
Der "alte Mann" und sein Team.
(Foto: picture alliance / BEAUTIFUL SPORTS/Wunderl)
Das DFB-Team macht wieder Spaß. Nach dem WM-Debakel in Australien impft Interimscoach Horst Hrubesch den Frauen ordentlich Selbstbewusstsein ein - und die Basics des Fußballs. Der "alte Mann" und die Spielerinnen, das passt. Unklar nur, wie lange der DFB das zulässt.
"Fußball ist nur dann gut, wenn er Spaß macht. Und Spaß hast du immer dann, wenn du gewinnst." 3:0-Sieg gegen Dänemark, jubelnde, sich in die Arme fallende und tanzende Spielerinnen auf dem Platz, singende und Fahnen schwenkende Fans auf den Tribünen. Alle Essenzen, die Horst Hrubesch voraussetzt, sind an diesem Freitagabend nach dem Nations-League-Spiel der DFB-Frauen gegeben. Heraus kommt ein Drink, der schmeckt. Weil ihn ein Zauberer gebraut hat? Dem Interimsbundestrainer könnten magische Kräfte nachgesagt werden. Er hat das Fußball-Nationalteam der Frauen zurück in die Spur gebracht, hat das WM-Debakel mit dem historischen Aus in der Vorrunde in den Hintergrund gerückt. Mit ihm als Trainer lebt der Traum von den Olympischen Spielen 2024 in Paris weiter.
Deutschland: 1 Frohms/VfL Wolfsburg (28 Jahre/46 Länderspiele) - 15 Gwinn/Bayern München (24/38) ab 87. Krumbiegel/TSG Hoffenheim (23/9), 3 Hendrich/VfL Wolfsburg (31/66), 5 Hegering/VfL Wolfsburg (33/34, 2 Linder/TSG Hoffenheim (24/7) - 6 Nüsken/FC Chelsea (22/22), 13 Däbritz/Olympique Lyon (28/103) ab 46. Senß/Bayer Leverkusen (26/1) - 9 Huth/VfL Wolfsburg (32/86) ab 71. Anyomi/Eintracht Frankfurt (23/22, 8 Lohmann/Bayern München (23/26) 19 Bühl/Bayern München (22/43) - , 11 Popp/VfL Wolfburg (32/134). - Trainer: Hrubesch
Dänemark: Christensen - Thøgersen, Pedersen, Obaze (71. Möller), Veje (61. Gevitz) - Kühl, Troelsgaard, Hasbo (71. Holmgaard), Svava (11. Thomsen) - Vangsgaard, Gejl (62. Nadim). - Trainer: Jeglertz
Schiedsrichterin: Maria Sole Caputi (Italien)
Tore: 1:0 Popp (14.), 2:0 Hegering (26.), 3:0 Bühl (90.+3)
Dank des Sieges und der drei Tore von Alexandra Popp (14.), Marina Hegering (25.) und Klara Bühl (90.+3) machte das Team nicht nur die 0:2-Niederlage aus dem Hinspiel wett, sondern überholt aufgrund des nun positiven direkten Vergleichs auch Dänemark in der Tabelle der Nations League A, Gruppe 3. Als Tabellenführer haben die Deutschen die Teilnahme am Finalturnier wieder in der eigenen Hand. Ein Sieg gegen Wales im letzten Gruppenspiel (Dienstag, 19.30 Uhr/sportschau.de sowie im ntv.de-Liveticker) sichert das Ticket. Als es Ende September gleich zur Nations-League-Premiere die deutliche Pleite hagelte - im ersten Spiel nach der WM -, war die Skepsis daran riesig.
Seitdem sind gerade einmal zehn Wochen vergangen, aber es sind ereignisreiche Wochen. Die damalige Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg sorgt für Aufregung mit Krankschreibung, Reden bei fußballfremden Tagungen, Irrungen und Wirrungen in der Kommunikation auch seitens des DFB. All das mündet schließlich in der Vertragsauflösung. Währenddessen kann auch Co-Trainerin Britta Carlson das Team nicht erwecken, will aber auch gar nicht Cheftrainerin sein. Dann kommt Hrubesch - und es läuft wieder.
