdischen Lebensräume gefunden werden, deutet auf eine Verhaltensänderung hin, die möglicherweise durch den Pilz hervorgerufen wird", schreiben die Autoren. Denn der mit Sporen übersäte Kadaver sei so den Luftströmungen ausgesetzt, die durch die Höhlen zirkulieren und die Freisetzung und anschließende Ausbreitung der trockenen Sporen durch das System fördern.

Eine infizierte Ameise beißt sich an der Unterseite eines Blattes fest.
(Foto: David P. Hughes, Maj-Britt Pontoppidan)
Dass Pilze ihre Wirte manipulieren können, ist dabei nicht neu. Das Verhalten von den infizierten Spinnen ähnelt dem Forschungsteam zufolge dem von Ameisen, die im brasilianischen Atlantischen Regenwald mit Ophiocordyceps-Pilzen befallen sind. Der Pilz zerstört das Nervensystem des Insekts und übernimmt die Kontrolle der Muskeln. Die Ameise wird nach einer Infektionsperiode von drei bis sechs Tagen an einen Platz gezwungen, der für den Pilz optimale Lebensbedingungen bietet, und stirbt dort.
Auch der Pilz Entomophthora muscae macht seine Wirte zu einer Art Zombies. Der "Fliegentöter" hat es dabei, wie der Name schon sagt, auf Stubenfliegen abgesehen, deren Verhalten er manipuliert. Auch er befällt seine Opfer und bringt sie dazu, sich an einer für die Pilze geeigneten Stelle niederzulassen. Dann breiten die befallenen Fliegen ihre Flügel aus, und das Netz aus Pilzfäden wächst durch den Körper der Fliege, bis auch er schließlich erneut seine Sporen verbreitet.
Helfen Pilze bald bei der Krebstherapie?
Was gruselig klingt, ist allerdings nur für Insekten gefährlich. Menschen müssen sich keine Sorgen machen - im Gegenteil. Für sie könnten manche dieser Zombiepilze sogar nützlich sein und das Wachstum von Krebszellen verlangsamen, wie Forscher laut einer im vergangenen November veröffentlichten Studie herausgefunden haben.
Cordyceps militaris befällt vor allem Schmetterlingsraupen und tötet sie noch vor dem Ende ihrer Puppenzeit ab. Aus den toten Schmetterlingspuppen wachsen dann die leuchtend orangefarbenen, länglichen Fruchtkörper des Pilzes. Die Pilzart gilt in Asien schon länger als Naturheilmittel. Daraus gewonnene Extrakte sollen gegen Husten, Erkältungen und Lungenerkrankungen helfen, aber auch die Nieren stärken und als Aphrodisiakum wirken.
Darüber hinaus könnte Cordyceps aber auch bei der Behandlung von Krebserkrankungen eingesetzt werden, schreiben Wissenschaftler der University of Nottingham im Fachmagazin "FEBS Journal". Denn der Pilz produziert einen Stoff namens Cordycepin, mit dem er Raupen infiziert. Cordycepin interagiert mit den Genen des Insekts, um die Signale für das Zellwachstum zu unterbrechen. Den gleichen Effekt kann der Stoff den Forschern zufolge auch auf Krebszellen haben. Nehmen diese Cordycepin auf, werden entscheidene Signalwege für das Krebswachstum gehemmt. Tumore wachsen nicht oder deutlich langsamer weiter. Doch bis ein entsprechendes Krebsmedikament entwickelt werden kann, braucht es laut den Forschern noch mehr Studien.
Quelle: ntv.de