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"Junge aus West-Berlin" Er ist der King im Osten - bis die Mauer fällt

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Der Autor Maxim Leo wurde 1970 im Ostteil Berlins geboren - er hat die beschriebene Zeit also miterlebt.

Der Autor Maxim Leo wurde 1970 im Ostteil Berlins geboren - er hat die beschriebene Zeit also miterlebt.

(Foto: IMAGO/Horst Galuschka)

Junge aus dem Westen trifft Mädchen aus dem Osten, sie verlieben sich: eine Geschichte, die Hunderte, Tausende Male passiert ist. So auch in "Junge aus West-Berlin" von Maxim Leo. Marc und Nele erleben einen rauschhaften Sommer 1989 in Berlin-Prenzlauer Berg - doch der Mauerfall hat dann andere Folgen für sie als erwartet.

Der Buchtitel erinnert natürlich sofort an Udo Lindenbergs Song "Mädchen aus Ost-Berlin". Und tatsächlich gibt es Parallelen: Ein Typ kommt in den Ostteil der Stadt, weit vor dem Mauerfall, und da trifft er "ein ganz heißes Mädchen ... und du findest sie sehr bedeutend und sie dich auch". Hier hört es aber schon auf mit den Ähnlichkeiten. Es bleibt, zumindest bei Ost-Mädchen Nummer eins, bei der kurzen Begegnung - die sich aber dafür als schicksalhaft herausstellt und sein ganzes Leben grundlegend ändert.

Alles in Grau - dunkel, hell, warm ... und etwas kräftiges Rosa. Illustratorin Kat Menschik wollte so "allen Zeichnungen die Farbigkeit Ostberlins verleihen".

Alles in Grau - dunkel, hell, warm ... und etwas kräftiges Rosa. Illustratorin Kat Menschik wollte so "allen Zeichnungen die Farbigkeit Ostberlins verleihen".

(Foto: Galiani Verlag)

Denn Marc, der Junge aus Karlsruhe, bemerkt 1977 bei der Klassenfahrt nach Berlin eine ihm bisher unbekannte Wirkung: Allein die Tatsache, dass er aus dem Westen kommt, lässt die Augen des Mädchens glänzen - sie findet ihn interessant! Ihn! Der sich selbst "auf dem Gipfel seiner Hässlichkeit" fühlt, picklig, stinkig und gähnend langweilig. Eine ganz neue, aufregende Erfahrung, die ihn später zum Studium nach West-Berlin führt. Und die er dann problemlos im Osten wieder und wieder machen kann: "Die Leute verwandelten sich, sobald sie erfuhren, dass ich aus dem Westen kam."

Der große Zampano

Marc taucht ein in die Vorwende-Szene im Ost-Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, geht auf WG-Partys, ins "Wiener Café" in der Schönhauser Allee, tanzen im "Cafe Nord". Er kann hier den großen Zampano geben, fühlt sich wie der King, macht sich selber noch interessanter, indem er sich als große Nummer in der Musikbranche ausgibt. Dabei arbeitet er nur in einer Klappstuhl-Firma ... Kann ja niemand überprüfen. Und er versorgt "besonders charismatische Künstler und besonders schöne Frauen" mit all den begehrenswerten West-Waren, die sie bei ihm bestellen, von exotischem Obst über Bücher bis Jeans. Dafür geht zwar viel Geld drauf, aber sein Ansehen wächst - und er fühlt sich eh längst wohler, lebendiger im "dunklen Osten, wo meine Lebensfreude wohnte", und verbringt so viel Zeit wie möglich dort.

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Junge aus West-Berlin
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Und dann trifft er Nele. Der ist egal, dass er aus dem Westen kommt. Eine sehr besondere junge Frau mit einer großen Vorliebe für alles Französische - die Dichter, die Musik, das Essen, der Wein ... und mit einem durchaus typischen Prenzlauer-Berg-Leben der Vorwendezeit: Sie bemalt Keramik und kann sehr gut davon leben. Marcs West-Geschenke schrecken sie eher ab, Nele fühlt sich auf einer ganz anderen Ebene mit ihm verbunden - und ist erstaunt, "dass es noch jemand von meiner Art gab".

Sie verbringen so viel Zeit wie möglich zusammen, auf den Dächern oder zurückgezogen in ihrem "Schloss"; eine tiefe und sehr spezielle Liebe entsteht. Und Marc und Nele erleben zusammen den Sommer 1989, jenen so besonderen Sommer der vielen Ausreisen, der Abschiedspartys, der Veränderungen - der im Herbst in der allergrößten Veränderung endet: Die Mauer fällt. Nun endlich!, mag man denken und denkt auch Nele, nun endlich können sie immer zusammen sein. Doch für Marc ist es der Anfang vom Ende.

Besondere Lebenswelten, besondere Zeit

Kat Menschik hat "Junge aus West-Berlin" illustriert - es ist der 18. Band ihrer Reihe "Lieblingsbücher" beim Verlag Galiani.

Kat Menschik hat "Junge aus West-Berlin" illustriert - es ist der 18. Band ihrer Reihe "Lieblingsbücher" beim Verlag Galiani.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

In Maxim Leos "Junge aus West-Berlin" erzählen beide Protagonisten abwechselnd ihre Geschichte - ihre eigene und die als Paar. In dem schmalen Band lässt Leo die Leserschaft eintauchen in jene ganz spezielle Zeit und die Szene im Ost-Berlin dieser Tage, die sich vor allem in den Stadtteilen Prenzlauer Berg und Mitte konzentrierte. Die verrauchten, rotweingetränkten Nächte, die Lesungen und Diskussionen im privaten Kreis, die Nischen jenseits des sozialistischen Alltags, die maroden Altbauten, die besetzten Wohnungen. Leo ist Jahrgang 1970, geboren in Ost-Berlin, und hat die Zeit daher selbst miterlebt.

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Ebenso wie die Illustratorin Kat Menschik, nur wenig älter - sie erinnert sich mit Erstaunen beim Blättern in Tagebüchern von damals daran, dass sie "jeden, wirklich jeden Abend" unterwegs war, bei "heimlichen Punkkonzerten, Lesungen, Ausstellungen, Partys". Ihre wunderbaren Zeichnungen machen dieses Buch - schon Band 18 ihrer Reihe "Lieblingsbücher" beim Galiani-Verlag - ganz besonders: Sie sind alle grau, aber in verschiedenen Tönen. Die verschiedenen Grautöne des Ostens, ergänzt nur durch eine Farbe: Rosa. Für die Liebe. Auf dem Cover eingeprägt: ein DDR-Einreisestempel, Bahnhof Friedrichstraße. Die dortige Grenzübergangsstelle wurde im Volksmund bekannt als "Tränenpalast", wegen der vielen tränenreichen Abschiedsszenen dort.

Und Marc und Nele? Bedeutet der Mauerfall wirklich das Ende ihrer Liebe? Das lässt Maxim Leo offen - aber hoffnungsvoll offen.

Quelle: ntv.de

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