Fußball

Erstes WM-Ticket im Schnellcheck Peinlich ist beim DFB-Team erstmal nichts mehr

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In Nordmazedonien erleben Deutschlands beste Fußballer kein zweites Duisburg, sondern qualifizieren sich souverän für die WM-Endrunde. Dabei setzen sie nur teilweise um, was Bundestrainer Hansi Flick vorgibt. Und sorgen doch dafür, dass nun viel Zeit für Verbesserung bleibt.

Was ist in der Arena Toše Proeski in Skopje passiert?

Ein bemerkenswerter Abend für den deutschen Fußball, und das aus gleich drei Gründen. Erstens, weil ein Sieg in Nordmazedonien die erfolgreiche WM-Qualifikation perfekt machte. Bundestrainer Hansi Flick hatte zuvor von seiner Mannschaft gefordert, "dass wir die Qualifikation so früh wie möglich schaffen", das gelang. Dank eines deutlichen 4:0 -Erfolgs gegen letztlich klar unterlegene Nordmazedonier und weil Armenien im Parallelspiel der Gruppe J gegen Rumänien mit 0:1 verlor.

Zweitens, weil Flick in seinem fünften Länderspiel als Bundestrainer mit einem fünften Erfolg den Rekord eines gewissen Joachim Löw einstellt und der ist immerhin einer von nur vier deutschen Weltmeister-Trainern. Sicher hätte Flick es bei den Gegnern schwerer treffen können als Liechtenstein (2:0), Armenien (6:0), Island (4:0), Rumänien (2:1) und nun eben Nordmazedonien. Wobei ...

... drittens der Erfolg im Nationalstadion von Skopje der erste Sieg gegen Nordmazedonien in der langen Länderspielgeschichte des Deutschen Fußball-Bundes war. Im erst zweiten Aufeinandertreffen, sicher, aber das erste war aus deutscher Sicht eine Schmach. 1:2 unterlag die DFB-Auswahl im März in Duisburg in einer Partie, die sich für den nordmazedonischen Rekordnationalspieler und Rekordtorschützen Goran Pandev "wie ein Titelgewinn" angefühlt hat.

Und es gibt sogar ein viertens, das aber nur wenig mit sich anbahnenden bemerkenswerten Abend für den deutschen Fußball zu tun hat. Flicks Gegenüber Blagoja Milevski hat ebenfalls nach der EM seinen neuen Job begonnen, war ebenfalls in seinen ersten vier Spielen ungeschlagen geblieben. Drei Unentschieden gegen Armenien (0:0), Island (2:2) und Rumänien (0:0) folgte am Freitag mit dem 4:0 in Liechtenstein der erste Sieg. Nun also 0:4, alles wieder im Gleichgewicht: Ein Sieg, drei Unentschieden, eine Niederlage, 6:6 Tore.

Teams und Tore

Nordmazedonien: Dimitrievski/Rayo Vallecano - Ristovski (ab 77. Ashkovski/OSK Sepsi), Velkovski/HNK Rijeka, Musliu/FC Fehervar, Alioski/al-Ahli - Ademi/Dinamo Zagreb (ab 29. Spirovski/FK Mariupol)- Nikolov/Sheriff Tiraspol (ab 58. Rakip/Malmö FF), Churlinov/Schalke 04 - Kostadinov/MFK Ruzomberok (ab 77. Ristevski/AEL Limassol), Elmas/SSC Neapel - Jahovic/Göztepe Izmir (ab 58. Miovski/MTK Budapest); Trainer: Milevski
Deutschland: Neuer/Bayern München - Klostermann/RB Leipzig, Süle/Bayern München, Kehrer/Paris St. Germain, Raum/TSG Hoffenheim - Kimmich/Bayern München, Goretzka/Bayern München (ab 61. Wirtz/Bayer Leverkusen) - Gnabry/Bayern München (ab 74. Hofmann/Mönchengladbach), Müller/Bayern München (ab 80. Neuhaus/Mönchengladbach), Havertz/FC Chelsea (ab 61. Adeyemi/RB Salzburg)- Werner/FC Chelsea (ab 74. Musiala/Bayern München); Trainer: Flick
Schiedsrichter: Danny Makkelie (Niederlande)
Tore: 0:1 Havertz (50.), 0:2 Werner (70.), 0:3 Werner (73.), 0:4 Musiala (83.)
Zuschauer: 18.200 (in Skopje)
Gelbe Karten: Ristovski (2) - Havertz (3)

