Politik

John Kirby im Interview "Das ist ein Bereich, über den ich nicht sprechen darf"

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John Kirby sprach mit ntv-Korrespondent Christopher Wittich im Garten des Weißen Hauses.

John Kirby sprach mit ntv-Korrespondent Christopher Wittich im Garten des Weißen Hauses.

(Foto: RTL/ntv)

Die USA arbeiten mit der Ukraine an der möglichen Umsetzung eines 10-Punkte-Plans, sagt der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby. Dieser Plan setze allerdings voraus, "dass Putin zu Verhandlungen bereit ist". Im Interview mit ntv spricht Kirby auch über das Verhältnis von US-Präsident Biden zu Bundeskanzler Scholz und über den Konflikt der USA mit China. Nur über die Möglichkeit, dass Donald Trump die Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr gewinnen könnte, will Kirby nichts sagen.

ntv: Lassen Sie uns mit der Situation in der Ukraine beginnen. Dieser schreckliche Krieg dauert nun schon fast seit anderthalb Jahren an. Wie ist aus Ihrer Sicht die Lage auf dem Schlachtfeld?

John Kirby war Konteradmiral der US-Navy. 2021 und 2022 war er Sprecher des Pentagon, seither ist er der Koordinator für die strategische Kommunikation des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus.

John Kirby war Konteradmiral der US-Navy. 2021 und 2022 war er Sprecher des Pentagon, seither ist er der Koordinator für die strategische Kommunikation des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus.

(Foto: AP)

John Kirby: Im Osten und Süden der Ukraine wird aktuell heftig gekämpft, der ukrainische Präsident Selenskyj hat in den vergangenen Tagen mehrfach davon gesprochen. Die ukrainischen Truppen versuchen, von den Russen eingenommene Gebiete zurückzuerobern. Und wir als Vereinigte Staaten versuchen sicherzustellen, dass die Ukraine alles hat, was sie braucht, um in diesem Krieg erfolgreich zu sein, und sicherzustellen, dass wenn Präsident Selenskyj bereit ist, mit Wladimir Putin zu verhandeln, er dies aus einer Position der Stärke heraus tun kann.

Der ukrainische Präsident hat einen globalen Friedensgipfel in der Schweiz vorgeschlagen. Was ist Ihre Reaktion?

Wir sind der festen Überzeugung, dass es Frieden geben muss und bald auch geben könnte - vorausgesetzt, dass Putin seine Truppen abzieht. Aber das wird er natürlich nicht tun. Deshalb unterstützen wir Präsident Selenskyj. Ich kann heute keinen offiziellen Kommentar der US-Regierung zum Selenskyj-Vorschlag eines Friedensgipfels in der Schweiz machen, aber ich kann Ihnen sagen: Wir arbeiten mit den Ukrainern zusammen an der möglichen Umsetzung eines 10-Punkte-Plans. Der aber setzt voraus, dass Putin zu Verhandlungen bereit ist.

Sehen Sie Signale, dass Präsident Putin dazu bereit ist?

Nein, ganz im Gegenteil. Er schickt weiter Soldaten und Waffensysteme in die Ukraine, tötet unschuldige Ukrainer und zerstört die zivile Infrastruktur. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass er bereit ist, diesen Krieg zu beenden.

Es gibt eine Diskussion in Europa und Deutschland über den NATO-Beitritt der Ukraine. Wann wäre der richtige Moment dafür?

Es gab vor einigen Jahren in Bukarest eine Erklärung der NATO, dass die Allianz die Zukunft der Ukraine ist. Und nun, im Vorfeld des nächsten NATO-Gipfels in Vilnius, gibt es aktive Diskussionen darüber, wie die Zukunft der Ukraine in Bezug auf das Bündnis aussehen könnte. Was ich Ihnen sagen kann: Die Vereinigten Staaten werden der Politik der offenen Tür beibehalten. Wir sind der Meinung, dass jede Entscheidung über den Beitritt einer neuen Nation, wie etwa im Fall von Finnland und hoffentlich bald Schweden, eine Frage der offenen Diskussion sein muss. Wir konzentrieren uns aktuell auf zwei Dinge: sicherstellen, dass die Ukraine in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen, und zweitens langfristige Hilfe. Denn egal, wie dieser Krieg endet oder unter welchen Umständen, die Ukraine wird weiterhin eine Grenze zu Russland haben. Da geht es um Sicherheits- und Selbstverteidigungsbedürfnisse. Darum geht es bei der Diskussion um die NATO-Mitgliedschaft.

