Höchste Warnstufe der WHO Was bedeutet der Mpox-Alarm für Deutschland?


Mpox wird durch direkten Kontakt übertragen - allerdings gibt es einen Impfstoff.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Weil in Afrika die Zahl der Mpox-Fälle durch eine möglicherweise besonders gefährliche Subvariante des Virus in die Höhe schnellt, ruft die WHO eine "Notlage internationaler Reichweite" aus. Experten halten eine Ausbreitung der Krankheit auch in Europa für möglich. Sie warnen aber vor Panikmache.
Zum zweiten Mal nach 2022 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wegen der Ausbreitung des Mpox-Virus die höchste Alarmstufe ausgerufen. Es handelt sich überwiegend um eine Subvariante des Erregers, die möglicherweise leichter übertragbar ist und zu schwereren Erkrankungen führt. Deutsche Expertinnen und Experten halten den Schritt für richtig, um eine weitere Ausbreitung rechtzeitig einzudämmen. Das Risiko für Europa schätzen sie derzeit aber als gering ein.
Aktuell breitet sich Mpox vorwiegend in der Demokratischen Republik Kongo und dessen Nachbarländern aus. Insgesamt sind inzwischen mindestens 13 afrikanische Länder betroffen. Die Agentur Africa Centres for Disease Control and Prevention (CDC) meldete dieses Jahr bisher über 17.000 Verdachtsfälle. 2863 Fälle und 517 Tote wurden bestätigt. Dies sei aber nur "die Spitze des Eisbergs, wenn man die vielen Schwachstellen bei der Überwachung, den Labortests und der Rückverfolgung von Kontakten bedenke", heißt es in einer Pressemitteilung vom 13. August.
Allerdings gab es auch schon einen Fall außerhalb Afrikas: Schweden meldete am Donnerstagabend den ersten bestätigten Mpox-Fall der neuen Variante Klade I. Der Fall wurde demnach in der Region Stockholm festgestellt. Die infizierte Person habe sich zuvor in Afrika aufgehalten.
Die Krankheit Mpox wird durch ein gleichnamiges Orthopoxvirus übertragen. Zu den häufigen Symptomen gehören ein Hautausschlag oder Schleimhautschäden, die zwei bis vier Wochen andauern können. Dazu leiden Betroffene oft an Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen, Energielosigkeit sowie geschwollenen Lymphknoten.
Möglicherweise gefährlichere Variante
Es gibt zwei Typen des Mpox-Virus: der Typ des Kongobeckens (Klade I) und der westafrikanische Typ (Klade II), der sich 2022 auch in Europa ausbreitete. Klade bezeichnet eine Gruppe von Virusvarianten mit einem gemeinsamen Vorfahren. Derzeit grassiert überwiegend die Klade I, die bisherigen Erkenntnissen nach eine höhere Infektiosität und Mortalität aufweist als der andere Typ. Wissenschaft und Behörden legen dabei ein besonderes Augenmerk auf die im September 2023 entdeckte Subvariante Ib, da sie möglicherweise besonders gefährlich ist.
Ob das tatsächlich der Fall ist, ist allerdings bisher nicht ausreichend erforscht. "Aufgrund der bisher noch nicht zufriedenstellenden Datenlage in Afrika, insbesondere aufgrund des eingeschränkten Zugangs zu medizinischer Versorgung und eingeschränkter Kapazitäten in der Labordiagnostik, sind Aussagen zur Mortalität und Infektiosität von Klade I im Vergleich zu Klade II weiterhin schwierig", sagt Christina Frank. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Epidemiologin des Fachgebiets für Gastrointestinale Infektionen, Zoonosen und tropische Infektionen beim Robert-Koch-Institut (RKI).
Kaum belegte Spekulationen
Marion Koopmans, Direktorin des Pandemie- und Katastrophenzentrums der Erasmus-Universität in Rotterdam, kritisiert kaum bewiesene Behauptungen in den Medien. So gebe es Spekulationen über eine effizientere Übertragung, was aber daran liegen könne, dass in dem Gebiet, wo die Subvariante auftrete, die Übertragung offenbar durch sexuelle Kontakte erfolge. Den Verdacht hegt auch Roman Wölfel, Oberstarzt und Leiter des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Aus dem weltweiten Mpox-Ausbruch 2022 wisse man, wie schnell eine Verbreitung über Sexualkontakte erfolgen könne, sagt er.
Grundsätzlich stecken sich Menschen am häufigsten an, indem sie eine infizierte Person, die Ausschläge, Schorf, Körperflüssigkeiten oder Läsionen auf der Haut hat, berühren. Man kann Mpox aber auch durch den Kontakt mit infizierten Tieren oder kontaminierten Gegenständen bekommen. Ein hohes Risiko besteht in Haushalten mit kranken Personen.
Man könne derzeit auch noch keine verlässliche wissenschaftliche Aussage darüber treffen, ob es sich um eine "tödlichere" Variante handle, sagt Wölfel. Die Sterblichkeit von Mpox bei Kindern sei leider auch in der Vergangenheit in Afrika sehr hoch gewesen. In Zentralafrika würden gerade hohe Infektionsraten bei Kindern beobachtet. "Ohne eine bessere Verfügbarkeit von Diagnostik in den betroffenen Ländern wird es aber schwer sein, die tatsächliche Zahl von Krankheitsfällen und damit auch die Fallsterblichkeit bei Kindern zu erfassen."
Risiko für Europa gering
Alle Expertinnen und Experten sind sich weitgehend darüber einig, dass eine Verbreitung in Europa möglich, die Wahrscheinlichkeit aber relativ gering ist. Das liege zum einen daran, dass es nur wenige Reisende und direkte Flugverbindungen nach Europa gebe, sagt Wölfel. "Außerdem haben wir in Europa und insbesondere auch in Deutschland ausreichend Diagnostik-Labore für das Affenpockenvirus. Ein Mpox-Fall kann daher rasch erkannt und durch Gegenmaßnahmen wie Isolierung, Quarantäne und Impfungen eingegrenzt werden."
Weil direkter Kontakt nötig sei, sei das Virus theoretisch leicht zu stoppen, wenn es diagnostiziert und erkannt werde, sagt Marion Koopmans. Da eine Ausbreitung aber nicht ausgeschlossen ist, fordert sie, die Situation auch außerhalb Afrikas zu überwachen und neu diagnostizierte Fälle zu typisieren. Dies sei das Mindeste, was getan werden sollte, sagt sie.
Afrikanische Länder benötigen dringend Hilfe
Der WHO-Alarm ist aber besonders für die aktuell in Afrika betroffenen Länder von großer Bedeutung. Denn er könne ermöglichen, dass "in den betroffenen Ländern weitere Maßnahmen ergriffen beziehungsweise intensiviert werden können, zum Beispiel hinsichtlich der Impfstoffverfügbarkeit und des Ausbaus diagnostischer Kapazitäten", erklärt Klaus Jansen. Er ist beim RKI stellvertretender Leiter des Fachgebiets HIV/AIDS und andere sexuell oder durch Blut übertragbare Infektionen der Abteilung Infektionsepidemiologie.
In der Demokratischen Republik Kongo habe es über viele Jahre hinweg Mpox-Fälle gegeben, sagt Marion Koopmans. Doch es fehlten die Mittel für Diagnosekapazitäten, öffentliche Gesundheitsmaßnahmen, Behandlung und Impfung.
Bitte um zwei Millionen Dosen Impfstoff
Es muss kein neuer Impfstoff entwickelt werden, wie bei der Covid-Pandemie. Ein Wirkstoff gegen das klassische Pockenvirus ist auch für den Schutz vor einer Infektion mit dem Mpox-Virus zugelassen und wird unter anderem vom RKI empfohlen. Das Mittel (Imvanex) wird von der dänischen Firma Bavarian Nordic hergestellt und ist in den meisten Industrieländern verfügbar. Das gilt speziell, nachdem wegen des Mpox-Ausbruchs 2022 einige Länder Lagerbestände aufgebaut haben. Unter ihnen befindet sich auch Deutschland, das laut Bavarian Nordic 240.000 Dosen bestellte. Allerdings ist der Impfstoff teuer, der Preis für eine Dosis wird in Europa auf 100 bis 150 Euro geschätzt.
In den Ländern des Globalen Südens gäbe es bislang immer noch keine angemessene Versorgung mit Impfstoffen, sagt Roman Wölfel. "Durch ein rasches und entschlossenes Vorgehen der Weltgemeinschaft und durch Einsatz der vorhandenen und erforderlichen Impfstoffe könnte die aktuelle Ausbreitung von Mpox aber mit hoher Wahrscheinlichkeit eingedämmt werden."
Africa CDC rief die Weltgemeinschaft am 13. August auf, zwei Millionen Impfstoff-Dosen zu besorgen. Ein erster kleiner Schritt ist die Ankündigung der EU-Behörde der Europäischen Kommission für Notfallvorsorge und -bewältigung (HERA), 175.420 Imvanex-Dosen zu beschaffen und zu spenden. Hersteller Bavarian Nordic stellt weitere 40.000 Dosen gratis zur Verfügung. Außerdem möchte HERA im Frühherbst der Agentur Africa CDC einen Zuschuss von 3,5 Millionen Euro geben, um den Zugang zu Mpox-Diagnostik und genetischer Sequenzierung in der Region zu verbessern.
Quelle: ntv.de