Regelsatz zu niedrig Hartz IV deckt nicht die Stromkosten
28.09.2021, 13:11 Uhr
Hartz-IV-Empfänger müssen an allen Ecken und Enden sparen - auch beim Strom.
(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)
Im Jahr 2022 erhalten Hartz-IV-Bezieher ein paar Euro mehr. Doch auch dann dürfte das Geld kaum für die Stromrechnung reichen. Denn wer auf staatliche Unterstützung angewiesen ist, muss mit einer Pauschale auskommen. Und die fällt regelmäßig zu gering aus.
Der Hartz-IV-Regelsatz wird im neuen Jahr steigen - ein kleines bisschen. Aktuell liegt der Hartz IV Regelsatz bei 446 Euro für eine alleinstehende Person ohne Kinder - 2022 liegt er dann bei 449 Euro. Bei zwei Partnern in der Bedarfsgemeinschaft werden jeweils 401 (404 Euro ab 2022) Euro gezahlt. Und auch Haushalte mit Kindern bekommen ein paar Euro mehr.
Doch auch im kommenden Jahr werden wohl die Strompreise für private Haushalte deutlich steigen. Haushalte, die auf Hartz IV angewiesen sind, trifft das dann erneut besonders hart. Denn auch ohne die Preiserhöhungen sind die staatlichen Leistungen für das kommende Jahr zu gering angesetzt.
Nach Berechnungen des Vergleichsportals Verivox beläuft sich das Minus für Alleinlebende auf durchschnittlich 95 Euro pro Jahr. Haushalte, die in der Grundversorgung beliefert werden, müssen bis zu 196 Euro an anderer Stelle einsparen, um ihre Stromkosten zu begleichen. Rein rechnerisch sind 36,44 Euro für die Begleichung der Stromrechnung in den Hartz-IV-Leistungen vorgesehen.
Fehlbetrag steigt von Jahr zu Jahr
Die Stromkosten eines Singlehaushalts mit einem Verbrauch von 1500 Kilowattstunden belaufen sich nach Verivox-Berechnungen im Bundesdurchschnitt jedoch auf monatlich 44,33 Euro. Das entspricht einem Minus von 22 Prozent. Für Hartz-IV-Empfänger, die Strom aus der Grundversorgung beziehen, ist die Lücke noch deutlich größer. Hier übersteigen die tatsächlichen Stromkosten von 48,91 Euro monatlich den Regelsatz um durchschnittlich 34 Prozent.
Wie hoch die Versorgungslücke ausfällt, unterscheidet sich regional stark. In Hamburg müssen alleinlebende Hartz-IV-Empfänger in der Grundversorgung jeden Monat 52,75 Euro für Strom aufwenden und damit rund 45 Prozent mehr als im Hartz-IV-Satz vorgesehen. Im Laufe des Jahres summiert sich das Minus so auf 196 Euro. In Schleswig-Holstein belaufen sich die monatlichen Kosten auf 51,75 Euro (+ 42 Prozent), in Thüringen auf 50,75 Euro (+ 39 Prozent). Am wenigsten zuzahlen müssen Hartz-IV-Empfänger in Bremen. Der Fehlbetrag beträgt hier rund 18 Prozent.
Der Betrag, der Hartz-IV-Empfängern in der Grundversorgung jährlich für Strom fehlt, steigt immer weiter. Waren es 2019 noch 101 Euro, mussten sie 2020 bereits eine Lücke von durchschnittlich 115 Euro in Kauf nehmen. Im kommenden Jahr wird sich der Fehlbetrag auf durchschnittlich 150 Euro in der Grundversorgung belaufen. Sozialverbände und Verbraucherschützer kritisieren immer wieder, dass in den Hartz-IV-Regelsätzen der Pauschalbetrag für Strom nicht ausreiche. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen bemängelt ihrerseits in einer Untersuchung, dass Betroffenen häufig nicht in der Lage sind, die hohen Stromkosten durch Einsparungen an anderer Stelle auszugleichen.
Anbieterwechsel oft nicht möglich
Mit einem Anbieter- oder Tarifwechsel könnten Hartz-IV-Empfänger ihre Kosten senken. Doch ein eigenständiger Wechsel in günstigere Tarife übersteigt in manchen Fällen die Planungskompetenzen der Betroffenen oder ist etwa mit nachteiligen Schufa-Einträgen nicht immer ohne Weiteres möglich. Denn viele Stromanbieter prüfen vor Vertragsabschluss die Bonität der Kunden und behalten sich vor, die Belieferung abzulehnen. Damit bliebe den ärmsten Verbrauchern ein zentraler Weg zu sinkenden Stromkosten versperrt. Sie müssten in der Grundversorgung verharren und zahlten dort die höchsten Strompreise.
Aber auch, wenn der Wechsel zu einem günstigen Versorger möglich ist, hat dies seine Tücken. So hat das Bundessozialgericht entschieden, dass Jobcenter die Wechselprämie eines Stromanbieters beim Arbeitslosengeld anrechnen dürfen. In dem verhandelten Fall hatte ein Paar einen Sofortbonus in Höhe von 242 Euro erhalten. Das Jobcenter kürzte daraufhin jedoch die Leistungen um 91 Euro. Denn mit dem Sofortbonus, der gleich zu Beginn der Vertragslaufzeit gezahlt wurde, ist ein Einkommen erzielt worden, welches zu berücksichtigen sei, wie das Gericht entschied.
Quelle: ntv.de, awi