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Bei einem von 8000 Fällen Testversagen kann Hinweis auf Krebs der Schwangeren sein

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Mit dem nichtinvasiven Pränataltest in Deutschland lassen sich keine Chromosomenstörungen, die durch Tumorerkrankungen hervorgerufen werden, feststellen.

Mit dem nichtinvasiven Pränataltest in Deutschland lassen sich keine Chromosomenstörungen, die durch Tumorerkrankungen hervorgerufen werden, feststellen.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Während einer Schwangerschaft gibt es verschiedene Vorsorgeuntersuchungen: Darunter ein Test, der Chromosomenstörungen beim Baby erkennt. In manchen Fällen bleibt das Ergebnis jedoch uneindeutig - wie sich herausstellt, ein mögliches Warnsignal.

Mit einem bestimmten Bluttest lassen sich verschiedene Chromosomenstörungen des werdenden Kindes feststellen. Äußerst selten kommt es zu einem nicht erklärbaren Testversagen. Eben jenes könnte in raren Fällen auf eine Krebserkrankung der Mutter hinweisen. Das berichtet eine US-Forschungsgruppe im Fachblatt "New England Journal of Medicine". Ein deutscher Experte mahnt aber zur Vorsicht.

Mit verschiedenen Vorsorgeuntersuchungen werden während einer Schwangerschaft die Gesundheit des ungeborenen Kindes und der werdenden Mutter überwacht. Zu diesen Untersuchungen kann auch der sogenannte nicht-invasive Pränataltest (NIPT) gehören: Dieser Bluttest kann Chromosomenstörungen beim sich entwickelnden Baby feststellen.

Dafür wird der Mutter ab der zehnten Schwangerschaftswoche Blut abgenommen und auf die sogenannte zellfreie DNA (cfDNA) untersucht. Ein Teil dieser DNA stammt aus der Plazenta und spiegelt den Fötus wider. Ist das Ergebnis unauffällig, ist es sehr unwahrscheinlich, dass das Ungeborene eine Chromosomenstörung wie etwa Trisomie 21 - auch Down-Syndrom genannt - hat. Umgekehrt kann ein auffälliges Ergebnis Hinweise darauf geben - dann wären weitere Untersuchungen nötig.

Hinweise aus unklaren Testergebnissen

Laut einer Forschungsgruppe um die Pränataldiagnostikerin Diana Bianchi, Direktorin des US-amerikanischen National Institute of Child Health and Human Development, gibt es allerdings eine äußerst seltene dritte Möglichkeit: In etwa einem von 8000 Fällen komme es zu einem Befund, der selbst nach wiederholten Tests nicht entschlüsselt werden könne. Eben jene raren Befunde könnten der Studie zufolge auf eine Krebserkrankung der Mutter hindeuten. Es liege nahe, dass die unklaren Ergebnisse durch DNA-Fragmente erzeugt würden, die von den Krebszellen ausgeschieden werden.

Schon 2015 hatte ein Team um Bianchi in der Fachzeitschrift "JAMA" in einer Pilotstudie über derartige Fälle berichtet, dabei aber betont, dass die klinische Bedeutung der Ergebnisse weiter untersucht werden müsse. In den folgenden Jahren wurden diese durch Daten aus den Niederlanden und Belgien weiter gestützt.

Auf Deutschland nicht übertragbar

Nun präsentierten Bianchi und ihr Team die Ergebnisse ihrer "IDENTIFY"-Studie (Incidental Detection of Maternal Neoplasia Through Non-invasive Cell-Free DNA Analysis). Dafür rekrutierten sie 107 Frauen mit einem unklaren NIPT-Befund, die sie einer Reihe von Tests unterzogen, darunter einem auch in der Schwangerschaft ungefährlichen Ganzkörper-MRT.

Tatsächlich stellte sich heraus, dass 52 der Frauen (48,6 Prozent) an Krebs erkrankt waren, darunter 31 mit einem Krebs des Lymphsystems. Bei weiteren neun Frauen wurde Dickdarmkrebs diagnostiziert, vier Frauen hatten Brustkrebs. Die Forschungsgruppe schlägt daher vor, bei derartigen Testergebnissen weitere Untersuchungen in Betracht zu ziehen - insbesondere ein Ganzkörper-MRT, um nach etwaigen Tumoren zu suchen.

Auf Deutschland lässt sich das nach Angaben von Karl Oliver Kagan, Leiter der Pränatalen Medizin an der Universitäts-Frauenklinik Tübingen, nicht ohne weiteres übertragen: Hierzulande würden die entsprechenden Tests spezifisch auf die Trisomien 21, 18 und 13 durchgeführt. "Insofern wird man bei den hier üblichen Tests diese sehr untypischen strukturellen Chromosomenstörungen, die in Tumorerkrankungen vorkommen und um die es in der Studie geht, nicht finden", so der Experte.

Dass in Deutschland so spezifisch getestet werde, sei historisch gewachsen. Zudem seien die NIPT vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nur zur Untersuchung auf diese drei Trisomien zugelassen.

Unsicherheit wirkt belastend

Kagan verweist auch auf die sehr geringen Fallzahlen: "Ein Testversagen tritt in ein bis drei Prozent aller zellfreien DNA-Tests bei Schwangerschaften auf. Wird der Test dann wiederholt, klären sich weitere zwei Drittel dieser Fälle auf." Zudem gebe es eine ganze Reihe von Gründen, die zu einem Testversagen führen könnten, darunter vor allem mütterliches Übergewicht.

In der Studie wurde bei den übrigen 55 der 107 Frauen kein Krebs festgestellt. Bei 15 von diesen erwiesen sich die cfDNA-Ergebnisse im Rahmen der Studie letztlich doch als unauffällig. Und für 30 Testergebnisse wurde eine andere biologische Ursache festgestellt, etwa gutartige Wucherungen. Für die restlichen 10 Frauen konnten die nicht entschlüsselbaren Testresultate allerdings nicht geklärt werden - diese Frauen würden nun weitere fünf Jahre überwacht.

Die entsprechende Unsicherheit kann eine große Belastung darstellen, vor allem während einer Schwangerschaft - ein Problem, das auch Karl Oliver Kagan anspricht. So werfe ein Testversagen unter Umständen Fragen auf, die zu diesem Zeitpunkt nicht beantwortet werden könnten, auch nicht durch ein Ganzkörper-MRT. "Die Abklärungsmöglichkeiten einer möglichen Tumorerkrankung haben gewisse Grenzen und die Untersuchungen sind nicht trivial, insbesondere während der Schwangerschaft." So beunruhige man Patientinnen, ohne ihnen ein klares Ergebnis mitteilen zu können.

Laut Kagan gibt es zwar in seltenen Fällen einen grundsätzlichen Zusammenhang zwischen dem Versagen eines NIPT und Tumorerkrankungen der Mutter. Insgesamt werfe die Studie aber mehr Fragen auf, als sie Lösungen für Patientinnen schaffe. Er betont: "In gar keinem Fall sollte nun von einem Screening Tool für mütterliche Tumore gesprochen werden."

Quelle: ntv.de, Alice Lanzke, dpa

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