Könnte die NATO Sicherheitsversprechen für die Ukraine geben?

Es wird innerhalb des NATO-Bündnisses Diskussionen über mögliche Sicherheitsverpflichtungen geben. Da sind alle Mitgliedsstaaten involviert. Aber ich möchte diesen Gesprächen nicht vorgreifen.

Wenn wir uns die Rolle Deutschlands mit Blick auf die Ukraine anschauen: Tut Deutschland genug?

Deutschland macht immer mehr. Deutschland ist bereits jetzt einer der größten Geldgeber. Und schauen Sie sich die vergangenen Monate an. Deutschland hat der Ukraine das Patriot-Raketen-Abwehrsystem gegeben. Deutschland hat gepanzerte Fahrzeuge geliefert. Und die deutsche Regierung sucht intensiv nach Wegen, um auch langfristig einen Beitrag zu leisten. Wir sind sehr dankbar für die deutsche Unterstützung und die führende Rolle, die Bundeskanzler Scholz dabei übernommen hat.

Kanzler Scholz und Präsident Biden sprechen häufig miteinander, aber manchmal hat man das Gefühl, dass da Spannungen in den Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland sind. Zum Beispiel, als es um die Lieferung von Panzern ging.

Präsident Biden hat ein ausgezeichnetes Verhältnis zu Kanzler Scholz. Sie können sehr gut miteinander. Sie sprechen sehr häufig miteinander und sie bewerten die Lage in der Ukraine ähnlich: Russland ist der Aggressor. Die Ukraine ist das Opfer und wir alle müssen unseren Beitrag leisten, um der Ukraine auf dem Schlachtfeld zu helfen. Jeder Regierungschef hat aber eigene Angelegenheiten, um die er sich kümmern muss. Und Präsident Biden ist sich dessen bewusst. Er hat großen Respekt vor Kanzler Olaf Scholz. Und Bundeskanzler Scholz hat Mut, Führungsstärke und Entschlossenheit bewiesen, indem er die Ukraine weiter unterstützen will. Und, wie gesagt: Wir sind dankbar dafür.

Im Moment sind die Vereinigten Staaten die Nummer eins, wenn es darum geht, der Ukraine militärische und andere Unterstützung zukommen zu lassen. Aber nächstes Jahr stehen Wahlen an, und vielleicht sitzt dann Mr. Trump wieder dort, im Weißen Haus. Wird das das Ende der Unterstützung für die Ukraine sein?

Jetzt kommen wir in einen Bereich, über den ich nicht sprechen darf. Ich kann nicht mit Ihnen über den Wahlkampf hier in Amerika reden. Das übersteigt meine Gehaltsklasse. Ich kann Ihnen nur sagen, dass Präsident Biden unser Oberbefehlshaber ist. Und er ist entschlossen, wie er mehrfach gesagt hat, die Ukraine so lange zu unterstützen, wie es nötig ist.

Aber das ist eine Sorge in Deutschland und Europa: dass die Beziehungen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten sich wieder deutlich verschlechtern könnten nach der nächsten Wahl.

Seit Präsident Biden im Amt ist, liegt einer seiner Schwerpunkte darauf, unsere Bündnisse und Partnerschaften mit anderen Nationen zu stärken, sie neu zu beleben und sie wieder zu dem zu machen, was sie sein sollten. Und er glaubt, dass er dabei bislang gute Arbeit geleistet hat. Wenn man sich die Stärke unserer Bündnisse und Partnerschaften aktuell anschaut, dann sind wir wirklich auf einem noch nie dagewesenen Niveau, und das schließt Europa und die NATO ein.