Die 90 Minuten im Spielfilm

Vor dem Anpfiff: "Die Mannschaft ist eingespielt und wird [...] mit viel Selbstvertrauen auftreten", ist sich Bundestrainer Flick sicher. Meint allerdings Gegner Nordmazedonien, der seinen Vorgänger Löw im März ziemlich ratlos machte. Von der deutschen Elf erwartet er derweil, das sagt er kurz vor Anpfiff am RTL-Mikrofon: "Nachlegen, ohne nachzulassen". Also drei Punkte wie am Freitag gegen Rumänien, nur lieber ohne Rückstand mit besserer Chancenverwertung.

2. Minute: Nur Zentimeter fehlen zum 1:0 - Kai Havertz flankt von links gefühlvoll auf den zweiten Pfosten, wo Joshua Kimmich frei zum Kopfball kommt. Stole Dimitrievski reißt die Hände schnell genug hoch und wehrt ab, die anschließende Ecke bringt nichts Erwähnenswertes ein.

9. Minute: Die 18.200 Zuschauerinnen und Zuschauer in Skopje werden erstmals richtig laut: Mazedonien kontert über rechts, die deutsche - Vorsicht, Fußball-Modewort - Restverteidigung lässt die Außenbahn offen. Die Flanke aber kommt nicht an. Restverteidigung, das sind in diesem Fall übrigens die Innenverteidiger Thilo Kehrer und Niklas Süle sowie Rechtsverteidiger Lukas Klostermann, während Linksverteidiger David Raum offensiver agiert und damit Flicks Vorgabe für sein Startelf-Debüt umsetzt.

Geblendet.

Geblendet.

(Foto: dpa)

18. Minute: Wow, cool, irgendein Zuschauer (bewusst nicht gegendert auf Basis eigener empirischer Beobachtung) hat einen Laserpointer mit ins Stadion gebracht und richtet dessen grellgrünes Licht auf Joshua Kimmich, der eine Ecke ausführen möchte. Schiedsrichter Danny Makkelie schickt daraufhin über Funk eine Verhaltensempfehlung an den Spielfeldrand.

26. Minute: Doppelchance! Raums Freistoß wird zu Serge Gnabry, dessen 21. Treffer im 31. Länderspiel Dimitrievski erfolgreich verhindert. Die nachfolgende Ecke landet über Umwege bei Timo Werner, der aus kurzer Distanz aber ebenfalls am mazedonischen Torhüter scheitert.

Info aus dem Parallelspiel: Alexandru Mitrita bringt Rumänien nach einer kurz ausgeführten Ecke per Kopfball in Führung. Eine Bedingung für die heute vollendete deutsche WM-Qualifikation - Armenien gewinnt nicht - wäre damit erfüllt, die zweite - das DFB-Team gewinnt - allerdings noch nicht.

27. Minute: Wieder kontert Mazedonien, wieder wird es gefährlich. Eljif Elmas, Siegtorschütze in Duisburg, überwindet Neuer diesmal aber nicht.

45. Minute: Timo Werner und die Chancenverwertung. Beim FC Chelsea klaute ihm der Videoschiedsrichter 16 (!!!) Tore, diesmal steht keine kalibrierte Linie, sondern ein stabiler Pfosten im Weg. Von dem prallt Werners Schuss zurück ins Feld, Thomas Müllers Nachsetzen wird abgeblockt. Torlos geht's in die Halbzeitpause.

