Politik

Auswege aus Handelskrieg Mit diesen Tricks haben die Europäer Trump schon einmal rumgekriegt

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Das Handelsdefizit mit der EU ist Trump ein Dorn im Auge.

Das Handelsdefizit mit der EU ist Trump ein Dorn im Auge.

(Foto: picture alliance / Consolidated News Photos)

"Sehr unfair" würden die USA von der Europäischen Union behandelt, sagt US-Präsident Trump. Er droht deshalb mit Zöllen - wie schon in seiner ersten Amtszeit. Die EU könnte die gleichen Kniffe wie damals nutzen, um ihn zum Einlenken zu bewegen.

Wie lässt sich US-Präsident Donald Trump davon abbringen, Zölle von zehn Prozent auf den Import aller EU-Waren zu verhängen? In Brüssel kreisen die Gedanken um Antworten auf diese Frage. Trumps Drohgebärden wirken - vor allem in Deutschland, das als Exportnation besonders vom Handel mit den USA abhängt. Noch besteht die Hoffnung, Unheil abzuwenden. Schließlich kennen die Europäer einige Tricks, mit denen sie Trump zum Einlenken bewegen könnten. Während Trumps erster Amtszeit konnten sie so schon einmal die Eskalationsspirale im Handelskrieg unterbrechen.

Damals hatte Trump Zölle auf die Einfuhr von Stahl und Aluminium aus Europa verhängt. Im nächsten Schritt kündigte er an, eine Abgabe von 25 Prozent auf die Auto-Importe aus der EU einzuführen. Der damalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wollte dies verhindern. Er schlug Trump 2018 bei einem Gespräch im Weißen Haus einen Deal vor: Die EU werde sowohl mehr Flüssiggas als auch mehr Sojabohnen aus den USA importieren, falls von weiteren Zöllen abgesehen wird. Der US-Präsident nahm das Angebot nicht nur an, er drückte Juncker vor Kameras sogar einen Kuss auf die Wange. "Die EU und die USA lieben einander!", schrieb Trump zu dem Foto auf X, das damals noch Twitter hieß. Die Zölle auf Autoimporte aus der EU kamen nie, obwohl Trump noch einige Jahre Präsident war.

Tatsächlich handelte es sich bei Junckers Deal aber um eine List: Wie viel Flüssiggas oder Sojabohnen aus den USA gekauft werden, bestimmen nämlich die europäischen Unternehmen; die EU hat kaum Einfluss darauf. Darüber sei er sich beim Gespräch mit Trump im Klaren gewesen, sagte Juncker im Interview mit dem "Spiegel". Auf die Frage, ob er Trump damals über den Tisch gezogen habe, antwortete Juncker spitzbübisch: "Sagen wir es mal so: Ich wollte ihn nicht über den Tisch ziehen, aber ich wollte ihn auch nicht mit allzu vielen Details bekannt machen." Offen bleibt, ob Trump sich dessen nicht bewusst war - oder ob es ihm egal war, da er das Angebot in der US-Öffentlichkeit als einen Deal verkaufen konnte.

"Trump versteht Handel als eine Art Nullsummenspiel"

Juncker betonte auch, er habe Trump damals ernst genommen, obwohl der US-Präsident ein völlig verzerrtes Bild von der EU gehabt habe. So sei Trump davon überzeugt gewesen, die Mitgliedstaaten hätten die Europäische Union ins Leben gerufen, um den Interessen der USA zu schaden.

Diese Ansicht hat Trump nicht geändert, zumindest nicht in seinen öffentlichen Reden. Zuletzt wurde das bei seinem Auftritt beim Weltwirtschaftsforum in Davos deutlich. "Die EU behandelt uns sehr unfair und sehr schlecht", sagte Trump. Er warf Brüssel fälschlicherweise erneut vor, keine landwirtschaftlichen Produkte und keine Autos aus den USA zu kaufen. Und er nutzte die gleichen Drohgebärden wie in seiner ersten Amtszeit.

Der Hintergrund: Das Handelsdefizit mit der EU ist ihm nach wie vor ein Dorn im Auge. "Trump versteht Handel als eine Art Nullsummenspiel: Wenn der eine gewinnt, verliert der andere. Das ist weit entfernt von ökonomischer Logik. Demnach ist in der Regel Handel eine Win-win-Situation für beide Seiten", sagte Samira Sultan vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), im Gespräch mit ntv.de. Mit Strafzöllen würde Trump außerdem auch der US-Wirtschaft schaden, weil sie zu höheren Preisen führen. Die EU und ihre Mitgliedstaaten würden allerdings noch stärker darunter leiden, da die Vereinigten Staaten ein großer Markt seien, sagte Sultan.