Hrubesch "tut uns unglaublich gut"
Der 72-Jährige selbst verweist statt auf Übernatürliches auf ganz Grundsätzliches: "Was ich sicherlich mit ihnen habe, ist, dass die Chemie stimmt. Sie vertrauen mir und ich vertraue ihnen, das wissen sie." Er betont: "Fußball ist normal ein einfaches Spiel. Wenn man sich ein bisschen cleverer verhalten kann, sage ich das und lasse sie auch ausprobieren. Ich sage immer wieder 'Ja, macht doch einfach. Macht Fehler, probiert.' Dann wissen wir, ob wir auf dem richtigen Weg sind oder nicht."
Es klingt so simpel, verheimlicht der Trainer etwas? Offenbar nicht, denn auch die Spielerinnen sprechen nicht von Wunderdingen. Im Gegenteil. "Er hat es geschafft, uns die Spielfreude zu schenken, dass wir uns wieder auf die Basics besinnen. Gar nicht zu viel Input taktisch, sondern, dass wir bei uns bleiben, unser Spiel durchziehen wollen", sagt Giulia Gwinn. Ihre Bayern-Teamkollegin Klara Bühl erklärt: "Er strahlt ein Urvertrauen aus, spiegelt uns das wider und das tut unglaublich gut. Er zeigt uns auf, was wir können, spricht das klar an, mit dem Weg sind wir sehr glücklich." Und Innenverteidigerin Hegering betont, es habe "kein großes Heckmeck" gegeben, "sondern wir haben ein paar Basissachen wieder abgerufen".
Das völlig verunsicherte Team, das teils vogelwild und völlig orientierungslos über den Platz taumelte, spielt jetzt wieder wie ein Spitzenteam. Verrückt, wie schnell sich das Wandeln kann. Fast unheimlich die Gedanken, was alles schiefgelaufen sein muss. Nur Rudimentäres wird nach und nach bekannt, Vieles bleibt vage, auch, weil sich das Team der Zukunft zuwenden und die Vergangenheit hinter sich lassen will, wie Svenja Huth es sagt. Eine Mischung aus Bekanntem und Gerüchten reicht vom Mangel an Kommunikation mit den Spielerinnen und Zwist innerhalb des Trainerteams über Unzufriedenheit mit dem WM-Quartier bis zu lächerlichen Zetteln in den Appartements, die an Bevormundung erinnern.
Hrubesch ist "fasziniert"
Nun ist das Selbstbewusstsein zurück, die Mentalität passt, jede kämpft für jede, die Körpersprache ist positiv. "Die Spielfreude ist da - jede Spielerin hat ein Lachen auf den Lippen und wir verstehen uns außerhalb des Platzes wieder super. Als Kollektiv können wir sehr viel bewirken", so Gwinn. Ein krasser Gegensatz zu dem, was die DFB-Elf noch vor wenigen Wochen ausstrahlte.
Es war schon einmal so, bereits 2018 hatte Hrubesch das DFB-Team der Frauen interimsweise übernommen und die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2019 gesichert. Schon damals hatten die Spielerinnen betont, wie wunderbar sie das HSV-Urgestein finden und dass er ihnen mit den Fußball-Grundlagen im Training wieder Sicherheit gebracht hat. Der Kontakt zu den meisten Spielerinnen war nie abgebrochen, die gegenseitige Zuneigung ist nach wie vor groß. Und diejenigen, die neu dabei sind, scheinen sich dem Teamgefühl nahtlos einzufügen.