50. Minute, TOOOOR FÜR DEUTSCHLAND: Müller und Gnabry im Zusammenspiel. Müller stoppt den Spielaufbau der Mazedonier, indem er seinen Schädel reinhält und den Ball zu Gnabry ablenkt. Der hat das ganze Feld vor sich und steckt seinen Pass genau in die Schnittstelle, auf die Müller inzwischen lauert. Wie im EM-Achtelfinale gegen England läuft er frei auf den Torwart zu, diesmal aber nicht allein, und so legt er links am Torwart vorbei zu Havertz, der lässig und sicher einschiebt.

Im Parallelspiel führt Rumänien weiter mit 1:0, damit wäre die DFB-Elf - Stand jetzt - als erstes Team neben Gastgeber Katar - für die WM Ende 2022 qualifiziert.

70. Minute, TOOOOR FÜR DEUTSCHLAND: Mazedonien wirkt müde und unkonzentriert, die DFB-Elf bestraft das. Freistoß im Mittelfeld schnell ausgeführt, der eingewechselte Florian Wirtz findet Thomas Müller, der kunstvoll in den Lauf von Timo Werner spielt - und der legt den Ball mit viel Wucht ins Netz.

Vorbildliche Schusstechnik.

Vorbildliche Schusstechnik.

(Foto: imago images/Nordphoto)

73. Minute, TOOOOR FÜR DEUTSCHLAND: Die Schilderung des 2:0 ist kaum fertig, da trifft Werner schon zum 3:0. Eine Flanke von der rechten Seite rutscht durch zum Chelsea-Angreifer, der von der linken Strafraumseite mit viel Gefühl ins lange Eck vollendet. Und danach zwar mit einem Lächeln im Gesicht seine Auswechslung entgegennimmt.

76. Minute: Eine Kurzpass-Kombination zentral vor dem Strafraum löst Müller mit einem Chip-Pass auf Karim Adeyemi auf, der auf sieben Metern statt einem Jokertor aber Abstoß für Mazedonien folgen lässt. Da war mehr drin.

83. Minute, TOOOOR FÜR DEUTSCHLAND: Adeyemi stoppt nicht nur Mazedoniens Aufbau, sondern schickt danach sogar noch Jamal Musiala auf die Reise. Der bleibt vor Dimitrievski ganz ruhig und trifft zum ersten Mal für die deutsche Nationalelf.

Unseren Spielbericht gibt's hier.

Was war gut?

Hansi Flick ist der perfekte Bundestrainer. Sagt die Statistik, denn mehr als fünf Siege in fünf Spielen sind unmöglich. Natürlich ist im Spiel noch Luft nach oben - Stichworte sind die Verteidigung im Umschaltspiel und die Chancenverwertung -, aber die Tendenz ist sehr gut. Sehr präsent sind noch die teils lethargischen Auftritte in den letzten Spielen unter Joachim Löw, gegen Nordmazedonien drückte die Elf auch in den Schlussminuten noch weiter auf das nächste Tor.

Schon gut, dieser Müller.

Schon gut, dieser Müller.

(Foto: imago images/Matthias Koch)

Thomas Müller ist als offensiver Organisator einmal mehr auffallend wichtig, symptomatisch dafür die Führung: Der 32-Jährige stört den nordmazedonischen Spielaufbau, startet umgehend in die Schnittstelle der Abwehr und legt schlussendlich uneigennützig ab auf Kai Havertz. Dass er danach auch beim 2:0 durch Werner den letzten Pass vor dem Torabschluss spielt, ist fast schon folgerichtig.

