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"Tatort" aus Berlin Schmerzhaft aktuell

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Susanne Bonard (Corinna Harfouch, mi.) und Robert Karow (Mark Waschke, re.) finden die Verdächtige Soraya Barakzay (Pegah Ferydoni, li.) bei einer Protestaktion vor dem Brandenburger Tor.

Susanne Bonard (Corinna Harfouch, mi.) und Robert Karow (Mark Waschke, re.) finden die Verdächtige Soraya Barakzay (Pegah Ferydoni, li.) bei einer Protestaktion vor dem Brandenburger Tor.

(Foto: rbb/Gordon Muehle)

Kürzlich legte der Untersuchungsausschuss zum Abzug der Bundeswehrtruppen aus Afghanistan 2021 seine Ergebnisse vor. Der Berliner "Tatort" erzählte eine brisante Geschichte zum Thema - fiktiv zugespitzt und doch denkbar.

Es waren hochdramatische Bilder vom Flughafen in Kabul und doch scheinen sie für viele fast schon wieder vergessen. Menschen klammerten sich an startende Flugzeuge. Männer, Frauen und Kinder versuchten in höchster Not, irgendwie das Land zu verlassen. Im August 2021 zogen internationale Streitkräfte Hals über Kopf aus Afghanistan ab, auch deutsche Truppen waren Teil dieser Aktion.

Mit dem Doha-Abkommen von 2020 war der Grundstein gelegt worden, ein Agreement, wie es so schön heißt, zwischen den USA und den Taliban. Der offizielle Titel: "Abkommen, um Frieden nach Afghanistan zu bringen, zwischen dem Islamischen Emirat Afghanistans, das von den Vereinigten Staaten als Staat nicht anerkannt wird und als Taliban bekannt ist, und den Vereinigten Staaten von Amerika." So weit, so "gut" - nicht involviert in diese Verhandlungen: die gewählte afghanische Regierung und die Nato-Verbündeten.

Mit der Machtübernahme der radikal-islamistischen Taliban und dem Ende des über 20-jährigen Militäreinsatz der Bundeswehr - zwischenzeitlich sind es um die 5300 deutsche Soldaten in Afghanistan, über 90.000 insgesamt, und damit der bislang größte Auslandseinsatz - geraten Tausende Ortskräfte ins Visier der Taliban. Sie haben oft über Jahre für deutsche Behörden gearbeitet, als Assistenten, Übersetzer, Köche, Fahrer. Für die Taliban sind sie Verräter, Spione, Feinde, für sie besteht höchste Lebensgefahr.

Von Kabul 2021 nach Berlin 2025 in 90 Minuten

In Deutschland wird schließlich eine Enquete-Kommission zur Untersuchung der damaligen Vorgänge eingesetzt, die Ergebnisse liegen nun vor. Der Tenor: Der Westen hat in großem Ausmaß versagt, Deutschland eingeschlossen. Als die Kommission den Bericht im Plenum vorlegt, ist das Interesse überschaubar. Afghanistan ist immer noch ein Thema, es geht jedoch längst um andere Baustellen. Im Zuge jüngster Anschläge, kürzlich in Aschaffenburg, hochaktuell in München, geht es um den umstrittenen Gesetzesvorschlag der Union zum Thema Migration.

Das ist eine Menge Anlauf - und damit ist nicht dieser Artikel bis hierhin gemeint, vielmehr geht es natürlich um den "Tatort", der thematisch den Finger in diese Wunde hält. Von Kabul 2021 bis nach Berlin 2025 in gerade mal 90 Minuten, die Story eine tragische Verknüpfung der Protagonisten von damals mit den vermeintlich Schuldigen von heute. Ein Bundeswehrsoldat, der für getötete afghanische Kinder blutige Rache nimmt. Ein ehemaliger Abgeordneter auf Abwegen. Eine afghanische Freiheitskämpferin, die sich nicht instrumentalisieren lassen will. Ein Kommissar und eine Kommissarin, die zwischen den Fronten stehen, und angesichts der aktuellen Opfer in hilfloser Wut die Akten durchs Büro schleudern.

"Vier Leben", der vierte gemeinsame Fall für das Berliner Team Susanne Bonard (Corinna Harfouch) und Robert Karow (Mark Waschke), hatte sich eine Menge vorgenommen. Der Showdown in der Tiefgarage mag allzu hollywoodesk geraten sein, die auf einen Tag zusammengedampfte Story jedoch war spannend inszeniert, auch die filmische Ästhetik bot einiges an urbanen Schauwerten. Und dann ist da natürlich das Timing. Rund um die Ergebnisse der Enquete-Kommission könnte der Zeitpunkt kaum passender sein, gleichzeitig haben sich die Uhren weitergedreht.

Nächster "Tatort" fällt aus

Es waren Männer aus Afghanistan, die in Aschaffenburg und München schwerste Straftaten begangen haben. Lag der öffentliche Fokus zuvor schon kaum auf den Umständen in Kabul 2021, sind diese Ereignisse angesichts der aktuellen Lage weiter in den Hintergrund gerückt. Im Ersten läuft der "Tatort" - auf RTL wird gleichzeitig das Quadrell übertragen, die Vertreter der Spitzenparteien diskutieren angesichts der bevorstehenden, so entscheidenden Wahl. Afghanistan ist auch hier ein Thema, aus völlig anderer Perspektive jedoch als beim "Tatort", anders gesagt: So weit können aktuell und brandaktuell in diesen Tagen auseinander liegen.

Am kommenden Sonntag fällt der "Tatort" zugunsten der "Berliner Runde" aus, mit der Aktualität einer Bundestagswahl könnte es nicht einmal der Sonntagabendklassiker aufnehmen. Der meldet sich am 2. März 2025 aus München wieder, Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Batic (Miroslav Nemec) ermitteln dann im Fall "Charlie", erneut spielt das Militär eine Rolle, während eines Nato-Manövers kommt es zu rätselhaften Todesfällen.

Quelle: ntv.de

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