
Die "Artemis"-Rakete der NASA ist bisher nicht abgehoben.
(Foto: picture alliance/dpa/Orlando Sentinel via ZUMA Press)
Innerhalb weniger Tage müssen sowohl die NASA als auch Roskosmos die Starts ihrer Mondraketen verschieben oder sogar absagen. Die ambitionierten Pläne, die die USA und Russland getrennt voneinander verfolgen, geraten damit immer mehr ins Wanken.
"Artemis" und "Luna-25" - die geplanten Mondmissionen der Vereinigten Staaten und Russlands haben klangvolle und bedeutungsschwere Namen. Das Programm der US-Raumfahrtbehörde NASA ist nach der griechischen Göttin des Mondes benannt und soll nicht nur als Nachfolger der historischen "Apollo"-Missionen den Mond wieder erreichen, sondern gleichzeitig den Erdtrabanten als Ausgangsstation für künftige Marsmissionen vorbereiten. Die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos ist mit Luna-25 kaum weniger ambitioniert. Der Name ist die Weitererzählung von Luna 1, der Sonde, die im Januar 1959 auf dem Mond einschlagen sollte, ihn dann aber wegen eines Steuerfehlers lediglich passierte. Trotzdem ging Luna 1 als erste Mond- und Raumsonde in die Weltraumfahrtgeschichte ein.
Doch so ambitioniert all diese Pläne präsentiert wurden, umgesetzt sind sie noch nicht. Ganz im Gegenteil, der erneute Anlauf auf den Mond fällt sowohl Amerikanern und Europäern, als auch Russen erstaunlich schwer. In den USA wurde der Start von "Artemis 1", einer unbemannten Mondrakete, nach mehreren abgebrochenen Startversuchen vorläufig ausgesetzt. Zuletzt hatte ein Wasserstoffleck an der Rakete die NASA-Techniker zum Abbruch gezwungen. Das Team untersuche derzeit, warum genau es zu den Problemen kam und welche Reparaturen nötig seien, versuchte NASA-Manager Jim Free einen optimistischen Ausblick.
Auf dem Blog, mit dem die NASA das Projekt begleitet, ist nachzulesen, dass es zumindest für die betroffene Dichtung am Verbindungsstück zwischen einer Leitung zur Wasserstoffbetankung und der Rakete einen Reparaturversuch direkt an der Startrampe geben soll. Die Rakete muss aber vermutlich für das Zurücksetzen der Batterien des Flugabbruchsystems ohnehin wieder zurück in den Hangar. Damit ist völlig unklar, ob es einen erneuten Anlauf Ende September oder Mitte Oktober oder sogar erst noch später geben kann.
Teuer und veraltet?
Die Verzögerungen summieren sich längst auf Jahre. Eigentlich sollte die Supermondrakete SLS (Space Launch System) bereits 2017 zu einer unbemannten Mission starten. Doch verschiedene Pannen bremsten die ehrgeizigen Pläne, die Covid-Pandemie tat dann noch ein Übriges. Inzwischen sind die Kosten auf mittlerweile über vier Milliarden US-Dollar pro Rakete angestiegen. Die Gesamtkosten für die "Artemis"-Mission werden mit mehr als 30 Milliarden US-Dollar veranschlagt, an denen neben der NASA und der Europäischen Raumfahrtagentur ESA auch noch die Raumfahrtagenturen mehrerer anderer Länder beteiligt sind. Kritische Stimmen halten die Rakete inzwischen auch technisch bereits für veraltet.
US-Präsident Donald Trump wollte bis 2024 US-Astronauten auf den Mond bringen, doch das erwies sich weder finanziell noch technisch als machbar. Der von Trumps Nachfolger Joe Biden ernannte NASA-Chef Bill Nelson betonte, dass er die erste bemannte Landung auf dem Mond dieser Mission frühestens 2025 erwartet. An dieser Planung hält er auch nach den jüngsten Rückschlägen fest.
Trösten könnte die "Artemis"-Expertinnen und -Experten, dass es bei den Russen auch nicht besser aussieht. Nachdem Luna-24 zuletzt 1976 auf dem Mond gelandet war, um Bodenproben zu entnehmen und auf die Erde zu bringen, sollte Luna-25 eigentlich schon 2012 wieder zum Erdtrabanten starten. Gerade sagte Roskosmos jedoch einen im September angesetzten Start ab und machte auch alle Hoffnungen zunichte, dass es 2022 noch einen Startversuch geben könnte. "Das größte Problem, das Auswirkungen auf den Zeitplan zur Startvorbereitung hat, ist, dass der Geschwindigkeits- und Entfernungsmesser nach dem Doppler-Prinzip nicht den technischen Anforderungen entspricht", heißt es zur Erklärung von der russischen Raumfahrtbehörde. Angestrebt wird demnach jetzt ein Start zwischen Juni und Oktober 2023. Schon im Februar hatte der Chefkonstrukteur des russischen Raketenbauers Energija, Wladimir Solowjow, aber auch deutlich gemacht, dass Russland wohl auf absehbare Zeit keine bemannte Mission zum Mond entsenden wird.
"Das Programm einer bemannten Erforschung des Mondes sollte erst nach der Schaffung einer frühen Infrastruktur an dem ausgewählten Platz einer künftigen Mondbasis durch automatisierte Systeme beginnen", sagte Solowjow in einem Vortrag. Wegen der zu erwartenden hohen Kosten einer Mondmission nannte er zudem eine Rückkehr zu internationaler Kooperation als notwendig. Das dürfte nach der russischen Invasion in der Ukraine noch schwieriger geworden sein. Schon die Annexion der Krim hatte die internationale Zusammenarbeit erheblich erschwert. Die Sanktionen, die westliche Länder auch gegen die russische Raumfahrtindustrie verhängt hat, führen bei Roskosmos zu massiven Technik-Problemen. Nur ein Beispiel ist ein elektronisches Bauteil aus US-Produktion, das für eine weiche Landung auf dem Mond erforderlich ist, nun aber nicht mehr geliefert wurde. Anstatt sich um andere Probleme zu kümmern, mussten russische Ingenieure den Nachbau dieses Bauteils schaffen, was inzwischen auch gelungen ist, vermutlich aber auf Kosten anderer Projekte. Damit wird auch die von den Russen bis 2040 geplante Raumstation auf dem Mond zunehmend unwahrscheinlicher.
Kein neuer Wettlauf?
Aus der internationalen Zusammenarbeit auf der Internationalen Raumstation ISS hat sich Russland bereits verabschiedet. Nach 2024 soll damit Schluss sein, sagte der neue Roskosmos-Chef Juri Borissow bei einem Treffen mit Präsidenten Wladimir Putin im Juli. Der Aufbau einer ausschließlich russischen Raumfahrtstation bindet damit vermutlich Kapazitäten, die sonst für die Mondpläne hätten genutzt werden können.
In den 1960er-Jahren gewannen schließlich die USA den Wettlauf zum Mond, nachdem die Sowjetunion in der zivilen Raumfahrt lange vorn gelegen hatte. Für immer wird es der Amerikaner Neil Armstrong sein, der den ersten Fuß auf den Mond gesetzt hat. Bis heute haben die Russen keinen Menschen dorthin gebracht. Vor seinem Ausscheiden hat der frühere Roskosmos-Chef Dmitri Rogosin versucht, den Eindruck zu erwecken, dass der Mond Moskau nicht so wichtig sei. Russland sei nicht bereit, sich an "irgendeinem Wettlauf zum Mond zu beteiligen", sagte er.
Doch genau wie vor mehr als 50 Jahren zeigen Prestigeprojekte wie die Mond-Missionen die wirkliche Leistungsfähigkeit der verschiedenen Akteure, sowohl die technologische, als auch die finanzielle. Weitere Länder wie Indien oder China stehen zudem bereits mit eigenen Mond-Plänen in den Startlöchern. China hat sich für die "International Lunar Research Station" bereits mit Russland zusammengetan und mit seinen Mondsonden Chang'e 4 und Chang'e 5 nicht nur die Rückseite des Mondes erkundet, sondern dort auch Gestein eingesammelt und zur Erde gebracht. Wer am Ende Erfolg hat, macht alle Rückschläge vergessen.
Quelle: ntv.de