Gut war auch, wie die jungen Spieler im Kader nicht nur zum Einsatz kommen, sondern auch gleich Akzente setzen. Florian Wirtz präsentiert sich in Leverkusen seit Wochen in herausragender Form und leitete heute die Vorlage von Müller für Werners ersten Treffer ein. Jamal Musiala ist zweitjüngster Torschütze der DFB-Historie, nur Marius Hiller am 3. April 1910 war jünger - im selben Jahr erreichte übrigens der erste Mensch mit einem Flugzeug eine Höhe von mehr als 1000 Metern. Viel wichtiger aber: Desaströs-peinliche Auftritte der deutschen Fußball-Nationalmannschaft wie eben in jenem legendären Hinspiel gegen Nordmazedonien scheinen vorerst abgeschafft worden zu sein.

Was war schlecht?

In der ersten Halbzeit mangelte es an Zielstrebigkeit im Torabschluss. Eines dieser "kleinen Details", die Flick im Vorfeld als verbesserungswürdig öffentlich genannt hatte. Im defensiven Umschaltspiel offenbarten sich wie schon gegen Rumänien einige Lücken, die nicht nur damit zu erklären sind, dass Thilo Kehrer für den angeschlagenen Antonio Rüdiger in die Mitte rückte und so die Abwehr im Vergleich zum Freitag auf gleich drei Positionen verändert wurde. Allerdings ist das keine neue Schwachstelle, sondern eine, die Flick von seinem Vorgänger geerbt hat. Eine, für die nun etwas mehr als ein Jahr Zeit bleibt, um sie bis zum Start des Turniers im Wüstenstaat zu stärken.

Und was jetzt?

Freizeit? Eher nicht. Die beiden verbleibenden Quali-Spiele gegen Liechtenstein (Donnerstag, 11. November, 20.45 Uhr) und in Armenien (Sonntag, 14. November, 20.45 Uhr/jeweils RTL und im Liveticker bei ntv.de) mögen angesichts des feststehenden Gruppensieges und der damit gesicherten Qualifikation an unmittelbarer Bedeutung verlieren, für das große Ganze jedoch bleiben sie wichtig. Denn Flick hat Großes vor mit der DFB-Auswahl, als Allesgewinner mit dem FC Bayern wird er nicht für ein Viertelfinal-Aus nach Katar reisen wollen. Dass das wiederum schon mehr wäre als bei der WM 2018 (Vorrunde) und EM 2021 (Achtelfinale), zeigt, dass die frühzeitige Planungssicherheit neuen Raum eröffnet, um die Vorbereitung auf das Finalturnier Ende 2022 zu optimieren.

Was sagen die Beteiligten?

Hansi Flick: "Vom Ergebnis war es perfekt. Wir wollten uns so schnell wie möglich qualifizieren. Von der Einstellung muss man der Mannschaft ein Kompliment machen. Wir waren nach dem ersten Tor sehr konsequent. Daher können wir zufrieden sein."

Timo Werner: "Wenn wir den Gegner 90 Minuten so bespielen, dann ist es eine Frage der Zeit, bis wir treffen. Wenn der Trainer auf einen setzt, dann hilft das jedem Spieler. Ich brauche dieses Vertrauen von außen, das gibt er mir zu hundert Prozent. Das versuche ich zurückzuzahlen."

Kai Havertz: "In der zweiten Halbzeit hat der letzte Pass gestimmt. In der ersten Halbzeit haben wir uns ein bisschen schwer getan. Insgesamt hatten wir das Spiel im Griff. Wir sind mit einer breiten Brust aufgetreten. Die letzten Spiele haben gezeigt, welche Qualität in der Mannschaft steckt. Wir werden bei der WM angreifen, auch wenn ein langer Weg und viel Arbeit vor uns liegt."

David Raum: "Es hat sich brutal gut angefühlt, wenn man das Vertrauen vom Trainer kriegt. Mir wurde es heute Nachmittag gesagt, dass ich spielen darf. Ich habe probiert, alles reinzuhauen, meine Stärken einzubringen, mein Flankenspiel, meinen Drang nach vorne. Ich bin überstolz, hier von Anfang an spielen zu dürfen."

Der Tweet zum Spiel

Quelle: ntv.de

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