Epidemie in Europa Zahl der Keuchhusten-Fälle ist alarmierend
16.05.2024, 16:49 Uhr Artikel anhören
Säuglinge sollten laut RKI im zweiten, vierten und elften Monat gegen Pertussi geimpft werden.
(Foto: IMAGO/Panthermedia)
Keuchhusten ist hochansteckend. In Europa führt statistisch ein einziger Fall zu fünf Neuinfektionen. Besonders hohe Zahlen werden aus Großbritannien, den Niederlanden und Norwegen gemeldet, darunter auch Todesfälle.
Immer mehr Menschen in Europa erkranken an Keuchhusten. Das geht aus einem Bericht des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hervor. Demnach wurden im Jahr 2023 mehr als 25.000 Fälle gemeldet, zwischen Januar und März 2024 waren es schon mehr als 32.000. Die Zahlen ähnelten denen von 2016 mit 41.026 und 2019 mit 34.468 Fällen, in denen es bereits größere Ausbrüche gegeben hat.
Betroffen von der hochansteckenden Erkrankung seien laut ECDC von Januar 2023 bis März 2024 in 17 Ländern Europas vor allem Säuglinge unter einem Jahr, während in 6 Ländern die höchste Inzidenz bei Jugendlichen im Alter von 10-19 Jahren lag. Aus Kroatien, Dänemark und Luxemburg wurde beispielsweise die höchste Inzidenz bei Kindern im Alter von 10 bis 14 Jahren gemeldet, gefolgt von Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren. In Tschechien und Slowenien war diese Altersgruppe sogar am stärksten betroffen. Dem ECDC seien bereits 19 Todesfälle in diesem Jahr bekannt. Es handele sich dabei um elf Säuglinge und acht Menschen über 60 Jahre.

Die Grafik zeigt eindeutig den sprunghaften Anstieg der Keuchhusten-Fälle in diesem Jahr.
(Foto: © ECDC 2024)
Viele Fälle auch in Deutschland
Auch in Deutschland gibt es in diesem Jahr mehr Fälle von Keuchhusten. Dem Robert-Koch-Institut (RKI) zufolge wurden 2024 bereits 4180 Erkrankungen registriert. Im gleichen Zeitraum 2023 waren das 1446 Keuchhusten-Fälle. In Baden-Württemberg beispielsweise sind derzeit besonders viele Kinder bis 14 Jahre erkrankt. Das meldet der SWR unter Berufung auf das Landesgesundheitsministerium. 2023 wurden demnach landesweit 29 Keuchhusten-Erkrankungen bei den bis zu 14-Jährigen registriert. In diesem Jahr sind es bereits 484 Fälle. Das sind knapp fünfmal so viele wie im Vor-Pandemiejahr 2019. Damals lag die Zahl der gemeldeten Keuchhusten-Erkrankungen bei 98.
Das ECDC stuft das Erkrankungsrisiko für nicht oder teilweise geimpfte Säuglinge unter sechs Monaten derzeit als hoch ein. Dies sei die Gruppe mit der höchsten Morbidität und Mortalität durch Keuchhusten. Säuglinge im Alter von über 6 Monaten und Kinder bis 15 Jahre hätten ein mäßiges Risiko, wenn sie nicht oder nur teilweise geimpft sind, und ein geringes Risiko, wenn sie vollständig geimpft sind.
Auch Folge der Pandemie-Maßnahmen
Obwohl es alle drei bis fünf Jahre zu Keuchhusten-Epidemien kommt, sind die Zahlen der Keuchhusten-Fälle, die bisher für 2024 registriert wurden, besonders hoch. Auch die Gruppe der besonders Betroffenen ist eine andere als sonst. Fachleute sind sich einig darüber, dass die Gründe dafür vielfältig sind und es sich dabei auch um eine Folge der Corona-Maßnahmen handelt. Masken und Lockdown haben dazu geführt, dass sowohl die Immunität gegen Keuchhusten in der Bevölkerung zurückgegangen ist, als auch die Pandemie zu einer größeren Impfskepsis in der Bevölkerung geführt hat.
Menschen können sich unabhängig von ihrem Alter und mehrmals in ihrem Leben mit Keuchhusten infizieren und daran erkranken. Eine Impfung gilt als bester Schutz vor der Erkrankung, vor allem für Säuglinge, immungeschwächte und ältere Personen. Das RKI empfiehlt die Dreifachimpfung für Säuglinge. Auch Schwangere oder enge Kontaktpersonen von Kindern sollten sich dem Institut zufolge impfen lassen. Eine Immunität nach einer Impfung oder durchgemachter Erkrankung hält durchschnittlich sechs bis zehn Jahre an. Der Impfschutz sollte deshalb regelmäßig aufgefrischt werden.
Viele Erwachsene ohne typischen Husten
Keuchhusten, in der Fachsprache auch als Pertussis bezeichnet, ist weltweit eine der häufigsten Infektionskrankheiten. Die Erkrankung wird durch stäbchenförmige Bakterien mit der Bezeichnung Bordetella pertussis übertragen. Die Inkubationszeit, also der Zeitraum von der Ansteckung bis zum Ausbruch des Keuchhustens, liegt bei circa 7 bis 20 Tagen. Der erkrankte Mensch selbst ist ab Ende der Inkubationszeit für etwa 5 bis 6 Wochen ansteckend, wobei die Gefahr in den ersten beiden Wochen nach Ausbruch und den zwei Wochen nach Hustenbeginn am größten ist. Antibiotika helfen, die Ansteckungsphase auf fünf Tage nach Therapiebeginn zu verringern.
Die Erkrankung beginnt meistens mit leichten Erkältungssymptomen. Betroffene fühlen sich schwach, haben Halsschmerzen oder Schnupfen. Innerhalb von 7 bis 14 Tagen vermehren sich die Bakterien auf den Schleimhäuten der Atemwege und zerstören diese lokal mit den bakterienspezifischen Giften. Das führt dazu, dass umliegendes Gewebe geschädigt und das Immunsystem geschwächt wird.
Erkrankte Kinder und Jugendliche bekommen heftige und krampfartige Hustenanfälle, die sogar mehrere Monate anhalten können. Der trockene und stakkatoartige Husten ist charakteristisch für die Erkrankung und hat ihr auch ihren Namen verliehen. Bei einer Vielzahl der Erwachsenen verläuft Keuchhusten allerdings untypisch und bleibt daher über längere Zeit unerkannt.
Quelle: ntv.de, jaz