Das spiegelt sich auf dem Platz. Während des Spiels, aber auch im gemeinsamen Jubel nach Abpfiff. Da hüpfen die Spielerinnen Arm in Arm im Kreis - und Hrubesch mittendrin. Es ist eine Szene, die den Trainer rührt. "Sie haben ja auch gesehen, wie die Mädels das nach dem Spiel aufgenommen haben. Dass sie auf der einen Seite erleichtert waren, auf der anderen Seite stolz", sagt er von sich aus zum Abschluss der Pressekonferenz nach dem Spiel. "Und vor allem, dass sie eine Mannschaft waren, sie stehen wirklich zueinander und das fasziniert mich immer wieder." Er betont: "Die nehmen den alten Mann mit und das funktioniert gut. Ich sehe das nicht als normal an. Ich kann den Mädels nur Danke sagen."
Der "alte Mann" und die DFB-Frauen, das passt. Sjoeke Nüsken erklärt, sie würde sich freuen, wenn Hrubesch dem Team länger erhalten bleibe. Aber wie lange darf es das noch? Völlig unklar. Der 72-Jährige hat schließlich einen Job als Nachwuchskoordinator beim Hamburger SV und betont, mit welcher Bereitschaft der Verein sein Einspringen beim DFB möglich gemacht hat. Dort ist er nur als Übergangslösung gedacht gewesen, über einen neuen Chefcoach ist bislang nicht entschieden. Er selbst hatte Ende Oktober der "Sport Bild" gesagt: "Wenn Paris nicht klappt - was ich nicht glaube -, müsste jemand Neues kommen, der alles neu aufbaut. Das bin nicht ich. Aber wenn wir Olympia erreichen und ich gebraucht werde, können wir uns gern darüber unterhalten, ob ich das noch mache."
Auf Händen getragen nach Paris?
Bislang war stets betont worden, die neue Sportdirektorin Frauenfußball müsse erst gefunden werden und solle dann über die Nachfolge von Voss-Tecklenburg mitentscheiden. "Wir sind uns versprochen mit der neuen Direktorin", sagte DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig nach dem Spiel im ZDF. Ex-Spielerin Nia Künzer soll es werden, doch sie ist bislang nicht offiziell vorgestellt, Rettig nimmt ihren Namen nicht in den Mund. "Wir haben alle Dinge geregelt. Jetzt sind Sachen zu klären, die nicht in unserem Entscheidungsbereich liegen. Deshalb müssen wir uns da noch ein bisschen gedulden." Die 43-Jährige, die ihren Job als ARD-Expertin erst kürzlich beendet hat, ist Dezernatsleiterin im Regierungspräsidium Gießen in der Abteilung Flüchtlingsangelegenheiten, Erstaufnahmeeinrichtung und Integration. Diesen Posten solle sie ruhen lassen, hatte die "Bild" berichtet.
Künzer hatte Hrubesch im Oktober gegenüber dem "Kicker" als "sehr gute Zwischenlösung" bezeichnet. Eine, die vielleicht doch länger andauert? Der Traum von Olympia, den haben nämlich nicht nur die Spielerinnen, auch Hrubesch brennt darauf. Linda Dallmann hatte Ende Oktober erzählt, dass Hrubesch, der die deutsche Männer-Auswahl 2016 in Rio de Janeiro zu Olympia-Silber geführt hatte, den Spielerinnen gesagt habe, dass er notfalls nach Frankreich laufe, "um uns spielen zu sehen, wenn wir ihn nicht mitnehmen."
Ziemlich sicher wird er nicht laufen müssen. Sollte er nicht mehr der Trainer des Teams sein, dieses aber die Qualifikation im Finalturnier im Februar gewuppt haben, werden ihn die Spielerinnen wohl trotzdem notfalls auf Händen tragen. Denn mit ihm und dank ihm ist die DFB-Elf wieder ein richtiges Dreamteam. Und das ist doch ein guter Grund, nichts an dieser Konstellation zu ändern.
Quelle: ntv.de