EU erwägt Sanktionen gegen Moskaus LNG

Für die Europäer steht also viel auf dem Spiel. Und sie können nicht davon ausgehen, Trump nochmal mit leeren Versprechen zu locken, wie damals Juncker. Trump hat dazugelernt; er und sein Umfeld haben sich auf seine zweite Amtszeit wesentlich besser vorbereitet als auf die erste. Zwar erneuerte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als Junckers Nachfolgerin an der Kommissionsspitze das Angebot, mehr Gas aus den USA zu importieren. Allerdings bereitet sich die EU bereits für den Fall vor, dass solche Angebote nicht ausreichen. In diesem Zusammenhang könnte Brüssel "die Frage nach der Sanktionierung von russischem Flüssiggas" angehen, sagte Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses des Europaparlamentes, ntv.de. "Damit würde sofort der Druck auf die EU erhöht, andere Märkte zu erschließen."

Zwar stehen die USA bereits an der Spitze der LNG-Lieferanten für die EU. Allerdings beziehen die Mitgliedstaaten noch immer einen beträchtlichen Teil aus Russland, weil Gas- im Gegensatz zu Öl-Importen nicht sanktioniert sind. Im Dezember importierten die EU-Länder laut der Brüsseler Denkfabrik Bruegel sogar mehr als ein Fünftel ihres Flüssiggases aus Russland.

Die EU-Kommission arbeitet laut einem Bericht des "Handelsblatts" bereits an einem Vorschlag für ein Gas-Embargo, durch das die Einfuhren aus Russland stufenweise auslaufen sollen. Der Vorschlag soll demnach schon kommende Woche auf den Tisch gelegt werden, als Teil des 16. Sanktionspakets gegen Moskau. Das Problem: Sanktionen müssen im Rat von den europäischen Staats- und Regierungschefs einstimmig beschlossen werden. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban etwa könnte sich als ein Vertrauter von Präsident Wladimir Putin dagegenstellen. Auch andere Staaten könnten diesbezüglich Bedenken anmelden, falls sie um ihre Energieversorgung fürchten. Als 2022 die Öl-Sanktionen kamen, wurde in Brüssel eine Lösung gefunden: Ungarn, Tschechien und die Slowakei handelten sich Ausnahmen vom Embargo heraus. Möglich wäre dies theoretisch auch beim Flüssiggas.

EU-Gegenzölle könnten Harley Davidson treffen

Für die EU ergeben sich jedoch weitere Probleme. Würde sie vor allem auf die USA als LNG-Lieferanten setzen, ginge sie das Risiko einer "stärkeren Abhängigkeit von einem Anbieter ein", sagte Lange. Ähnliche Gefahren sieht er in der Idee, mehr Waffen aus den Vereinigten Staaten zu importieren. Eigentlich wollte die EU unter dem Stichwort "De-Risking" Abhängigkeit von übermächtigen Handelspartnern mindern und Lieferketten diversifizieren. Der Plan entstand, als nach dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine deutlich wurde, welche Folgen die Abhängigkeit einiger Mitgliedstaaten von Moskaus Energielieferungen hatte. Auch die USA sind unter einem erratisch agierenden Präsident Trump kein verlässlicher Partner mehr.

"Nur mit einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche wird es mit Trump funktionieren", sagte Anna Cavazzini, Vorsitzende des Binnenmarkt-Ausschusses im Europaparlament, ntv.de. Das Zuckerbrot wäre der verstärkte Kauf von US-Waren. Die Peitsche wären Vergeltungsmaßnahmen, also Gegenzölle. Ab April kann es zum Showdown zwischen Washington und Brüssel kommen. Dann legen US-Behörden eine Untersuchung vor, die Trump als Basis für Zölle nutzen könnte. Zudem treten Ende März die US-Zölle auf Stahl und Aluminium aus der EU wieder in Kraft. Trumps Amtsvorgänger Joe Biden hatte sie für mehrere Jahre ausgesetzt.

Falls Trump den Zollstreit ab April eskalieren lässt, könnte Brüssel laut Lange in den eigenen "Werkzeugkasten" greifen. Zu möglichen Gegenmaßnahmen gehört demnach, dass die EU umgekehrt auch Zölle auf Stahl und Aluminium aus den USA erhebt. Doch damit nicht genug: Die EU könnte beim Import bestimmter Produkte aus den USA, wie Harley-Davidson oder Bourbon Whiskey, Abgaben von bis zu 50 Prozent fordern.

Die Auswahl der Produkte klingt zunächst willkürlich, folgt jedoch einer Logik: Die Waren werden in denjenigen US-Bundesstaaten produziert, in denen Trumps Republikaner die Gouverneure, Senatoren oder Abgeordneten im Repräsentantenhaus stellen. Dadurch soll Druck auf republikanische Politiker ausgeübt werden, damit sie sich gegen Trumps Zollpolitik auflehnen. Die gleichen Maßnahmen hatte Brüssel bereits während Trumps erster Amtszeit ergriffen. Sie könnten dazu beigetragen haben, dass Trump damals von den Einfuhrbeschränkungen für die Auto-Importe aus der EU absah.

Um die USA im Handelskonflikt in Schach zu halten, ist also beides wichtig: Einerseits das diplomatische Verhandlungsgeschick nach dem Vorbild Junckers, andererseits die Trickkiste der EU, in die sie greifen kann, um Zölle gezielt einzusetzen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen