Mäusestudie zeigt Zusammenhang Darmflora des Vaters hat Einfluss auf Gesundheit der Kinder
03.05.2024, 11:09 Uhr Artikel anhören
Die "Darm-Keimbahn-Achse" ist eine Verbindung zwischen dem Darm, seiner Mikrobiota und der Keimbahn.
(Foto: Joana Carvalho/Isabel Romero Calvo/EMBL/dpa)
Bereits bekannt ist: Die Ernährung der Mutter in der Schwangerschaft beeinflusst die Gesundheit des Babys. Eine Studie an Mäusen lässt nun darauf schließen, dass auch die Darmgesundheit des Vaters großen Anteil haben könnte - ist sein Mikrobiom gestört, wird der Nachwuchs eher krank oder stirbt.
Welche Mikroben im Darm eines Vaters leben, kann die Gesundheit seiner Nachkommen beeinflussen. Diesen Zusammenhang hat ein Forschungsteam zumindest bei Mäusen gezeigt. Eine Störung des Darmmikrobioms von Männchen hat demnach ein höheres Krankheits- und Sterberisiko ihrer Jungen zur Folge. Ob es ähnliche Effekte auch beim Menschen gebe, müsse in weiteren Studien geklärt werden, heißt es im Fachjournal "Nature".
"Angesichts der in der westlichen Kultur weitverbreiteten Ernährungs- und Antibiotikapraktiken, von denen bekannt ist, dass sie die Darmmikrobiota stören, ist es wichtig, die väterlichen intergenerationalen Effekte genauer zu betrachten - und wie sie sich auf die Schwangerschaftsergebnisse und das Krankheitsrisiko der Bevölkerung auswirken könnten", sagte der Studienkoordinator Jamie Hackett vom Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Rom.
Mikrobiom hat Einfluss auf Gesundheit
Als Darmmikrobiom wird die Gemeinschaft von Mikroorganismen im Magen-Darm-Trakt bezeichnet. Sie besteht aus Billionen Mikroorganismen Hunderter verschiedener Arten. Auf das Mikrobiom gehen Enzyme und Stoffwechselprodukte zurück, die die Gesundheit des Trägers erheblich beeinflussen, unter anderem sein Immun- und Hormonsystem.
Umweltfaktoren wie Ernährung und Medikamente können die Zusammensetzung der vielfältigen Gemeinschaft folgenreich verändern. Zu den damit in Verbindung gebrachten Krankheiten zählen Typ-2-Diabetes, Fettleibigkeit und entzündliche Darmerkrankungen. Auch für das Altern spielen Bakterien im Darm Analysen zufolge eine wichtige Rolle.
Zudem sind Gehirn und Magen-Darm-Trakt miteinander verbunden, über die sogenannte Darm-Hirn-Achse werden in beide Richtungen Signale übertragen. Westliche Ernährung - gekennzeichnet durch den Verzehr eines hohen Anteils an gesättigten Fettsäuren und Zucker - kann Experten zufolge die Bildung bestimmter Botenstoffe verändern, zu Entzündungsreaktionen im Gehirn führen, eine Resistenz gegen das appetitregulierende Hormon Leptin auslösen und angstähnliches Verhalten fördern. Von einigen neurologischen Erkrankungen ist bekannt, dass sie mit einer erhöhten Darmdurchlässigkeit verbunden sind.
Darmmikrobiom-Einfluss auf Nachwuchs bisher wenig erforscht
Der Einfluss des Darmmikrobioms auf den Nachwuchs hingegen sei bisher wenig erforscht, heißt es von den Wissenschaftlern. Das Team um Hackett veränderte die Zusammensetzung der Darmmikroben bei männlichen Mäusen, indem sie sie sechs Wochen lang mit gängigen Antibiotika behandelten. Dies führte zu einer sogenannten Dysbiose, bei der das mikrobielle Ökosystem im Darm aus dem Gleichgewicht gerät. Mäusewelpen, die von dysbiotischen Vätern gezeugt wurden, wiesen ein deutlich geringeres Geburtsgewicht, ein verringertes Wachstum und eine höhere Sterblichkeitsrate auf.
Die Wissenschaftler analysierten den Einfluss des beeinträchtigten Mikrobioms auf wichtige Stoffwechselprodukte der Hoden. Deren Zusammensetzung veränderte sich demnach, die hormonelle Signalgebung wurde gestört. Eine Schlüsselrolle spiele das veränderte Level des Hormons Leptin im Blut und in den Hoden der Männchen, wie das Forschungsteam erklärt.
Eine Folge der Veränderungen war, dass Funktionsstörungen der Plazenta bei Schwangerschaften mit dem Nachwuchs dysbiotischer Männchen häufiger auftraten. Die Plazenten wiesen Merkmale einer beim Menschen häufig auftretenden Schwangerschaftskomplikation auf: der sogenannten Präeklampsie. Sie beeinträchtigt die Entwicklung des Kindes und gilt als Risikofaktor für die Entwicklung einer Reihe von Krankheiten im späteren Leben der Mutter.
"Darm-Keimbahn-Achse" wird vermutet
Die Ergebnisse legen den Wissenschaftlern zufolge nahe, dass es bei Säugetieren eine Art "Darm-Keimbahn-Achse" gibt, mit Leptin als wichtiger Signalkomponente. (Keimbahn: Zellenfolge, beginnend bei der befruchteten Eizelle, aus der die Keimzellen hervorgehen, Anm. d. Red.) "Unsere Studie zeigt, dass es einen Kommunikationskanal zwischen dem Darmmikrobiom und dem Fortpflanzungssystem von Säugetieren gibt", sagte Hackett. "Darüber hinaus erhöhen Umweltfaktoren, die diese Signale bei angehenden Vätern stören, das Risiko für eine schlechte Gesundheit der Nachkommen, indem sie die Entwicklung der Plazenta verändern."
Zumindest für Mäuse sei damit gezeigt, dass der Zustand des Vaters die Eigenschaften der Nachkommen unabhängig von der genetischen Vererbung beeinflussen könne. Der Effekt sei reversibel, erläutern die Wissenschaftler auch: Sobald die Antibiotika abgesetzt werden, erholt sich das väterliche Mikrobiom demnach. Aus Paarungen mit solchen Männchen resultierten Nachkommen mit normalem Geburtsgewicht und normaler Entwicklung.
"Der nächste Schritt wird sein, im Detail zu verstehen, wie verschiedene Umweltfaktoren wie Medikamente, einschließlich Antibiotika, die väterliche Keimbahn und damit die Entwicklung des Embryos beeinflussen können", sagte Mitautor Peer Bork, Direktor des EMBL Heidelberg.
Quelle: ntv.de, Annett Stein, dpa