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Nahe riesigem Schwarzen Loch Desinfektionsmittel im Zentrum der Milchstraße entdeckt

Eine Wolke unweit des Zentrums der Milchstraße beinhaltet komplexe organische Moleküle.

Eine Wolke unweit des Zentrums der Milchstraße beinhaltet komplexe organische Moleküle.

(Foto: GLOSTAR (Bruntaler et al. 2021, Astronomy & Astrophysics): Hintergrundbild. Wikipedia (Public Domain): Propanol- und Isopropanol-Modelle.)

Auf der Erde werden damit Haut oder Oberflächen desinfiziert - nun weist ein Forschungsteam die Substanz Isopropanol nahe dem Zentrum der Milchstraße nach. Dort wurden bereits andere organische Moleküle entdeckt. Sie könnten bei der Entstehung von Leben eine Rolle spielen.

Astronomen melden eine erstaunlich klingende Entdeckung im Weltall. Sie weisen Desinfektionsmittel nahe dem Zentrum unserer Milchstraße nach. Was ist da los, ist das Coronavirus bereits so weit vorgedrungen? Das ist natürlich Quatsch, aber dennoch ist der Fund erstaunlich. Denn bei dem Desinfektionsmittel handelt es sich um einen Alkohol mit dem Namen Isopropanol. Es ist das bisher größte im Weltraum entdeckte Alkoholmolekül, teilte das Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn mit.

Viele Menschen haben Isopropanol schon einmal in der Hand gehabt: Der Alkohol dient dazu, Haut oder Oberflächen zu desinfizieren. Entdeckt wurde die Substanz nun bei der Untersuchung einer Molekülwolke in der Region Sagittarius B2. Das Gebiet ist die Geburtsstätte neuer Sterne und liegt nahe dem supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße.

Schon viele organische Moleküle wurden dort in der Vergangenheit nachgewiesen, weshalb die Region für Astronomen eine wahre Fundgrube ist. Eine internationale Forschergruppe unter der Leitung von Arnaud Belloche vom MPIfR konnte dort nun das auf der Erde als Desinfektionsmittel verwendete Isopropanol aufspüren - ebenso wie das verwandte Propanol. Es ist das größte bisher im interstellaren Raum entdeckte Alkoholmolekül.

Bereits seit 15 Jahren untersuche man die chemische Zusammensetzung der Region Sagittarius B2, so Belloche. "Diese Beobachtungen waren erfolgreich und führten insbesondere zum ersten interstellaren Nachweis einer Reihe von organischen Molekülen." Gefunden wurden seit 2014 etwa Isopropylcyanid, das auf Erden unter anderem zur Herstellung von Insektiziden verwendet wird, N-Methylformamid und Harnstoff.

Suche nach "Fingerabdrücken"

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Allerdings ist es alles andere als einfach, organische Molekülen in den Spektren von Sternentstehungsgebieten nachzuweisen. Die Forschenden setzen dafür das ALMA-Radioteleskop in Chile ein. "Je größer das Molekül ist, desto mehr Spektrallinien bei verschiedenen Frequenzen wird es emittieren", sagt Holger Müller von der Universität Köln. In einer Quelle wie Sagittarius B2 gebe es so viele Moleküle, dass sich ihre Spektren überschneiden und es schwierig sei, ihre "Fingerabdrücke" zu entwirren und sie einzeln zu identifizieren.

Warum das Ganze? Die Forschenden wollen verstehen, wie sich organische Moleküle im interstellaren Medium bilden, insbesondere in Regionen, in denen neue Sterne geboren werden. Außerdem wollen sie herausfinden, wie komplex diese Moleküle sein können. Eine Motivation dahinter ist, Verbindungen zur chemischen Zusammensetzung von Körpern im Sonnensystem wie Kometen herzustellen, wie sie zum Beispiel die "Rosetta"-Mission zum Kometen Tschurjumow-Gerassimenko vor einigen Jahren geliefert hat. Kometen könnten vor Milliarden von Jahren auch die frühe Erde mit organischen Molekülen versorgt haben - und trugen damit womöglich zur Entstehung von Leben bei.

(Dieser Artikel wurde am Mittwoch, 29. Juni 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de, kst

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