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Unsichtbare Falle So gefährlich sind K.-o.-Tropfen

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Wer Bars oder Clubs besucht, sollte das eigene Getränk nie aus den Augen verlieren.

Wer Bars oder Clubs besucht, sollte das eigene Getränk nie aus den Augen verlieren.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Viele Substanzen werden als K.-o.-Tropfen missbraucht. Ziel der Täter ist es, Menschen gefügig zu machen. Die Opfer können sich oft nicht an das Geschehene erinnern. Doch wer einige Regeln beachtet, kann sich schützen.

Im Zusammenhang mit den Missbrauchsvorwürfen gegen den Rammstein-Sänger Till Lindemann geht es auch um K.-o.-Tropfen. Die Nordirin Shelby Lynn sagt etwa, bei einem Konzert der Band im Backstage-Bereich welche verabreicht bekommen zu haben. Was genau sind das für Tropfen und wie wirken sie?

"Darunter verstehen wir ganz viele verschiedene Substanzen, teilweise bis zu 200, die als K.-o.-Tropfen eingesetzt werden", sagt Céline Sturm von der Opferschutzorganisation Weißer Ring. Dazu gehören etwa Ketamin, ein Narkosemittel aus der Tiermedizin, und GHB (Gamma-Hydroxybuttersäure), umgangssprachlich als Liquid Ecstasy bezeichnet. Die Mittel werden mitunter in geringer Dosis von Feiernden freiwillig als Partydroge in Clubs eingenommen.

Viele dieser Substanzen sind in Deutschland faktisch frei erhältlich. Andere sind nach Angaben des Bundesdrogenbeauftragten Burkhard Blienert verschreibungspflichtige Arzneimittel, teilweise fallen sie unter das Betäubungsmittelrecht. Aber eben nicht alle. Blienert verweist auf den Stoff GHB, der aus Gamma-Butyrolacton (GBL) und 1,4-Butandiol (BDO) entsteht. Das seien Industriechemikalien, die in großen Mengen hergestellt, gehandelt und industriell verarbeitet werden. Beide fallen nicht unter das Gesetz zum Umgang mit Betäubungsmitteln.

Auch Benzodiazepine werden oft als K.-o.-Tropfen missbraucht, sagt Frank Mußhoff, Leiter des Forensisch Toxikologischen Centrums in München, dem "Tagesspiegel". Die Stoffe gibt es in Deutschland auf Rezept, pro Jahr werden demnach rund 230 Millionen Tagesdosen verschrieben, häufig als Schlafmittel. Auch Rohypnol gehört dazu - eine Substanz, die Lindemann in einem derzeit viel beachteten Gedicht aus dem Jahr 2020 thematisiert. "Etwas Rohypnol im Wein. Kannst dich gar nicht mehr bewegen. Und du schläfst, es ist ein Segen", heißt es darin.

Opfer sind oft stundenlang bewusstlos

Besonders häufig setzen Täter K.-o.-Tropfen im Nachtleben oder auf Veranstaltungen ein. Sie schütten die meist geschmacks- und geruchlosen Chemikalien in die Getränke ihrer Opfer. K.-o.-Tropfen wirken wie Drogen. Nach einigen Minuten wird den Betroffenen schwindelig, sie können nicht mehr klar denken und fühlen sich, als wären sie betrunken. Kurz darauf werden sie für Minuten oder auch mehrere Stunden bewusstlos. Die Täter nutzen diese Zeit für Sexualdelikte oder zum Ausrauben. Die Opfer können sich hinterher meist nicht mehr richtig daran erinnern.

Das erschwert die Ermittlungen der Polizei. Zumal die Tropfen nicht lange im Körper nachzuweisen sind. "Im Blut sind es etwa sechs Stunden, im Urin zwölf Stunden", sagt Sturm vom Weißen Ring. Weil Taten meist "zeitverzögert angezeigt" werden, sei dann eine Untersuchung nicht mehr möglich, heißt es seitens der Polizei Frankfurt. Inzwischen bieten einige toxikologische Labore aber auch Haaranalysen an, durch die die Substanz je nach Haarlänge noch Monate später nachweisbar ist. Manche Opfer gehen jedoch aus Scham erst gar nicht zur Polizei. Die Täter bleiben oft unerkannt.

Dünne Datenlage

Für wie viele Frauen und Männer die Party ein schlimmes Ende genommen hat, lässt sich darum nicht sagen. "Die Datenlage ist sehr dünn", begründet Sturm. Das Polizeipräsidium München spricht für die Jahre 2018 bis 2021 jeweils von einer "niedrigen Anzahl polizeilicher Ermittlungsverfahren". Die Berliner Polizei veröffentlichte im vergangenen Jahr eine Statistik zur Lage in der Hauptstadt. In der Corona-Pandemie gab es demnach weniger solcher Straftaten. Gingen die Ermittler 2019 noch 71 Fällen nach, waren es 2020 31 und im vergangenen Jahr 21.

Der Weiße Ring rät dazu, den eigenen Drink nie aus den Augen zu verlieren und im Zweifel nicht mehr auszutrinken. Es sei ratsam, Getränke von Unbekannten grundsätzlich abzulehnen. Bei Verdacht auf K.-o.-Tropfen sollten sofort Freunde oder das Barpersonal hinzugerufen werden. Auf keinen Fall sollten Betroffene die Party allein verlassen, denn gerade dann würden die Täter zuschlagen, so die Opferschutzorganisation. Es sei dringend ratsam, einen Arzt oder eine Notfallambulanz aufzusuchen und eine Blutprobe entnehmen zu lassen.

Quelle: ntv.de, mdi/dpa

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