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Mehr Einsatz, mehr Resistenzen Antibiotika-Nutzung bei Tieren bedroht Menschen

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Der Einsatz von Antibiotika ist in den vergangenen Jahren aufgrund großer Anstrengungen bei der Tierzucht immerhin zurückgegangen.

Der Einsatz von Antibiotika ist in den vergangenen Jahren aufgrund großer Anstrengungen bei der Tierzucht immerhin zurückgegangen.

(Foto: picture alliance / Countrypixel)

Jedes Jahr sterben Hunderttausende Menschen, weil Antibiotika gegen ihre Infektionen wirkungslos bleiben. Auch bei Nutztieren werden oft und in großen Mengen Antibiotika eingesetzt - mit gravierenden Folgen für Menschen. Forscher sprechen von "einer der größten Bedrohungen für die globale Gesundheit".

Wo Nutztiere große Mengen an Antibiotika erhalten, ist auch die Wahrscheinlichkeit von antibiotikaresistenten Keimen beim Menschen höher - und umgekehrt. Diesen Zusammenhang hat ein internationales Forscherteam bei der Analyse von weltweiten Daten zu Antibiotika-Nutzung und -Resistenzen gefunden. Jährlich würden fast 100.000 Tonnen Antibiotika für die Tierzucht verkauft, schreibt die Gruppe um Laith Yakob von der London School of Hygiene and Tropical Medicine der University of London im Fachmagazin "The Lancet Planetary Health".

Der gegen Methicillin resistente Erreger Staphylococcus Aureus (gelb).

Der gegen Methicillin resistente Erreger Staphylococcus Aureus (gelb).

(Foto: picture alliance / BSIP)

Antibiotika sind gegen Bakterien wirkende Substanzen. Durch genetische Veränderungen können die Erreger jedoch Resistenzen gegen die Wirkstoffe entwickeln, die sie zudem an andere Bakterienarten weitergeben können. Bei Resistenzen gegen mehrere oder gar alle verfügbaren Antibiotika spricht man von multiresistenten Erregern. Die WHO schätzt, dass inzwischen jedes Jahr etwa 1,3 Millionen Menschen sterben, weil Antibiotika bei ihren Infektionen nicht anschlagen.

In Deutschland Tausende Tote durch Antibiotika-Resistenzen

Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC hatte Ende 2022 berichtet, dass im Europäischen Wirtschaftsraum jährlich mehr als 35.000 Menschen aufgrund von Antibiotika-Resistenzen sterben. In Deutschland sind es nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) jährlich etwa 2500 Menschen allein durch multiresistente Erreger, hinzu kommen Tausende Todesfälle im Zuge von Einzelresistenzen. Unnötige und falsche Anwendungen so weit wie möglich zu vermeiden, gilt als wichtige Maßnahme gegen die Ausbreitung von Resistenzen.

Yakob und Kollegen untersuchten verschiedene Einflüsse auf die Antibiotika-Resistenz. Sie bauten aus mehreren Quellen die nach ihren Angaben umfassendste Datenbank zu Antibiotikaresistenzen auf. Außerdem nutzten sie Daten hinsichtlich Bevölkerung, Umwelt und Sozioökonomie von der Weltbank, der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Datenbanken der Vereinten Nationen (UN). In umfangreichen statistischen Analysen fanden sie verschiedene Zusammenhänge.

Mehr Antibiotika-Verabreichung, mehr Resistenzen

Die Untersuchungen bestätigten den grundlegenden Trend, dass bei Menschen in einer Region antibiotikaresistente Keime umso häufiger vorkommen, je mehr Antibiotika ihnen verabreicht werden. Dasselbe gilt für die Nutztiere Rind, Schwein und Huhn. Zudem stehen diese beiden Bereiche der Auswertung zufolge in Verbindung: Eine höhere Gabe von Antibiotika bei Nutztieren ist im Mittel mit einem deutlich höheren Wert für resistente Keime beim Menschen verbunden. Umgekehrt besteht auch ein statistischer Zusammenhang zwischen dem Antibiotika-Konsum beim Menschen und resistenten Keimen bei Nutztieren.

In Deutschland ist das Niveau antibiotikaresistenter Bakterien im globalen Vergleich unterdurchschnittlich - trotz eines sehr hohen Antibiotika-Verbrauchs in der Tierhaltung. Die Forscher schließen aus solchen Abweichungen, dass es weitere Faktoren gibt. Demnach kommen antibiotikaresistente Keime in einem Land zum Beispiel umso häufiger vor, je höher die Sterberate wegen unzureichender Hygienemaßnahmen liegt. Resistente Erreger gibt es zudem umso häufiger, je niedriger das Bruttoinlandsprodukt ist.

"Eine der größten Bedrohungen für die globale Gesundheit"

"Die Gestaltung von Eingriffen rund um dieses ganzheitliche Bild von Resistenzen wird von entscheidender Bedeutung sein, um das anzugehen, was sich schnell zu einer der größten Bedrohungen für die globale Gesundheit entwickelt hat", sagt Yakob. Die Forscher empfehlen strengere Länderrichtlinien und Vorschriften für den Einsatz und die Verschreibung von Antibiotika bei Tieren und Menschen. Darüber hinaus sollten im Hinblick auf Antibiotika die staatliche Steuerung sowie Transparenz und Rechenschaftspflicht, insbesondere in den Ländern mit der höchsten Krankheitslast, verbessert werden.

Eine im Januar vorgestellte Studie hatte ergeben, dass Antibiotika-Rückstände vor allem in Gewässern Indiens, Chinas und weiterer Länder Asiens für potenzielle Resistenz-Hotspots sorgen. Abwässer und Kläranlagen scheinen Hauptquellen für die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen in diesen Regionen zu sein, wie das Team um Nada Hanna vom Karolinska Institut in Stockholm im Fachjournal "The Lancet Planetary Health" erläutert.

Antibiotika aus Abwässern und Abfällen

Antibiotika können aus Abwässern und Abfällen etwa von Kommunen, Krankenhäusern und Pharmafirmen in Flüsse, Seen, Meere und Grundwasser gelangen. Mit solchen Medikamenten behandelte Menschen und Tiere scheiden einen erheblichen Teil der Substanzen in biologisch aktiver Form über Urin und Fäkalien aus. Im Gebiet der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definierten Westpazifischen (WPR, einschließlich China) und Südostasiatischen Region (SEAR, einschließlich Indien) gelangen etwa 80 bis 90 Prozent des Abwassers ungeklärt in Gewässer, wie es in der Analyse hieß.

Resistenzen gegen solche Mittel gehören inzwischen zu den häufigsten Ursachen für Todesfälle weltweit. Mit mehr Antibiotika-Rückständen in der Umwelt steigt die Gefahr für die Entstehung weiterer dagegen resistenter Erreger und neuer Resistenzwege. China und Indien gehören zu den weltweit größten Produzenten und Verbrauchern von Antibiotika.

Quelle: ntv.de, Stefan Parsch, dpa

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