Der Präsident sagt immer wieder, dass die Unterstützung so lange wie nötig weitergehen wird.

Das sagt nicht nur Präsident Biden. Jeder Regierungschef der NATO-Staaten sagt dasselbe. Genau wie die G7-Mitglieder, die sich erst kürzlich in Hiroshima getroffen haben. Es geht um die internationale, auf Regeln basierende Ordnung, die Präsident Putin nur zu gern zerstören würde, um den europäischen Kontinent nach seinen Vorstellungen umzugestalten. Wir sind uns mit unseren europäischen Verbündeten einig, dass ihm das nicht gelingen wird.

Es gibt einen weiteren Konfliktherd. Die Situation zwischen China und Taiwan. Werden die Spannungen auch in einem Krieg enden?

Wir haben nichts anderes als klar und konsequent gehandelt. An der Ein-China-Politik der USA hat sich nichts geändert. Unser Wunsch, dass Taiwan nicht die Unabhängigkeit erklärt, hat sich nicht geändert. Wir wollen nicht, dass der Status quo einseitig und schon gar nicht mit Gewalt verändert wird. Es gibt keinen Grund, dass dies zu einem noch größeren Spannungsfeld oder einem militärischen Konflikt wird. Und wir werden weiterhin an zwei Dingen arbeiten: erstens, die Selbstverteidigung Taiwans weiterhin zu unterstützen, aber auch zweitens, zu versuchen, die Kommunikationslinien zu verbessern, die wir mit der Volksrepublik China haben. US-Außenminister Antony Blinken wird in Kürze nach Peking reisen. Was er dort probieren wird, ist, Ideen zu besprechen, die die Kommunikation mit China verbessern können. Denn wenn man keine guten Kommunikationswege hat - und das haben wir im Moment an der militärischen Front nicht -, dann erhöht sich das Risiko von Fehleinschätzungen und Missverständnissen, und das könnte das Risiko eines Konflikts erhöhen. Und noch einmal: Das kann nicht im Interesse von irgendeinem Beteiligten sein. Ganz sicher nicht in unserem. Auch nicht im Interesse des chinesischen Volkes. Und offen gesagt ist es auch nicht im Interesse der Welt.

Warum ist die Welt eigentlich im Moment voller Spannungen, egal, wohin man schaut?

Wie Präsident Biden bereits sagte, befinden wir uns weltweit an einem Wendepunkt, und es gibt viele verschiedene Faktoren, die zu diesem Anstieg der Spannungen führen. Einige davon sind geopolitischer Natur. Wir haben darüber gesprochen: zum Beispiel die Volksrepublik China und Taiwan, und natürlich über das, was Putin in der Ukraine tut. Einige andere Probleme sind auf den Klimawandel zurückzuführen, Dürre, Hungersnöte, Überschwemmungen und extreme Wetterbedingungen verstärken das. Dadurch werden mehr Menschen vertrieben und die wirtschaftliche Instabilität in der Welt nimmt zu. Aber es ist auch einiges auf wirtschaftliche Variablen zurückzuführen, die kein Land allein kontrollieren kann. Genau deshalb ist das Netz von Bündnissen und Partnerschaften, das die Vereinigten Staaten unterhalten, so wichtig, und deshalb investiert Präsident Biden so viel Zeit und Mühe, um diese Beziehungen zu verbessern. Gerade nächste Woche werden wir einen Staatsbesuch von Premierminister Modi aus Indien haben. Indien ist zwar technisch gesehen kein Verbündeter, aber das Land ist ein starker Partner. Bei all den Spannungen, von denen Sie sprechen, ist es umso wichtiger, dass Länder und Nationen in der Lage sind, miteinander zu kommunizieren, sich abzustimmen und Meinungsverschiedenheiten auf eine Weise auszutragen, die nicht in einen bewaffneten Konflikt ausartet.

Mit John Kirby sprach Christopher Wittich

Quelle: ntv.de

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