Ratgeber

Vier Prozent für Kinderlose Beiträge zur Pflege sollen teils kräftig steigen

100543268.jpg

Die Beitragserhöhung soll der Kassen jährlich 6,6 Milliarden Euro bringen.

(Foto: picture alliance / Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/ZB)

Artikel anhören
00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos | Feedback senden

Die Pflegeversicherung ächzt unter gestiegenen Kosten und der steigenden Zahl von Hilfsbedürftigen. Gesundheitsminister Lauterbach steuert nun gegen und will die Sozialbeiträge zur Jahresmitte anheben. Kassen und Diakonie kritisieren die Abwälzung auf die Versicherten

Auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber kommt zum 1. Juli eine Erhöhung der Sozialabgaben zu. Sie der Pflegeversicherung zu Mehreinnahmen von rund 6,6 Milliarden Euro verhelfen. So sieht es Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor. Die Grünen erhoben prompt Einspruch und forderten, der Bund müsse der Pflegekasse versicherungsfremde Ausgaben erstatten. Sie sehen Finanzminister Christian Lindner in der Pflicht. "Das würde diesen deutlichen Beitragssprung bei der Pflegeversicherung vermeiden", sagte Grünen-Vizefraktionschefin Maria Klein-Schmeink dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Kritik kam auch vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Dem Entwurf zufolge soll der allgemeine Beitragssatz zur Pflege um 0,35 Punkte auf 3,4 Prozent des Bruttolohns steigen. Für kinderlose Beschäftigte erhöht sich der Gesamtbeitrag noch stärker auf dann 4,0 Prozent, da zusätzlich der Kinderlosenzuschlag um 0,25 Punkte auf 0,6 Prozent steigen soll. Für Eltern dagegen verringert sich der Beitrag künftig ab dem zweiten Kind mit der Zahl der Kinder um bis zu 0,6 Prozentpunkte. Dies soll einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom April 2022 Rechnung tragen, den Erziehungsaufwand stärker zu berücksichtigen.

Zugleich aber machen den vielen der rund 4,9 Millionen Pflegebedürftigen seit Jahren immer höhere Kosten zu schaffen. Zuletzt verschärfte die Inflation die Lage. Und in der alternden Gesellschaft kommen absehbar mehr pflegebedürftige Menschen dazu. Über die Gesetzespläne laufen derzeit Abstimmungen in der Regierung, wie ein Sprecher des Gesundheitsministeriums sagte.

Pflegegeld steigt

Die Anhebung des Beitragssatzes um 0,35 Punkte beschert den Pflegekassen laut Entwurf für das zweite Halbjahr 2023 Mehreinnahmen von 3,15 Milliarden Euro sowie ab 2024 jährliche Mehreinnahmen in Höhe von 6,6 Milliarden Euro. Das Geld diene "zur Stabilisierung der Finanzsituation der sozialen Pflegeversicherung sowie der Finanzierung der im Rahmen dieser Reform vorgesehenen Leistungsanpassungen".

Um die häusliche Pflege zu stärken, soll das Pflegegeld 2024 um fünf Prozent erhöht werden. Angesichts lohnbedingt steigender Pflegevergütungen ambulanter Pflegeeinrichtungen würden zugleich die ambulanten Sachleistungsbeträge um fünf Prozent angehoben: "Es soll eine automatische, regelhafte Anpassung der Geld- und Sachleistungsbeträge in 2025 und 2028 geben." Pflegegeld wird als Unterstützung überwiesen, wenn Pflegebedürftige nicht in Einrichtungen sind. Sie können es frei verwenden, etwa für Betreuungspersonen. Je nach Pflegegrad liegt es laut Ministerium zwischen 316 und 901 Euro im Monat.

Der Chef der Krankenkasse DAK, Andreas Storm, nannte ein Fünf-Prozent-Plus beim Pflegegeld "völlig inakzeptabel". Das lasse den notwendigen Respekt vor Pflegebedürftigen und der Leistung ihrer Angehörigen vermissen.

Für Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen gehen Zuzahlungen seit Jahren nach oben - auch mit 2022 eingeführten Entlastungszuschlägen, die mit der Pflegedauer steigen. Sie sollen laut Entwurf ab 1. Januar 2024 angehoben werden. Den Eigenanteil für die reine Pflege soll dies im ersten Jahr im Heim um 15 statt bisher 5 Prozent drücken, im zweiten um 30 statt 25 Prozent, im dritten um 50 statt 45 Prozent und ab dem vierten Jahr um 75 statt 70 Prozent. Hintergrund ist, dass die Pflegeversicherung - anders als die Krankenversicherung - nur einen Teil der Kosten für die reine Pflege trägt. Im Heim kommen Zahlungen für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen dazu.

Sozialbeiträge steigen teils auf mehr als 41 Prozent

Der GKV-Spitzenverband wertete den Entwurf als "Signal, dass die Bundesregierung die Probleme der Pflegebedürftigen und der Pflegeversicherung versucht anzugehen". Allerdings sei die Höhe der Anpassung der Leistungsansprüche "bei weitem unzureichend", sagte Verbandsvizechef Gernot Kiefer. "Gesamtgesellschaftliche Verpflichtungen kann man nicht allein den Pflegebedürftigen aufbürden", sagte Kiefer. "Was Bundesaufgabe ist, muss vom Bund finanziert werden."

Mehr zum Thema

Auch die Diakonie Deutschland erklärte, die geplante Erhöhung reiche nicht aus, um die notwendige Versorgung der pflegebedürftigen Menschen hinreichend zu sichern. "Um die Sozialabgaben nicht weiter zu erhöhen, ist ein Zuschuss aus dem Bundeshaushalt erforderlich", forderte der Wohlfahrtsverband.

Mit der Anhebung stiege die Summe aller Sozialbeiträge zur Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung ab Juli auf 40,8 Prozent und für Kinderlose auf über 41 Prozent. Die Wirtschaft hatte immer wieder auf eine Begrenzung bei 40 Prozent gedrungen. Insgesamt stiegen die Beiträge 2023 somit um 0,85 Prozentpunkte: Mit Jahresbeginn waren der Zusatzbeitrag zur Krankenversicherung um 0,3 Punkte und der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um 0,2 Prozentpunkte angehoben worden.

Quelle: ntv.de, jwu/rts/dpa

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen