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Analyse widerspricht Laborthese Studie: Wildtierhandel brachte wohl Corona nach Wuhan

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Auf dem Huanan Wholesale Seafood Market häuften sich zu Beginn der Corona-Pandemie die ersten Fälle.

Auf dem Huanan Wholesale Seafood Market häuften sich zu Beginn der Corona-Pandemie die ersten Fälle.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Der Ursprung des Coronavirus ist nebulös. Eine neue Studie verweist nun auf Ähnlichkeiten mit der Ausbreitung jenes Virus, das 2002/2003 eine Epidemie ausgelöst hatte. Dies spreche für einen natürlichen Ursprung von Sars-CoV-2 - und gegen einen Laborunfall.

Genetische Analysen legen nahe, dass das Coronavirus Sars-CoV-2 über den Handel mit Wildtieren sein Ausbruchsgebiet in China erreichte. Ein ähnliches Muster werde für den zuvor aufgetauchten Erreger Sars-CoV-1, Verursacher der Sars-Epidemie 2002/2003, angenommen, berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal "Cell". Dass die direkten Vorfahren von Sars-CoV-1 und Sars-CoV-2 die jeweiligen Ausbruchsorte allein über die Ausbreitung bei Fledermäusen erreichten, sei mit Blick auf die geringe Mobilität dieser Tiere und das errechnete Alter der Erreger unwahrscheinlich.

Der vordere Teil ihrer Nase erinnert an ein Hufeisen - so kam die Fledermausart zu ihrem ungewöhnlichen Namen.

Der vordere Teil ihrer Nase erinnert an ein Hufeisen - so kam die Fledermausart zu ihrem ungewöhnlichen Namen.

(Foto: picture alliance / blickwinkel/AGAMI/T. Douma)

Die engsten nachweisbaren Vorfahren von Sars-CoV-1 und Sars-CoV-2 existierten demnach jeweils weniger als ein Jahrzehnt vor dem Überspringen auf den Menschen. "Wir zeigen, dass das ursprüngliche Sars-CoV-1 in Westchina zirkulierte - nur ein bis zwei Jahre vor dem Auftreten von Sars in der Provinz Guangdong im Süden Zentralchinas", sagt Hauptautor Jonathan Pekar von der San Diego School of Medicine an der University of California, der inzwischen an der University of Edinburgh forscht. Sars-CoV-2 kursierte demnach in Westchina oder Nordlaos nur fünf bis sieben Jahre vor dem Auftreten von Covid-19 in Wuhan.

Westchina oder Nordlaos liegen bis zu 2700 Kilometer entfernt von Wuhan in Zentralchina. Das sei eine zu große Entfernung für die errechnete Zeit, um über die natürliche Ausbreitung des Hauptwirts, der Hufeisennase, bewältigt worden zu sein, schließen die Forschenden um Pekar. Viel wahrscheinlicher sei, dass die Virusvariante von Wildtierhändlern über Zwischenwirte dorthin gebracht wurde, heißt es in der Studie.

Sars-CoV-1 kam von gehandelten Wildtieren

Frühere Studien hätten nahegelegt, dass der Vorläufer des Menschen infizierenden Sars-CoV-1 wahrscheinlich durch Schleichkatzen (Paguma larvata) oder Marderhunde (Nyctereutes procyonoides) von der westchinesischen Provinz Yunnan in die mehr als tausend Kilometer entfernte Provinz Guangdong gebracht wurde. Diese Tiere werden häufig wegen ihres Fells und Fleisches gehandelt.

Die aktuelle Analyse liefere nun den bisher stärksten Hinweis darauf, dass der Ablauf bei Sars-CoV-2 ganz ähnlich war. "Bei Sars-CoV-2 sehen wir genau dasselbe Muster", sagte Mitautor Michael Worobey von der University of Arizona.

Die Ergebnisse widersprächen der These, dass zwar Sars-CoV-1 auf natürliche Weise entstand, Sars-CoV-2 aber vermutlich das Ergebnis eines Laborlecks war. Als ein Argument habe dabei gegolten, dass die Entfernung zwischen Wuhan und dem Fledermausvirus-Reservoir zu groß für einen Ursprung sei, der auf Übertragungen durch Tiere zurückgehe, erläuterte Mitautor Joel Wertheim von der University of California. "Diese Arbeit zeigt, dass dies nicht ungewöhnlich und dem Auftreten von Sars-CoV-1 im Jahr 2002 sehr ähnlich ist." Sars-Cov-1 hatte eine weltweite Epidemie mit rund 800 Todesfällen zur Folge, inzwischen gilt die Variante als ausgestorben.

Virus-Erbgut aus Fledermäusen

Nachdem Sars-CoV-1 im Jahr 2002 und Sars-CoV-2 im Jahr 2019 aufgetaucht waren, wurden die in Hufeisennasen (Rhinolophidae) zirkulierenden Sarbecoviren - zu denen beide Erreger gehören - verstärkt untersucht. Für Vergleiche werde in der Regel die Abfolge des Gesamtgenoms herangezogen, erläutern die Forschenden. Allerdings entsteht schnell ein sehr unscharfes Bild der Entwicklung, weil die Viren innerhalb ihrer Fledermauswirte eine große Menge an Rekombinationen durchlaufen und dabei genetisches Material austauschen.

"Wenn zwei verschiedene Viren dieselbe Fledermaus infizieren, ist das, was aus der Fledermaus herauskommt, manchmal eine Mischung aus verschiedenen Teilen beider Viren", erklärt Wertheim. "Die Rekombination erschwert unser Verständnis der Evolution dieser Viren, weil sie dazu führt, dass verschiedene Teile des Genoms eine unterschiedliche Evolutionsgeschichte haben." Die Entwicklung eines bestimmten Erregers lässt sich dadurch auf dem herkömmlichen Weg des Erbgutvergleichs kaum nachvollziehen.

Der engste Vorläufer wird kaum mehr zu finden sein

Die Forschenden umgingen das Problem, indem sie nicht rekombinierende Regionen der 250 verfügbaren Genome identifizierten und nur diese zur Ableitung der Evolutionsgeschichte verwendeten. Die Ergebnisse belegen demnach auch, dass Sars-CoV-ähnliche Viren schon seit Jahrtausenden in Westchina und Südostasien zirkulieren. In dieser Zeit bewegten sie sich in ähnlicher Geschwindigkeit durch die Landschaft wie ihre Wirte, die Hufeisennasen.

Diese Fledermäuse haben typischerweise kleine Verbreitungsgebiete von durchschnittlich zwei bis drei Quadratkilometern Bewegung pro Nacht, wie es in der Studie heißt. Sie wanderten kaum und hätten in der Summe eine sehr begrenzte Ausbreitungskapazität.

Einschränkend geben die Forschenden zu ihren Ergebnissen zu bedenken, dass es große regionale Lücken bei den erfassten Proben gibt. So gebe es kein Virusmaterial von Fledermäusen, die nahe am Entstehungsort von Sars-CoV-1 und Sars-CoV-2 beprobt wurden. Die Rückschlüsse auf den Ort der jeweils am nächsten liegenden Fledermausvirus-Vorfahren könnten daher in Richtung von Orten verzerrt sein, an denen eng verwandte Viren beprobt wurden. Auch bei mehr Probennahmen sei nicht zu erwarten, noch den direkten Vorfahren der beiden Viren zu finden.

Quelle: ntv.de, Annett Stein, dpa

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