Alarmierende Karte Siedlungsabwässer belasten Meere
10.11.2021, 20:10 Uhr
Nicht nur ins Mittelmeer fließen ungeklärte Abwässer.
(Foto: picture alliance / imageBROKER)
Mit dem Abwasser aus menschlichen Siedlungen können Keime und Stickstoff in die Meere gelangen - selbst wenn das Abwasser zuvor in Kläranlagen aufbereitet wurde. Eine globale Karte zeigt, wo der Handlungsbedarf am größten ist.
Abwässer aus Städten und Dörfern haben einen erheblichen Einfluss auf küstennahe Ökosysteme im Meer. Selbst wenn Klärwerke die meisten Mikroorganismen aus Fäkalien im Abwasser entfernen, bleiben Stickstoffverbindungen in großem Umfang erhalten, berichten Forschende um Cascade Tuholske im Fachmagazin "Plos One". Ihrer Modellierung zufolge würden 6,2 Millionen Tonnen Stickstoff jedes Jahr in die küstennahen Gewässer gespült.
"Das Ausmaß der weltweiten Auswirkungen von Abwasser auf die Küstenökosysteme ist gigantisch", werden die Studienautoren in einer Mitteilung zitiert. Wenn Pflanzennährstoffe, wie Stickstoff, in Gewässer gelangen, können sie zu einem enormen Wachstum von Algen und anderen Pflanzen führen. Das bewirkt in manchen Meeresgebieten Sauerstoffmangel bis hin zu sauerstofffreien Todeszonen. Auch besondere Ökosysteme, wie Korallenriffe oder Seegraswiesen, sind davon betroffen.
Bisher drehte sich die Debatte vor allem um die Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft, vor allem aus den eingesetzten Düngemitteln. Die Forschenden um Tuholske untersuchten nun, was die Abwässer aus menschlichen Siedlungen ins Meer tragen. Sie entwarfen ein globales Computermodell mit einer hohen Auflösung von einem Kilometer. Darin bildeten sie die Abwässer ab, die über knapp 135.000 Wassereinzugsgebiete von Flüssen und kleineren Fließgewässern ins Meer gelangen. Die Forscher verwendeten Siedlungsdaten ebenso wie Informationen über den Zugang zu Abwassersystemen. Wichtig war auch die Menge an Eiweiß, die eine Bevölkerung verzehrt, denn etwa 16 Prozent des Stickstoffs darin landen im Abwasser.
Spitzenreiter China
Die Wissenschaftler erstellten eine Weltkarte, auf der abzulesen ist, wo welche Mengen an Stickstoff und Mikroorganismen aus Fäkalien in die Küstengewässer gelangen. 32 Prozent des eingeschwemmten Stickstoffs stammen demnach aus der Direkteinleitung menschlicher Abwässer, fünf Prozent aus Klärgruben und 63 Prozent aus Abwassersystemen. Trotz Kläranlagen, die etwa 55 Prozent des Stickstoffs entfernen, gelangten über Abwassersysteme jährlich 3,9 Millionen Tonnen Stickstoff in küstennahes Meerwasser. Die Forscher schätzen, dass 58 Prozent aller Korallenriffe und 88 Prozent aller Seegraswiesen mindestens kleinen Mengen Stickstoff aus Siedlungsabwässern ausgesetzt sind.
Mit Abstand die größten Stickstoffeinleitungen ins Meer stammen aus China. Allein der Fluss Jangtsekiang, der bei Schanghai ins Südchinesische Meer fließt, transportiere elf Prozent der weltweiten Stickstoffeinträge zur Küste. Trotz seiner vielen Kläranlagen steht Deutschland nach Angaben der Forscher im Hinblick auf die Einleitung von Stickstoff aus Siedlungen auf Rang 10. Allerdings gestehen die Forscher ein, dass sie einen Durchschnittswert für die Effizienz von Kläranlagen verwendet haben, weil weltweite Daten zu diesem Aspekt nicht vorhanden gewesen seien. Die ermittelte Gesamtmenge von 6,2 Millionen Tonnen eingetragenem Stickstoff pro Jahr aus dem Abwasser entspricht etwa 40 Prozent der Stickstoffmenge, die aus der Landwirtschaft in die Gewässer gelangt.
Häufig verlaufen die Werte für Stickstoff und für Mikroorganismen aus Fäkalien proportional zueinander. In Industrie- und Schwellenstaaten ist jedoch der Stickstoffanteil erhöht, während in vielen Staaten Afrikas und Südasiens die Mikroorganismen ein größeres Problem darstellen. Dies hat vor allem mit fehlenden oder ungenügenden Abwassersystemen zu tun. "Unsere Ergebnisse identifizieren vorrangige Zielbereiche, um Meeresschutzgruppen und dem öffentlichen Gesundheitswesen zu helfen, zusammenzuarbeiten und die Auswirkungen von Abwasser auf Küstengewässer auf der ganzen Welt zu reduzieren", betonen die Studienautoren.
Quelle: ntv.de, Stefan Parsch, dpa